Wegweisendes EUGH Urteil zur Gewährung von Ruhezeiten

EUGH schützt Ruhezeiten für Arbeitnehmer*innen

Ein Lokführer aus Ungarn hat ein für viele Arbeitnehmer*innen wichtiges Urteil beim Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 02. März 2023, Rs. C-477/21 | MÁV-START) erwirkt.

Der Hintergrund war wie folgt:

Der Arbeitnehmer, der bei einer ungarischen Eisenbahngesellschaft beschäftigt ist, klagte gegen die Entscheidung seiner Arbeitgeberin, ihm keine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden zu gewähren, wenn diese tägliche Ruhezeit einer wöchentlichen Ruhezeit vorausgeht oder dieser nachfolgt.

Die Arbeitgeberin rechtfertigte das damit, dass der Arbeitnehmer schließlich nicht schlechter gestellt werde, da der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag eine wöchentliche Mindestruhezeit gewähre, die mit mindestens 42 Stunden deutlich über der von Art. 3 der EU – Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) vorgegebenen wöchentlichen Mindestruhezeit von 24 Stunden läge.

Der EUGH kam zu folgender Feststellung:

Der EUGH stellte fest, dass die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit zwei völlig unterschiedliche Rechte sind, die der Arbeitgeber getrennt voneinander gewähren muss.

Beide Ruhezeiten verfolgen nämlich, so der EUGH, unterschiedliche Zwecke: Die tägliche Ruhezeit ermöglicht es den Arbeitnehmern, sich für eine bestimmte Anzahl von Stunden aus der Arbeitswelt oder der Arbeitsumgebung zurückzuziehen. Die wöchentliche Ruhezeit ermöglicht es den Arbeitnehmern, sich pro laufenden Siebentageszeitraum auszuruhen.

In Folge dessen ist den Arbeitnehmern die tatsächliche Inanspruchnahme beider Rechte durch die Arbeitgeber zu gewährleisten. Wäre die tägliche Ruhezeit dagegen Teil der wöchentlichen Ruhezeit, so würde, so der EUGH, der Anspruch auf die tägliche Ruhezeit dadurch ausgehöhlt, dass dem*der Arbeitnehmer*in die tägliche Inanspruchnahme dieser Ruhezeit vorenthalten würde, wenn er*sie sein*ihr Recht auf die wöchentliche Ruhezeit in Anspruch nimmt.

Im Ergebnis hat der EUGH also festgestellt, dass Arbeitnehmern innerhalb eines Siebentageszeitraums grundsätzlich eine zusammenhängende Gesamtruhezeit von 35 Stunden (24 Stunden wöchentliche Ruhezeit sowie 11 Stunden tägliche Ruhezeit) zu gewähren ist.

Sollte, wie im zugrunde liegenden Fall, die wöchentliche Ruhezeit, z. B. aufgrund tarifvertraglicher Regelungen, länger sein als 24 Stunden, darf keine Anrechnung auf die tägliche Ruhezeit erfolgen. Vielmehr verlängert sich der 35-stündige Gesamtruhezeitraum entsprechend.

So ist die Rechtslage in Deutschland:

Die Entscheidung des EuGH entspricht im Kern der in Deutschland bereits geltenden Rechtslage. So wird die Mindestruhezeit von 24 Stunden pro Zeitraum von 7 Tagen Arbeitnehmern*innen regelmäßig mit der nach § 9 Abs. 1 ArbZG vorgeschriebenen Sonntagsruhe von 0 Uhr bis 24 Uhr gewährt. Bei einer ausnahmsweise zulässigen Beschäftigung an Sonntagen muss der Arbeitgeber innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen einen Ersatzruhetag gewähren (§ 11 Abs. 3 ArbZG). Die Sonntagsruhe von 24 Stunden bzw. der Ersatzruhetag sind nach § 11 Abs. 4 ArbZG unmittelbar in Verbindung mit einer täglichen Ruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden zu gewähren.

