Tarifabschluss Öffentliche Banken: Kein großer Wurf

Nach einem langen Ringen erzielten die Tarifparteien in der vergangenen Woche einen Gehaltstarifabschluss.

Das Gesamtvolumen des Abschlusses in Höhe von 11,9 % klingt dabei größer, als es die vereinbarten Gehaltserhöhungen und die Gesamtlaufzeit letztendlich hergeben.

  • Die Laufzeit von 33 Monaten ist enttäuschend lange – vor allem vor dem Hintergrund der ebenfalls überaus langen Laufzeit des letzten Abschlusses (35 Monate).
  • Eine Einmalzahlung zum Ausgleich der 5 Nullmonate vom 01.06.-31.10.2024 ist nicht vereinbart worden.
  • Die Gehaltserhöhung von 6,0 % zum 01.11.2024 sieht zwar ordentlich aus. Die letzte Gehaltserhöhung zum 01.07.2023 liegt aber bereits über ein Jahr zurück. Zudem fiel diese mit 2,0 % in der Zeit der historisch höchsten Inflation der Bundesrepublik Deutschland äußerst dürftig aus.
  • Die Erhöhungen von 2,8 % zum 01.11.2025 und von 2,7 % zum 01.11.2026 können kaum zufriedenstellen. Sie mögen zwar nominell über der derzeitigen Inflation von 1,9 % liegen. Gefühlt liegt aber die Inflation bei den Dingen des täglichen Lebensbedarfs weitaus höher. Zudem ist schon allein wegen der steigenden CO 2-Bepreisung und der von vielen Gasversorgern angekündigten deutlichen Erhöhung der Gaspreise-Netzentgelte mit einem Wiederanziehen der Inflation im nächsten Jahr zu rechnen.

Der letzte Tarifabschluss von 2022 mit den Gehaltserhöhungen von 3,0 % zum 01.07.2022 und von 2,0 % zum 01.07.2023 bedeutete für die Beschäftigten der öffentlichen Banken einen kräftigen Reallohnverlust. Dieser wird mit dem jüngsten Tarifabschluss nicht ausgeglichen. Gemessen an den Gehaltsforderungen der Gewerkschaften

  • DBV: 14,5 % auf 12 Monate, Mindesterhöhung von 500 €
  • Verdi: 12,5 % für 12 Monate, Mindesterhöhung 500 €

haben diese mit dem jüngsten Tarifabschluss einen Offenbarungseid geleistet. Denn sie haben noch nicht einmal mit einer Vertragslaufzeit von 33 Monaten das Gehaltserhöhungsvolumen erreicht, das sie für eine Laufzeit von 12 Monaten gefordert hatten. Eine solche Fehleinschätzung, was man in einer Tarifrunde erreichen kann, sollte den verhandelnden Gewerkschaften zu denken geben.

 

Seminar des internationalen Dachverbands World Organisation of Workers (WOW) zum Thema Stress bei der Arbeit

Vom 08.-10.10.2024 fand in Alcalá de Henares bei Madrid ein Seminar unseres internationalen Dachverbands World Organization of Workers (WOW) statt. Seminarthema war “Druck bei der Arbeit: Wie kann man die ständigen und steigenden Anforderungen an die Arbeitnehmer/innen reduzieren?”

An dem Seminar nahmen neben den europäischen Mitgliedsgewerkschaften auch Vertreter der WOW-Mitgliedsgewerkschaften aus Kanada, Peru, Argentinien und den Philippinen teil. Auch der WOW-Weltpräsident Wayne Prins von der kanadischen Gewerkschaft CLAC hatte den Weg nach Europa auf sich genommen, um interessante Vorträge und Diskussionen zu erleben.

  • Was macht Stress auf der Arbeit mit uns?
  • Wie wird in den verschiedenen Ländern mit Stress bei der Arbeit umgegangen? Welche Ideen und Konzepte gibt es in den einzelnen Ländern, um den Stress bei der Arbeit zu reduzieren?

Das Seminar gab einen hervorragenden Blick über den nationalen Tellerrand. “Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter wie eine Investition, nicht wie Kosten!” Dieses Zitat im Vortrag von Barbara Artenjak, die beim ÖAMTC Österreich als Mental Health Trainerin arbeitet und dort Ersatz-Betriebsrätin ist, bringt es auf den Punkt. Die Unternehmen müssen in die Gesundheit der Beschäftigten und in Maßnahmen zur Verhinderung und Abbau von Stress investieren. Jeder Euro, der dafür aufgewendet wird, macht sich mehrfach wieder bezahlt.

