Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) ist sehr zufrieden mit der Einigung der Staaten der Europäischen Union und des Europaparlament auf einheitliche Standards für Mindestlöhne. Nicht nur, dass Europa nun auch in arbeitsrechtlichen Vergütungsstandards enger zusammenwachsen wird, vielmehr auch die Verpflichtung zu Aktionsplänen, um die Tarifbindung auf ein deutlich höheres Niveau – 80 % der Beschäftigten – zu heben, sieht der CGB positiv.
Der Bundesvorsitzende des CGB Adalbert Ewen sieht hier vor allem Deutschland in der Pflicht, da die Tarifbindung in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig abgenommen hat. Mit einem Anteil von derzeit nur noch etwas über 40 % Tarifbindung der Beschäftigten liegt die Bundesrepublik Deutschland weit entfernt von der Erfüllung der vorgesehenen Maßgabe von 80 % Tarifbindung der Beschäftigten! Dieser unbefriedigende Grad der Tarifbindung zeigt auf, dass die Gewerkschaften in Deutschland in weiten Teilen der Wirtschaft nicht mehr in der Lage sind, Tarifverträge für Beschäftigte durchzusetzen.
Grund hierfür ist neben dem Umstand, dass Tarifverträge arbeitsvertraglich in Bezug genommen werden können vor allem eine überzogene Tarifmächtigkeitsrechtsprechung, die dazu geführt hat, dass vielen Gewerkschaften die Fähigkeit abgesprochen wurde, Tarifverträge abschließen zu können. Dieser durch Gerichtsentscheidungen entstandene tarifvertragliche Leerraum konnte aber nicht von andren Gewerkschaften durch Tarifverträge wieder gefüllt werden.
„Zur Stärkung der Tarifbindung müsste gerade in Deutschland, weil unsere Tarifbindung deutlich unter 80 Prozent liegt, ein entsprechender Aktionsplan festgelegt werden. Ich glaube, dass insoweit Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Tariffähigkeit nicht mehr aufrecht zu erhalten sind und der Gewerkschaftspluralismus gestärkt werden muss,“ resümiert Adalbert Ewen. „Es muss ein Umdenken in der Bewertung gewerkschaftlicher Arbeit stattfinden. Der Focus muss auf gute Tarifverträge liegen, die die Arbeitsbedingungen angemessen regeln. Die alleinige Bewertung der Mächtigkeit einer Gewerkschaft auf Grundlage ihrer Mitgliederzahl im Vergleich zum Tarifzuständigkeitsbereich ist angesichts sinkender gewerkschaftlicher Mitgliederorganisationsgrade nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr muss entscheidend sein, ob eine Gewerkschaft von ihrer Organisation und personellen Ausstattung her zum Abschluss von Tarifverträgen in der Lage ist, ohne zum Spielball von Arbeitgeberwillkür zu werden. Diese Maßgabe sollte konkret im Aktionsplan festgelegt und nicht länger der Interpretation der Arbeitsgerichte überlassen werden,“ so Ewen weiter.
Der stv. Bundesvorsitzende Henning Röders ergänzt: „Wenn Ziel eines Aktionsplans sein muss, Tarifbindung auch in den Bereichen herzustellen, in denen Gewerkschaften bislang zur Sicherstellung einer Tarifbindung nicht in der Lage waren, dann werden die Anforderungen an den Mitgliederorganisationsgrad von Gewerkschaften, wie sie das BAG in seiner langjährigen Tariffähigkeitsrechtsprechung definiert, der geplanten EU Mindestlohn-Richtlinie nicht gerecht. Denn es würde sich zwangsläufig für alle Gewerkschaften die Frage der Tariffähigkeit stellen, wenn sie aufgrund eines Aktionsplans zu Tarifpartnerschaften auch in den Bereichen ohne bislang ausreichende mitgliederbasierte Durchsetzungsfähigkeit zum Abschluss von Tarifverträgen bewegt werden sollen.
Die Bundesregierung müsste nach der vorgesehenen Mindestlohn-Richtlinie in einem Aktionsplan darlegen, wie der Anteil der tarifgebundenen Beschäftigten in Deutschland nahezu verdoppelt werden kann. Tariftreuegesetze für öffentliche Aufträge alleine, wie von Bundesarbeitsminister Heil vorgeschlagen, können das nicht leisten. Vielmehr müssen alle Bereiche durch gewerkschaftliche Alternativen wieder betreut werden können, so dass Menschen sich auch wieder organisieren. Nur höhere Organisationsgrade werden zu höherer Tarifbindung führen.