Die Bedeutung der EUGH Entscheidung:

Werden Arbeitstätigkeiten, etwa am Samstag nach 13 Uhr erbracht, hat dies zur Konsequenz, dass die tägliche Ruhezeit entweder nicht bzw. nicht in vollem Umfang im unmittelbaren Anschluss an die tägliche Arbeitszeit gewährt, oder die Sonntagsruhe nicht innerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraums von 0 Uhr bis 24 Uhr eingehalten werden kann. Nach der Entscheidung des EUGH aber auch bereits nach dem Arbeitszeitgesetz ist dies nicht zulässig! Der EUGH hat ausdrücklich klargestellt hat, dass die tägliche Ruhezeit sofort im Anschluss an die Arbeitsperiode gewährt werden muss. Eine Verschiebung der Sonntagsruhe ist nach § 9 Abs. 2 und 3 ArbZG nur in bestimmten Bereichen (etwa in Mehrschichtbetrieben oder bei Berufskraftfahrern) und auch dort nur um bis zu zwei Stunden zulässig.

Die nicht wirksame Gewährung der Ruhezeit stellt eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit und im Falle von Vorsatz oder beharrlicher Nichtgewährung sogar einen Straftatbestand dar.

Besondere Bedeutung dürfte die EUGH Entscheidung zudem für die Gewährung der täglichen Ruhezeit in Gestalt von Freizeitausgleich für geleistete Überstunden oder in Gestalt von Urlaub haben.

Denn: Der EUGH hat klar auf den Erholungszweck abgestellt und festgestellt, dass mit der wöchentlichen Ruhezeit ein anderer Erholungszweck verfolgt wird als mit der täglichen Ruhezeit. Dies gilt gleichermaßen für den Erholungszweck von Freizeitausgleich und Urlaub. Der Freizeitausgleich verfolgt nämlich den Zweck der Erholung von geleisteten Überstunden und der Urlaub dient der Erholung von der über das Jahr erbrachten Arbeitsleistung. Weder Freizeitausgleich noch Urlaub verfolgen somit den Erholungszweck, den der EUGH der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit beimisst.

Das bedeutet, dass die bisherige Praxis der Gewährung der täglichen Ruhezeit in Gestalt von Freizeitausgleich für geleistete Überstunden oder von Urlaub, im Widerspruch zur EU Arbeitszeitrichtlinie steht und daher zu erwarten ist, dass auch das BAG seine bisherige Rechtsprechung, nach der dies noch möglich ist, ändern wird.

Fazit:

Das Urteil des EUGH hat Bedeutung für viele Beschäftigte in Deutschland. Das gilt, wie im zugrunde liegenden Fall, für die Lokführer, aber auch für die Berufskraftfahrer sowie für Alle, die etwa in Krankenhäusern oder sonstigen sozialen Einrichtungen ihre so wertvolle Arbeit verrichten.

Das Fukushima der Versicherungen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den letzten Wochen war ich viel im Fachbereich der Versicherungen in Bayern unterwegs.

Auf EU-Ebene ist wieder ein Provisionsverbot in der Planung. Einer meiner Gesprächspartner bezeichnete es als das Fukushima der Versicherungen. Gerade für Versicherungen mit freiberuflichen Versicherungsagenten und ohne strategischen Angestelltenvertrieb könnte die Situation schwierig werden. Noch ist nichts entschieden, und eine zentrale Rolle wird sicher das grüne Wirtschaftsministerium spielen. Wir werden die Situation im Interesse unser Mitglieder in der Branche weiter verfolgen.

Gute Gespräche hatte ich mit einer Versicherungsgruppe in der Region München für den Einstieg in eine Kooperation mit uns, möglicherweise offen auch für die anderen Partnergewerkschaften im CGB.

Hier laufen gerade die Vorgespräche weiter, ab jetzt auch zusammen mit dem Bundesvorsitzenden, um mit DHV-Vorsorge attraktive Produkte und Möglichkeiten zu schaffen.

Die vakante Postion des Schriftführers im LV Bayern, konnten wir mit einer Schriftführerin wieder besetzen. Damit ist der Landesvorstand wieder vollzählig besetzt.

Auf folgende Dinge möchte ich noch hinweisen:

  • Bitte nutzt die Möglichkeit von DHV Aktuell! Diese Online Seminare sind für Mitglieder kostenlos, im freien Markt müsste man 150 bis 300 Euro dafür bezahlen. Mit einer Teilnahme ist der Jahresbeitrag refinanziert. Das nächste DHV Aktuell ist am 15.03., Anmeldung über die Homepage.
  • Am 16.03. findet unser Stammtisch München statt und am 27.06. der Stammtisch Nürnberg.
    An beiden Stammtischen nimmt unser Bundesvorsitzender teil, der am 16.03. auch Vertragspartner der http://www.hvak.org in München besucht. Ein sehr hochwertiges Bildungsformat das unsere DHV-Bildungsstätte entwickelt hat. Weiterempfehlungen sind gerne erwünscht.