Neben den Vorträgen und Diskussionen nahm das Wiedersehen der internationalen Gewerkschaftsfreunde und das Knüpfen von neuen internationalen Kontakten seinen gebührenden Raum ein. Alcalá de Henares ist eine wunderschöne Stadt. Die Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ein besonderes Ereignis ist jedes Mal das Wiedersehen mit Rolf Weber. Ihn kenne ich bereits seit meinem ersten Arbeitstag bei der DHV am 01.12.2000. Damals war ein internationales Gewerkschaftertreffen mein erster Arbeitstermin.

Auf dem Foto ist die deutsche Delegation mit Sebastian Scheder (Bundesvorsitzender der Christlichen Gewerkschaft Metall (GGM), 2. v. li. ), Tatjana Roeder (CGM, 3. v. li.), Martin Gerhardt (CGM, 1. v. re.), mich persönlich (2. v. re.) sowie von WOW mit dem Weltpräsidenten Wayne Prins (4.v.re.), den Vizepräsidenten Wolfgang Pischinger (4. v. li., zugleich WOW-Europapräsident) und Mikael Arndt Lauritzen (3. v. re.) und den WOW-Generalsekretär Bjørn Van Heusden (1. v. li.)

Vielen Dank an WOW und vor allem an Bjørn Van Heusden für die Organisation dieses sehr interessanten und bereichernden Seminars!

Henning Röders

 

Bericht Tag der Deutschen Einheit in Schwerin

Stellvertretender CGB-Bundesvorsitzender Henning Röders vertrat den CGB bei den Einheitsfeierlichkeiten

Die zentrale Feier zum Einheitsfeiertag wurde in Schwerin unter dem Motto „Vereint Segel setzen“ mit einem dreitägigen Bürgerfest groß gefeiert. Der Festgottesdienst fand im Schweriner Dom und der Festakt im Mecklenburgischen Staatstheater statt. Der CGB wurde dabei vom stellvertretenden CGB-Bundesvorsitzenden Henning Röders repräsentiert.

Die Festreden hielten Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig und Bundeskanzler Olaf Scholz. Olaf Scholz verwies darauf, dass die ostdeutschen Bundesbürger stolz auf das nach 1990 Erreichte sein können. Dennoch: „Vollendet in diesem Sinne ist die Deutsche Einheit auch nach 34 Jahren natürlich nicht“, sagte der Bundeskanzler mit Hinweis auf geringere Löhne und Vermögen im Osten. „Wo immer Politik bessere Lebenschancen und gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen kann, muss dies geschehen.“

Auch Manuela Schwesig nannte unterschiedliche Löhne und weniger große Unternehmen im Osten als Gründe für die Benachteiligung von Menschen im Osten. Schwesig verwies aber auch auf die enorme Entwicklung der ostdeutschen Länder seit der Wiedervereinigung. Erfolgreiche Unternehmen seien entstanden, die Arbeitslosigkeit sei zurückgegangen, und Städte und Dörfer seien schöner geworden.  

„Für mich ist der Tag der Deutschen Einheit ein persönlicher Grund zur großen Freude. Ohne dieses Ereignis hätte ich nicht mein privates Glück und meinen Lebensmittelpunkt in der Landeshauptstadt Schwerin gefunden.“, so der stellvertretende CGB-Bundesvorsitzende Henning Röders, für den der Tag der Deutschen Einheit in diesem Jahr ein Heimspiel war. Beeindruckt zeigte sich Henning Röders von der Organisation der Feierlichkeiten und von dem vielfältigen Programm. Auf der Bürgerfestmeile zeigte sich, wie Ost und West mittlerweile zusammengewachsen sind – trotz der in den jüngsten Wahlen besonders zutage getretenen politischen Diskrepanzen im Wahlverhalten zwischen Ost und West.

Beeindruckend waren auch der Festgottesdienst und der Festakt – wenn man von der vom Bundeskanzler leider sehr leise und leider gewohnt monoton vorgetragenen Festrede absieht. Auch wenn der Tag der Deutschen Einheit ein Tag des Feierns ist, wären nach Auffassung von Henning Röders ein paar selbstkritische Töne in den Festreden durchaus angebracht gewesen. Denn nicht nur unterschiedliche Löhne und Vermögen sowie weniger große Unternehmen sind die Ursachen für die in den Wahlen besonders zum Ausdruck gekommene Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher. Vielmehr hatte die Politik mit zu großen Versprechen Erwartungen geweckt und diese enttäuscht – angefangen vom Versprechen der blühenden Landschaften des Bundeskanzlers Helmut Kohl bis hin zum Versprechen von Olaf Scholz, dass keiner zurückgelassen werde und dass man Führung bekomme, wenn man sie bei ihm bestelle. Gerade die chaotische Politik der Ampelregierung hat viel Vertrauen zerstört und die Ostdeutschen dazu gebracht, „das deutsche politische System abzuwählen“ (Zitat Ministerpräsident Rainer Haseloff, Sachsen-Anhalt anlässlich einer Betriebsrätekonferenz Ost im Juni in Berlin). Gerade Bundeskanzler Scholz sollte das in Schwerin begangene Jubiläum der Deutschen Einheit zum Anlass nehmen, mehr auf die Befindlichkeiten der Menschen in Ostdeutschland einzugehen und diese in der Politik der Bundesregierung mitzunehmen.

Henning Röders

 

Gehaltstarifabschluss Privatbanken

Anfang Juli einigte sich der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes mit den verhandelnden Gewerkschaften verdi und DBV auf folgenden Tarifabschluss:

  • 2 Nullmonate (Juni und Juli)
  • Gehaltserhöhungen:

5,5 % mehr ab 1.8.2024

3 % mehr ab 1.8,2025

2 % mehr ab 1.7.2026

  • Erhöhungen Nachwuchskräftevergütungen:

150 Euro mehr ab 1.8.2024

50 Euro mehr ab 1.8.2025

50 Euro mehr ab 1.7.2026

  • Laufzeit bis September 2026 (28 Monate)

Des Weiteren einigten sich die Tarifparteien auf Tarifgespräche zur Weiterentwicklung des Tarifentgeltsystems und zu einer modernen und individuellen Arbeitszeitgestaltung.

Die Gewerkschaften waren mit sehr hohen Forderungen in die Verhandlungen gegangen:

Verdi: 12,5 %, mindestens 500 Euro und 250 Euro mehr für Nachwuchskräfte – und das bei 12 Monaten.

DBV: 16 % bei einer Laufzeit von 24 Monaten, mindestens 600 Euro mehr; Nachwuchskräfte 250 Euro mehr; 1 Stunde Arbeitszeitverkürzung auf 38 Wochenstunden

Begleitet wurden die Verhandlungsrunden mit der üblichen Begleitmusik von Warnstreikaktionen.

Gemessen an den hohen Forderungen ist der Tarifabschluss ernüchternd. „Die Kunst des Machbaren“, wie der DBV seine Tarifinformation als Überschrift versieht, ist noch eine freundliche Umschreibung dieses Verhandlungsergebnisses, das weit hinter den Forderungen der Gewerkschaften zurückgeblieben ist. 10, 5 % mehr Gehalt und 250 Euro mehr Nachwuchskräftevergütung bei einer Laufzeit von 28 Monaten haben die durch die Tarifforderungen geschürten hohen Erwartungen nur unzureichend erfüllt. Besonders der Tarifabschluss 2022 war mit 13 Nullmonaten und zwei linearen Gehaltserhöhungen mit einem Gesamtvolumen von sehr mageren 5,0 % bei einer Laufzeit von 35 Monaten ein Schlag ins Kontor für die Beschäftigten der Privatbanken. Die Kluft zu den Beschäftigten der Sparkassen hat sich mit dem Abschluss Anfang Juli noch vergrößert. Denn diese profitierten von einer monatlichen Stückelung der Inflationsausgleichsprämie in 2023, einer Sockelanhebung von 200 Euro und einer Gehaltserhöhung von 5,5 % ab März 2024. In den unteren und mittleren Entgeltgruppen beträgt die Gesamtsteigerung damit deutlich über 10 % bis über 16 % – und das bei einer Laufzeit von nur 24 Monaten!

Natürlich wachsen die Wünsche bei Tarifverhandlungen nicht in den Himmel. Ein Tarifabschluss stellt immer die Kunst des Machbaren dar. Auch gehört zur Wahrheit, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Beschäftigten der Privatbanken unter 10 Prozent liegt und somit weder verdi noch DBV ein ernstzunehmendes Druckpotential bei den Privatbanken entfalten können. Die verhandelnden Gewerkschaften sollten deshalb selbstkritisch reflektieren, ob man nicht zukünftig etwas realistischere Forderungen aufstellen sollte.