Ich wünsche allen jetzt eine gute Zeit und ich freue mich auf viele persönliche Begegnungen am Stammtisch München.

Johann Lindmeier
DHV-Landesvorsitzender Bayern

Weltfrauentag 2023: Der Kampf für Gleichberechtigung und gleiche Bezahlung geht weiter

Der 08. März steht im Zeichen des Weltfrauentages. Im Fokus stehen nicht nur Blumen, sondern vor allem der Kampf für Gleichberechtigung der Frauen im gesellschaftlichem Leben und vor allem im Berufsleben.

Viel ist bereits in Deutschland erreicht worden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bietet wirksame Sanktionsmöglichkeiten gegen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Dank der Elternzeit nehmen immer mehr Männer eine berufliche Auszeit für die Kindererziehung. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen steigt seit Jahren. Mit dem Anspruch auf einen Kita-Platz und mit dem Ausbau der Schulhorterziehung ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weitaus einfacher als noch vor ein paar Jahren.

Das sind nur einige erfreuliche Beispiele für die Verbesserung der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Dennoch gilt es, nicht nachzulassen, denn:

  • Noch immer werden Frauen häufiger in schlecht bezahlten Berufen beschäftigt!
  • Noch immer werden Frauen wegen Kindererziehung oder wegen eines möglichen Kinderwunsches in ihrer beruflichen Entwicklung ausgebremst!
  • Noch immer ruht die Last für Kindererziehung und/oder die Pflege von Angehörigen weiterhin vor allem auf den Schultern von Frauen!
  • Noch immer erleben Frauen offene oder versteckte Diskriminierung bei ihrer Jobsuche und/oder im beruflichen Alltag!
  • Noch immer erleiden Frauen durch die genannten Punkte vor allem monetäre Nachteile, was sich auch auf die Rente auswirkt!

Die Berufsgewerkschaft DHV fordert die Politik, die Gesellschaft und die Arbeitgeber auf, weiter die Rahmenbedingungen für die Gleichberechtigung von Frauen zu verbessern!

Die Politik ist gefordert, vor allem die Rahmenbedingungen für die Kindererziehung und für die Pflege von Angehörigen weiter zu verbessern.  Beispiele:

  • Bereits in der Schule müssen Mädchen auch im Hinblick auf die MINT-Fächer zielgerichtet gefördert werden!
  • Es gilt vor allem, die Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung zu verbessern. Denn: Was nützt ein Anspruch auf Kinderbetreuung, wenn es an qualifiziertem Fachpersonal und an geeigneten Kinderbetreuungseinrichtungen mangelt?
  • Pflege muss für die Angehörigen finanzierbar bleiben! Die Politik ist gefordert, die stark gestiegenen Zuzahlungen einzudämmen, um eine finanzielle Überforderung der Angehörigen zu vermeiden! Menschen, die Angehörige pflegen, müssen finanziell besser unterstützt werden.
  • Die erschwerten Bedingungen für die befristete Teilzeit – der sogenannten Brückenteilzeit – müssen abgebaut werden. Für den befristeten Anspruch auf Teilzeit müssen die gleichen Bedingungen wie für den unbefristeten Anspruch auf Teilzeit gelten!

Die Arbeitgeber sind gefordert, die Gleichberechtigung von Frauen in ihren Unternehmen zu fördern.

  • Es muss gelebte Unternehmenskultur sein, dass sich Frauen und Männer die Kinderziehung oder die Pflege Angehöriger teilen!
  • Es muss selbstverständlich sein, dass Frauen in Teilzeit auch Führungspositionen ausüben!
  • Arbeitgeber und Betriebs-/Personalräte sind gehalten, Berufsförderpläne für Frauen aufzustellen und umzusetzen!