V.I.S.d.P.: Henning Röders

 

 

 

Veranstaltung der SPD-Bürgerschaftsfraktion Hamburg zum Thema gute Arbeit

Veranstaltung der SPD-Bürgerschaftsfraktion Hamburg zum Thema gute Arbeit

Am 15.07.2024 hatte die SPD-Bürgerschaftsfraktion Hamburg zu einer Veranstaltung mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eingeladen. Unter dem Motto “Für gute Arbeit: sicher, gerecht, zukunftsfest” hielt er ein Impulsreferat, diskutierte mit der hamburgischen Gesundheits- und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer sowie mit der hamburgischen DGB-Vorsitzenden Tanja Chawla und stellte sich den Fragen des Publikums.Als DHV-Bundesvorsitzender unter lauter DGB-Betriebsräten und hauptamtlichen DGB-Gewerkschaftssekretären war ich zwar ein Exot. Aber dennoch war die Veranstaltung durchaus kurzweilig und interessant. Hubertus Heil nannte Punkte, denen ich als christlicher Gewerkschafter durchaus zustimmen kann, wie u.a.:

  • Tariftreuegesetz zur Steigerung der Tarifbindung: Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollte auch an die Bindung oder Anwendung von einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen gekoppelt werden. Die Gegner einer solchen Regelung sollten bedenken: Die Orientierung an dem wirtschaftlichsten Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis benachteiligt viel zu oft die Unternehmen, die sich an tarifvertragliche Regelungen halten und deshalb leider dem Preiswettbewerb mit tariflosen Unternehmen nicht standhalten können.
  • Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen: Auch der CGB fordert dies, um tariftreue Unternehmen vor Dumpinglohnkonkurrenz in Schutz zu nehmen. (zur Beschlusslage des DHV-Bundesgewerkschaftstages und des CGB-Bundeskongresses s. Artikel zu 75 Jahren Tarifvertragsgesetz) Bundesgewerkschaftstages
  • Digitales betriebliches Zugangsrecht für Gewerkschaften: Eine solche Regelung gibt es bereits im Bundespersonalvertretungsgesetz und sollte in alle Landespersonalvertretungsgesetze und in das Betriebsverfassungsgesetz aufgenommen werden. Dabei sollte das digitale Zugangsrecht für alle Arbeitnehmervereinigungen gelten, die unter den Schutz der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz fallen

Positiv war auch, dass der Bundesarbeitsminister auf die Verpflichtung der Bundesregierung aus der EU-Mindestlohnrichtlinie einging, einen Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindungsquote auf 80 % der Arbeitnehmer/innen zu erstellen. Allerdings glaube ich nicht, dass der Bundesregierung einen solchen Plan noch vor der Bundestagswahl 2025 vorlegen wird.

Beim Thema Mindestlohn kritisierte der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission, die mit ihrem Nein eine stärkere Anhebung des Mindestlohns verhindert habe. Er machte eine deutliche Ansage, dass er sich ein erneutes Patt zwischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter nicht noch einmal ansehen werde. Für mich war diese Äußerung ein deutliches Zeichen, dass es im Wahljahr 2025 sehr wahrscheinlich wieder eine SPD-Initiative in Richtung überproportionale Erhöhung des Mindestlohns – vielleicht auf 15 €? – geben wird. Mal sehen, wie sich die FDP verhalten wird.

Diese Kritik von Bundesarbeitsminister Heil ist verwunderlich, da die Mindestlohnkommission den 2023 geltenden Mindestlohn auf Grundlage der von der 2014 amtierenden Großen Koalition unter der damaligen SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles verabschiedeten gesetzlichen Regelung festgelegt hatte. Die Aussage des Bundesarbeitsministers ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Mindestlohn endgültig zum Spielball politischer Interessen geworden ist und die Mindestlohnkommission nur noch eine Farce darstellt.

Auf andere kritische Punkte ging Hubertus Heil nur unvollständig ein. Mit markigen Worten plädierte er gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters – ohne aber zumindest anzudeuten, wie die Finanzierungsfrage gelöst werden könne. Auch das Thema Bürgergeld streifte er nur kurz, ohne die Probleme mit den Kosten und den fehlenden Arbeitsanreizen zu erwähnen. Zum Versagen im sozialen Wohnungsbau fiel ihm nur das Lob ein, dass es endlich wieder ein Bauministerium gibt. Nun, vielleicht fehlte auch die Zeit, auf diese Kritikpunkte näher einzugehen.

Henning Röders

 

DHV-Information zu den jüngsten Verhandlungsergebnissen im Handel

“Ver.di’s Verhandlungsdebakel im Handel – Eine kritische Bestandsaufnahme”

Die jüngsten Verhandlungsergebnisse von ver.di für den Einzel- sowie Groß- und Außenhandel lässt viele Beschäftigte ratlos zurück. Was als Durchbruch verkauft wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als mageres Zugeständnis, das an den realen Problemen der Branche vorbeigeht. Man sieht hier, wohin ein gewerkschaftliches Tarifmonopol führt.

Nehmen wir Petra S.*, langjährige Kassiererin bei einer großen Supermarktkette. “Mit der Lohnerhöhung kann ich mir gerade mal einen Kaffee mehr pro Woche leisten”, sagt sie kopfschüttelnd. “Von wegen Inflationsausgleich – das ist ein schlechter Witz.”

Ähnlich sieht es Markus K.*, Lagerist bei einem Großhändler. Er hatte auf Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und auf eine wesentlich höhere Lohnerhöhung gehofft. Stattdessen heißt es weiter: Überstunden schieben bei dünner Personaldecke. “Ver.di hat uns echt hängen lassen”, meint er enttäuscht.

Diese Einzelschicksale werfen ein Schlaglicht auf die größere Frage: Hat ver.di noch die Schlagkraft, um die Interessen der Beschäftigten wirksam zu vertreten? Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Der Handel muss sich mal wieder einmal dank der Einheitsgewerkschaft mit Brosamen begnügen.

Besonders bitter: Die Mobilisierungskraft von ver.di scheint zu schwinden. Groß angekündigte Warnstreiks verpufften weitgehend wirkungslos. In einer Großstadt wie Köln beteiligten sich gerade mal knapp über 200 Mitarbeiter aus dem Handel – ein Armutszeugnis für eine Millionenmetropole und für die zweitgrößte Gewerkschaft im DGB. Vielleicht sollte sich die Einheitsgewerkschaft lieber auf ihr Kerngeschäft im öffentlichen Dienst zurückziehen. Hier sind sie ohne Frage sehr gut organisiert, in allen anderen Bereichen müsste man ein großes Fragezeichen setzen, wenn man die Tarifergebnisse als Grundlage nimmt.

Die Handelsbranche steht vor gewaltigen Herausforderungen wie Digitalisierung, Automatisierung der Verkaufsprozesse, Personalabbau und wachsender Konkurrenzdruck. Damit die Beschäftigten nicht im Hinblick auf die Arbeits- und Gehaltsbedingungen ins Hintertreffen geraten, ist es eine Rückbesinnung auf gewerkschaftliche Kernwerte wie Solidarität, Kampfbereitschaft und eine klare Kante gegenüber den Arbeitgebern notwendig. „Back to the roots“ – so sagt man im Neudeutschen. Ver.di hat es in dem über ein Jahr dauernden Tarifkonflikt im Handel nicht geschafft, dieser Herausforderung gerecht zu werden.  Die Gewerkschaft hat es versäumt, die realen Nöte der Basis in handfeste Forderungen und gute Abschlüsse zu übersetzen. Stattdessen wirkt sie angesichts der dürftigen Verhandlungsergebnisse wie ein zahnloser Tiger, der vor den Arbeitgebern einknickt.

*Namen für den Artikel geändert

Betriebsrätekonferenz Ost der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Am 27.06.2024 nahm ich an der Betriebsrätekonferenz Ost der CDU/CSU-Bundestagsfraktion teil. Es war eine sehr interessante Veranstaltung, die von CDU/CSU-Seite mit dem Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, Dr. Reiner Haseloff, den stellvertretenden CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Hermann Gröhe und Sepp Müller, dem CSU-Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt und dem wiedergewählten Mittglied des EU-Parlaments Dennis Radtke prominent besetzt war.

Die Veranstaltung stand unter dem Motto “Sozialpartnerschaft stärken – für zukunftsfähige Arbeitsplätze in Ostdeutschland”. Einige interessante Aussagen:

  • Sepp Müller: “Nur eine flächendeckende Tarifbindung kann gute Löhne und Arbeitsbedingungen gewährleisten”
  • Alexander Dobrindt: “Arbeit muss sich wieder lohnen. Es muss an der Steuerhöhe angesetzt werden. Überstunden müssen steuerfrei gestellt werden.”
  • Yasmin Fahimi (DGB-Bundesvorsitzende): “Transformation ist notwendig, kostet aber Geld. Nicht weniger Sozialstaat, sondern ein mehr an sozialer Unterstützung ist notwendig.”
  • Reiner Haseloff: “Die Ergebnisse der Europawahl und der Kommunalwahlen zeigen: Der Osten hat das politische System der Bundesrepublik Deutschland abgewählt. Es muss alles getan werden, um Arbeitsplätze zu halten. Deutschland muss in der Klima- und Wirtschaftspolitik global statt nationalistisch denken und darf nicht hinnehmen, dass Arbeitsplätze infolge der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung in andere Länder verlagert werden.”