Das beste Instrument zur Gewährleistung der Gleichberechtigung von Mann und Frau ist ein möglichst hoher Grad der Bindung von Arbeitnehmern/innen an Tarifverträge. Tarifverträge bieten vor allem mit den Regelungen zur Eingruppierung und den Vergütungstabellen ein hohes Maß an Objektivität und Orientierung an der geleisteten Tätigkeit, unabhängig vom Geschlecht. Deshalb unterstützt die DHV das in der Europäischen Mindestlohnrichtlinie festgelegte Ziel einer Tarifbindung von 80 % aller Arbeitnehmer/innen! Die Politik muss auch hier die Rahmenbedingungen setzen:

  • Die willkürliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mächtigkeit von Gewerkschaften hat zur absurden Rechtsfolge geführt, dass wegen des Tarifabschlussverbots von Gewerkschaften wie der DHV deren Tarifverträge nicht mehr gelten und damit die Tarifbindungsquote sinkt. Die Politik muss dieser Rechtsprechungswillkür Einhalt gebieten und durch eine gesetzliche Regelung gewährleisten, dass auch Gewerkschaften außerhalb des DGB wirksam Tarifpartnerschaften eingehen und weiterentwickeln können!
  • Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen muss erleichtert werden!
  • Die Sonderstellung kirchlicher Träger und ihrer Einrichtungen, die es ihnen erlaubt, auch ohne Betriebsräte und Tarifverträge agieren zu können, ist überholt und muss beendet werden!

BREMEN HAT DIE MEISTEN SCHULABGÄNGER OHNE SCHULABSCHLUSS

Im Jahr 2021 haben im Lande Bremen 10 Prozent der Schulabgänger die Schule ohne jeglichen Abschluss verlassen. Dies geht aus der heute vorgestellten Bertelsmann-Studie „Jugendliche ohne Hauptschulabschluss. Demographische Verknappung und qua­lifikatorische Vergeudung“ von Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus Klemm hervor. Bundesweit waren es lediglich 6,2 Prozent. Das kleinste Bundesland hält damit in einem bildungspolitischen Ranking wieder einmal den Negativrekord. Die SPD, die in Bremen seit mehr als 70 Jahren ununterbrochen die Verantwortung für das Bildungsressort trägt, kann sich für das neuerliche Debakel nicht mit der mangelnden Vergleichbarkeit von Stadt- und Flächenstaaten herausreden. Hamburg und Berlin haben es im Gegen­satz zu Bremen verstanden, die Quoten ihrer Schulabgänger ohne Schulabschluss von 2020 auf 2021 deutlich zu verringern, Ber­lin von 7,2 auf 6,7 Prozent und Hamburg sogar von 7,2 auf 5,9 Prozent. Auch im Großstadtvergleich der Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern bildet Bremen das Schlusslicht.

Gerne macht Bremen auch den hohen Ausländeranteil für sein schlechtes Abschneiden in bildungspolitischen Rankings verant­wortlich. Auch dieses Argument zieht nicht. Laut Bertelsmann-Studie haben 2020 13,4 Prozent der Schulabgänger ohne deutschen Pass die Schule ohne Abschluss verlassen, in Bremen waren es 24, in Hamburg 16,5 und in Berlin lediglich 5,7 Prozent.

Zu Recht verweist die Bertelsmann-Studie darauf, dass die Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen und damit auch verfehlte Schul­abschlüsse vergleichbare Maßstäbe bei der Vergabe von Schulabschlüssen voraussetzt, die jedoch zu bezweifeln sind. Bildungsfor­scher würden daher zur besseren Vergleichbarkeit zunehmend ergänzend auf die Messung bildungspolitischer Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen mittels standardisierter Tests zurückgreifen. In der Bertelsmann-Studie wurden daher auch die Ergebnisse entsprechender Tests aus den Jahren 2015 und 2018 einbezogen. Das Abschneiden Bremens relativiert sich hierdurch nicht. 2018 haben 5,6 Prozent die Mindeststandards im Bereich Mathematik verfehlt, in Bremen 12,4 Prozent (Schlusslicht), in Berlin 9,9 Prozent und in Hamburg 10,7 Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich im Bereich der Mindeststandards im Bereich Lesen, die bundesweit von 9 und in Bremen von 16,9 Prozent verfehlt wurden.

Für den CGB belegt die Bertelsmann-Studie erneut das bildungspolitische Versagen der Bremer SPD. Peter Rudolph, CGB-Landes­vorsitzender: „70 Prozent der Schulabgänger ohne Schulabschluss erhalten keinen Ausbildungsplatz. Ihnen droht Arbeitslosigkeit und Prekariat. 2021 lag die Arbeitslosigkeit bei Ungelernten bei 21 Prozent. Dies können wir uns angesichts des demographisch bedingten Fachkräftemangels nicht leisten. Wir brauchen keine Ausbildungsfonds zur Abfederung bildungspolitischer Versäum­nisse, wie ihn Rot-Rot-Grün in Bremen noch schnell vor der Bürgerschaftswahl durchsetzen will, sondern eine Kehrtwendung in der Bildungspolitik, wie Hamburg sie erfolgreich vollzogen hat.“