In meiner Wortmeldung brachte ich unter Beifall der anwesenden Betriebsräte meine Ablehnung der Forderung von Alexander Dobrindt zur Steuerfreiheit von Überstunden deutlich zum Ausdruck. Die Steuerfreiheit von Überstunden würde falsche Anreize schaffen. Es bestünde die Gefahr, dass Beschäftigte länger arbeiten wollen, um ihr Gehalt aufzubessern. Betriebsräte würden in der Frage der Genehmigung von Überstunden nicht nur dem Druck der Arbeitgeber, sondern auch einem zusätzlichen Druck der Kollegen/innen ausgesetzt sein. In betriebsratslosen Unternehmen wäre die Schwelle für einen Missbrauch der Regelung besonders niedrig: Anstatt einer Gehaltserhöhung könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Absenkung der Arbeitsstunden, vereinbaren, aber faktisch das Weiterarbeiten auf dem bisherigen Stundenniveau vereinbaren. Die anfallenden Überstunden würden dann steuerfrei ausgezahlt. Überstunden dürfen nicht die Regel werden, sondern müssen weiterhin eine Ausnahme bleiben! Bei diesem Punkt herrschte eine seltene Einigkeit mit dem DGB. Denn die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi pflichtete mir bei und kritisierte ebenfalls die Forderung nach Steuerfreiheit von Überstunden.

Zudem wies ich CDU und CSU auf die in der EU-Mindestlohnrichtlinie geregelte Verpflichtung zur Erarbeitung eines Aktionsplans zur Steigerung der Tarifbindung hin. Deutschland ist mit derzeit nur etwas über 40 Prozent Tarifbindungsquote weit von der EU-Maßgabe von 80 Prozent der Arbeitnehmer/innen, die unter die Geltung eines Tarifvertrages fallen sollen, entfernt. CDU und CSU müssen Vorstellungen für einen solchen Aktionsplan erarbeiten. Dennis Radtke sieht den Spielball bei der Bundesregierung. Diese habe die arbeitsmarktpolitischen Vorschläge von CDU und CSU abgelehnt. Sie muss liefern, nicht die Unionsparteien.

Die Betriebsrätekonferenz Ost war ein interessanter Abend. Es ist wichtig, dass CDU und CSU das Gespräch mit den Betriebsräten suchen. Als Volkspartei ist es wichtig, auch die Belange der Arbeitnehmer/innen mit zu berücksichtigen. Zur Steigerung der Akzeptanz in dieser Zielgruppe ist es aber auch wichtig, die Interessen der Beschäftigten in politische Konzepten zu berücksichtigen und in der praktischen Politik umzusetzen. Die Aussage, flächendeckende Tarifbindung und damit die Tarifautonomie zu fördern, lässt sich aber  z.B. nicht in Einklang bringen mit der Forderung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmar nach einer 40 Stunden-Woche sowie mit der Forderung des CDU-Wirtschaftsflügels und der CSU-Landtagsfraktion Bayern nach Einschränkung des Streikrechts. Diese beiden Forderungen zielen auf die Beschneidung der Tarifautonomie durch gesetzliche Maßgaben ab. CDU und CSU müssen also noch lernen, weiter auf die Arbeitnehmervertreter zuzugehen, wenn sie bei den nächsten Wahlen auch in der Arbeitnehmerschaft mehr punkten wollen.

Henning Röders  

 

Foto ViKo mit Peter Weiß (00000002)

Bericht CGB-Bundesvorstandssitzung

CGB-Bundesvorstand Gespräch mit dem Beauftragten für die Sozialwahlen, Peter Weiß

Im Bundesvorstand des Christlichen Gewerkschaftsbunds Deutschland (CGB) standen auf seiner Sitzung am 27.06.2024 viele Themen auf der Tagesordnung. Die Mitglieder des CGB-Bundesvorstands gedachten dem 65-jährigen Jubiläum des CGB, der am 27.06.1959 als Dachverband der christlichen Gewerkschaftsbewegung gegründet worden war. Ablehnend positionierte sich der CGB-Bundesvorstand gegen Bestrebungen der FDP, das Streikrecht für die sogenannte kritische Infrastruktur einzuschränken. Im europäischen Vergleich weist Deutschland mit die niedrigsten Streiktage auf. Es besteht deshalb kein Regelungsbedarf. Zudem stelle sich die Frage, wo die Grenze zwischen „kritischer“ und „nicht kritischer“ Infrastruktur gewogen werden soll. Auch Energieversorgungsunternehmen wie E.ON, Vattenfall oder die städtischen Energieversorger sind Bestandteil der kritischen Infrastruktur. Auch die kommunalen Behörden, Kindergärten, der Handel, Banken, IT-Unternehmen etc. können als kritische Infrastruktur definiert werden. Der CGB-Bundesvorstand beschloss die Formulierung einer ablehnenden Stellungnahme zur FDP-Forderung.   

Inhaltlicher Höhepunkt war ein Gespräch mit dem Beauftragten für die Sozialwahlen, Peter Weiß. Peter Weiß steht seit vielen Jahren mit dem CGB in einem guten und konstruktiven Austausch. Zu seinen Zeiten als Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Deutschen Bundestag war Peter Weiß ein zuverlässiger Ansprechpartner, der die Vorschläge des CGB zu politischen Themen aufnahm und sie in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Diskussion stellte. Gerne besuchte Peter Weiß auch Veranstaltungen des CGB und seiner Gewerkschaften.

Seine Verbundenheit zum CGB pflegt Peter Weiß auch in seiner Funktion als Bundesbeauftragter für die Sozialwahlen. In dem gestrigen Videogespräch mit ihm forderte er den CGB ausdrücklich auf, Kritikpunkte und Vorschläge zur Reform der Sozialwahlen zu benennen. Dies ließ sich der CGB nicht nehmen, und es entspann sich ein reger Gedankenaustausch von über einer Stunde über die Frage, wie die geringe Akzeptanz der Sozialwahlen, die in der geringen Wahlbeteiligung zum Ausdruck kommt, gesteigert werden könnte. Der CGB-Bundesvorstand gab Peter Weiß u.a. folgende Überlegungen auf den Weg:
Voraussetzung für eine höhere Akzeptanz der Sozialwahlen ist eine Stärkung der Selbstverwaltungsgremien. Sie müssen mehr Entscheidungskompetenzen erhalten, wie:

  • Rückkehr zur Beitragshoheit und zur paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung
  • Mehr Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltungsgremien bei den Leistungskatalogen statt detaillierter gesetzlicher Festlegungen
  • Ende der gesetzlichen Verschiebebahnhöfe über die Köpfe der Sozialversicherung hinweg: Versicherungsfremde Leistungen müssen aus Steuermitteln finanziert werden.

Bereits in der Schule muss den jungen Menschen der Sinn und Zweck der gesetzlichen Sozialversicherung vermittelt werden. Dies muss verpflichtender Unterrichtsstoff werden.

Peter Weiß lud den CGB zur Teilnahme an der Präsentation des Berichts zu den Sozialwahlen 2023 am 30.09.2024 in Berlin ein. Der CGB-Bundesvorstand verabredete mit Peter Weiß, dass der CGB ein Positionspapier zur Reform der Sozialwahlen erarbeitet, das Thema eines zweiten Gesprächs im Herbst dieses Jahres sein soll.

 

V.i.S.d.P.: Henning Röders, stv. CGB-Bundesvorsitzender

 

“Ver.di’s Verhandlungsdebakel im Handel – Eine kritische Bestandsaufnahme”

Die jüngsten Verhandlungsergebnisse  von ver.di für den Einzel- sowie Groß- und Außenhandel lässt viele Beschäftigte ratlos zurück. Was als Durchbruch verkauft wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als mageres Zugeständnis, das an den realen Problemen der Branche vorbeigeht. Man sieht hier, wohin ein gewerkschaftliches Tarifmonopol führt.

Nehmen wir Petra S.*, langjährige Kassiererin bei einer großen Supermarktkette. “Mit der Lohnerhöhung kann ich mir gerade mal einen Kaffee mehr pro Woche leisten”, sagt sie kopfschüttelnd. “Von wegen Inflationsausgleich – das ist ein schlechter Witz.”

Ähnlich sieht es Markus K.*, Lagerist bei einem Großhändler. Er hatte auf Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und auf eine wesentlich höhere Lohnerhöhung gehofft. Stattdessen heißt es weiter: Überstunden schieben bei dünner Personaldecke. “Ver.di hat uns echt hängen lassen”, meint er enttäuscht.

Diese Einzelschicksale werfen ein Schlaglicht auf die größere Frage: Hat ver.di noch die Schlagkraft, um die Interessen der Beschäftigten wirksam zu vertreten? Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Der Handel muss sich mal wieder einmal dank der Einheitsgewerkschaft mit Brosamen begnügen.