Vaterschaftsfreistellung

Eine schwere Geburt

Die EU-Richtlinie 2019/1158 sieht zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf seit August 2022 zehn Tage Freistellung für Väter direkt nach der Geburt eines Kindes vor. In Deutschland wurde diese Richtlinie noch nicht umgesetzt. Ein Äquivalent zum Mutterschaftsurlaub gibt es, anders als z. B. in Schweden, Frankreich und Spanien bei und noch nicht. Eine EU-weite einheitliche Systematik für die Elternzeit- und Elterngeldregelung wurde nicht festgesetzt. Auch die Höhe der Vergütung können die Mitgliedsstaaten selbst festlegen. Jeder macht es wie üblich ein bisschen anders, nur Deutschland hat noch gar nichts gemacht.  Die Bundesrepublik wurde bereits von der EU-Kommission dafür gerügt, dass diese Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt wurde. Es wurde ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Tatsächlich haben Väter hierzulande die Möglichkeit im Rahmen der Elternzeit die sogenannten „Partnermonate“ zu nehmen und Elterngeld zu erhalten. In der genannten Richtlinie geht es jedoch um eine Freistellung für Väter direkt nach der Geburt. Väter haben bei uns zwar einen Anspruch auf Sonderurlaub gemäß § 616 BGB anlässlich einer Geburt. Es gibt aber keine Regelung dazu, wie viele Tage dieser Sonderurlaub dauert. Oft handelt es sich nur um einen Tag. Konkretisierungen finden sich in Arbeits- oder Tarifverträgen.  Und es kommen nicht alle Väter in diesen Genuss. Bereits 2001 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass unverheirateten Männern – frisch gebackener Vater oder nicht – dieser Anspruch aus § 616 BGB nicht zusteht.

Es stellt sich die Frage, warum diese Richtlinie bisher noch nicht umgesetzt wurde. Die Begründung des Bundesfamilienministeriums unter Angela Merkel war, das bestehende Elterngeld stelle Eltern bereits besser, als in der EU-Richtlinie gefordert, außerdem konterkariere die Anforderung der EU möglicherweise das Ziel des Elterngeldes, da Väter dann eventuell lediglich 10 Tage freinehmen würden und nicht, wie bereits möglich, einen längeren Zeitraum. Die jetzige Bundesregierung hat die Vaterschaftsfreistellung in den Koalitionsvertrag aufgenommen und die ehemalige Bundesfamilienministerin Anna Spiegel hatte angekündigt, die Richtlinie zügig umzusetzen. Allerdings trat sie bereits nach 5 Monaten im Amt zurück und ihre Nachfolgerin Lisa Paus hielt sich in dieser Frage eher zurück. Ende November 2022 verkündete sie dann: “Die zweiwöchige Freistellung nach der Geburt kommt, nicht mehr in diesem Jahr, aber in 2024”. Sie plant, eine zweiwöchige Freistellung nach der Geburt für den Partner im Mutterschutzgesetz zu verankern. Das Gehalt soll in dieser Zeit zu 100% gezahlt werden.

Ein solcher gesetzlicher Anspruch böte zum einen den Vorteil, dass Väter nicht wie bei den Partnermonaten die Freistellung rechtzeitig beantragen müssten und bereits sehr früh eine enge Beziehung zum Kind aufbauen könnten, zum anderen wären sie am Wochenbett präsent und könnten die Mutter bei der Pflege des Kindes unterstützen. Das wäre ein echter Schritt hin zu mehr Partnerschaftlichkeit und würde sich positiv auf den noch viel zu großen Gender Care Gap auswirken. Das Beratungsunternehmen Ernst & Young führte mit dem in Washington ansässigen Peterson-Institut für Internationale Wirtschaft dazu eine weltweite Studie durch. Studiendirektor Marcus Noland sagte: “In Ländern, die familienfreundlicher sind und mehr Unterstützung bei der Geburt und Erziehung haben, schaffen es Frauen eher an die Spitze”

Einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung hat Bundesministerin Paus noch nicht. Zeit wird es!

BAG-Entscheidung Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

Gleiches Geld für gleiche Arbeit –Das BAG stärkt mit seinem Urteil die Rechte von Frauen!