Besonders bitter: Die Mobilisierungskraft von ver.di scheint zu schwinden. Groß angekündigte Warnstreiks verpufften weitgehend wirkungslos. In einer Großstadt wie Köln beteiligten sich gerade mal knapp über 200 Mitarbeiter aus dem Handel – ein Armutszeugnis für eine Millionenmetropole und für die zweitgrößte Gewerkschaft im DGB. Vielleicht sollte sich die Einheitsgewerkschaft lieber auf ihr Kerngeschäft im öffentlichen Dienst zurückziehen. Hier sind sie ohne Frage sehr gut organisiert, in allen anderen Bereichen müsste man ein großes Fragezeichen setzen, wenn man die Tarifergebnisse als Grundlage nimmt.

Die Handelsbranche steht vor gewaltigen Herausforderungen wie Digitalisierung, Automatisierung der Verkaufsprozesse, Personalabbau und wachsender Konkurrenzdruck. Damit die Beschäftigten nicht im Hinblick auf die Arbeits- und Gehaltsbedingungen ins Hintertreffen geraten, ist es eine Rückbesinnung auf gewerkschaftliche Kernwerte wie Solidarität, Kampfbereitschaft und eine klare Kante gegenüber den Arbeitgebern notwendig. „Back to the roots“ – so sagt man im Neudeutschen. Ver.di hat es in dem über ein Jahr dauernden Tarifkonflikt im Handel nicht geschafft, dieser Herausforderung gerecht zu werden.  Die Gewerkschaft hat es versäumt, die realen Nöte der Basis in handfeste Forderungen und gute Abschlüsse zu übersetzen. Stattdessen wirkt sie angesichts der dürftigen Verhandlungsergebnisse wie ein zahnloser Tiger, der vor den Arbeitgebern einknickt.

*Namen für den Artikel geändert

Harm Marten Wellmann

Bundesvorstand der CGB-Arbeitsgemeinschaft der CDA trifft sich in Berlin zur konstituierenden Sitzung und zum Gespräch mit dem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Björn Wohlert

Bundesvorstand der CGB-Arbeitsgemeinschaft der CDA trifft sich in Berlin zur konstituierenden Sitzung und zum Gespräch mit dem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Björn Wohlert

Am 19.Juni fand in der CDA-Hauptgeschäftsstelle in Berlin die konstituierende Bundesvorstands­sitzung der CGB-Arbeitsgemeinschaft der CDA statt. Im Mittelpunkt der politischen Aussprache standen Rückblicke auf den CDU-Bundesparteitag und die Europawahlen. Die Vorstandsmitglieder zeigten sich besorgt über das gute Abschneiden der rechtsextremistischen AfD, insbesondere in den fünf mitteldeutschen Bundesländern, das sich nicht allein mit der Unzufriedenheit der Bevölke­rungsmehrheit mit der Arbeit der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien erklären lässt.

Zufrieden äußerte sich der wiedergewählte Bundesvorsitzende der AG und Chef der Christlichen Gewerkschaft Post und Telekommunikation (GPT), Ulrich Bösl, über die positive Reaktion der Union auf die Forderung von CGPT und CGB nach Einführung der 5-Tage-Woche und des arbeitsfreien Samstags für die Briefzusteller.

Nach den internen Beratungen traf sich der Bundesvorstand im Berliner Abgeordnetenhaus zu ei­nem Meinungsaustausch mit dem sozialpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion des Landes-Parla­ments, Björn Wohlert. Der Wahlkreisabgeordnete und Ortsvorsitzende der CDU-Wittenau, der seit Mai auch CDA-Kollege ist, informierte seine Besucher über die besonderen sozialpoliti­schen Her­ausforderungen, denen sich die Landesregierung stellen müsse. Er verwies dabei u.a. auf das Problem fehlender Flüchtlingsunterkünfte, das angesichts des generellen Wohnungsman­gels zu Notlösungen mit Massenunterkünften zwinge, die aber die Integration der Geflüchteten er­schwer­ten und deren Radikalisierung begünstigten. Als Herausforderung bezeichnete Wohlert auch die haushaltspolitischen Sparvorgaben, von denen das Sozialressort nicht ausgenommen sei. Der Wildwuchs an Förderinstrumenten, mit denen die Vorgängerregierung vor allem Klientel­politik be­trieben habe, biete Einsparpotentiale, sei aber nur schwer zurechtzustutzen.

von links nach rechts: Ulrich Bösl und Björn Wohlert, MdA