Gleicher Job und weniger Geld als männliche Kollegen? Schlecht verhandelt, so das Argument des Arbeitgebers. Eine Frau sah sich dadurch diskriminiert und zog vor Gericht. Die Vorinstanzen gaben dem Arbeitgeber recht. Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichtes (BAG Urteil 8 AZR 450/21) kippte jetzt diese Entscheidungen und sprach der Klägerin ca. 14.500 Euro entgangenes Gehalt und eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 2000 Euro zu.

Die Klägerin war kurz nach einem männlichen Kollegen eingestellt worden. Der Unterschied beim Grundgehalt betrug in der Probezeit ganze 1.000 Euro monatlich, etwas später, nachdem ein Tarifvertrag eingeführt wurde, waren es noch etwa 500 Euro monatlich, obwohl die Klägerin und ihr Kollege gleiche Verantwortlichkeiten und Befugnisse hatten. Sie verlangte mit ihrer Klage eine Nachzahlung und eine Entschädigung wegen Diskriminierung vom beklagten Arbeitgeber. Dieser berief sich darauf, die Klägerin habe eben schlechter verhandelt als der männliche Kollege, dem man ursprünglich das gleiche Angebot gemacht habe und auf die geltende Vertragsfreiheit beim Abschluss der Arbeitsverträge. Die Vorinstanzen folgten dieser Argumentation.

Das BAG dagegen bejahte einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es führte aus, dass wenn Frauen und Männer wie im verhandelten Fall bei gleicher Arbeit unterschiedlich bezahlt werden, dies die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts nach § 22 AGG begründe. Diese Vermutung konnte der beklagte Arbeitgeber nicht widerlegen. Nach Ansicht des BAG ist besseres Verhandlungsgeschick kein Argument für unterschiedliches Entgelt. Auch weitere Argumente der Beklagtenseite, z. B. dass der männliche Kollege perspektivisch eine besser bezahlte Kollegin mit Leitungsfunktion ersetzen sollte, stellten nach Ansicht des Senats keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung dar und waren nicht geeignet, die Vermutung der Diskriminierung zu widerlegen.

Dieses Urteil wird vielfach als Meilenstein im Streit um gleiche Löhne und Gehälter von Frauen und Männern in Deutschland gesehen. 2022 lag der Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt bei durchschnittlich bei 18 Prozent. Das ist u. a. darauf zurückzuführen, dass Frauen häufig im Niedriglohnsektor oder in Teilzeit arbeiten. Haben Frauen eine vergleichbare Qualifikation, Arbeit, Arbeitszeit und Erwerbsbiografie, dann, so das statistische Bundesamt liegt der sogenannte bereinigte “Gender Pay Gap” immer noch bei sieben Prozent.

Es stellt sich die Frage, ob das Urteil wirklich ein Meilenstein für die Entgeltgerechtigkeit ist. Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die die Klägerin beim Verfahren unterstützt hatte, hält das seit 2017 bestehende Entgelttransparenzgesetz für “zu schwach, um Frauen zu schützen”. Demnach bestünden Auskunftsrechte zum Gehalt nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten. Sie hofft daher auf eine neue Richtlinie der EU. Es ist zwar grundsätzlich verboten, Frauen aufgrund ihrer Geschlechts für die gleiche Arbeit geringer zu bezahlen als Männer, das Entgelttransparenzgesetz ist allerdings nicht mehr als die Bekundung guten Willens auf dem Weg, den Gender Pay Gap zu beseitigen, da bereits für die Auskunftsansprüche zu hohe Hürden bestehen. Außerdem bleibt die Begründung des Urteils abzuwarten. Erst dann wird klar, ob es sich bei diesem Urteil des BAG um eine Einzelfallentscheidung handelt, oder ob es wirklich richtungsweisend ist.

 

CGB UNTERSTUETZT ONLINE-PETITION GEGEN GEPLANTEN AUSBILDUNGSFONDS

in der Landtagssitzung der Bremischen Bürgerschaft am 22. und 23.Februar wird in erster Lesung über den am 31.Januar vom Bremer Senat beschlossenen Entwurf  für ein „Gesetz zur Errichtung eines Ausbildungs­fonds im Land Bremen“ beraten. Die christlichen Gewerkschaften in Bremen und Bremerhaven lehnen den Gesetzentwurf ab und rufen auf zur Unterstützung der von den Wirt­schaftsjunioren Bremen initiierten Online-Petition „Ja zu besserer Bildung – Nein zur Ausbildungs­abgabe“. Der CGB-Landesvorsitzende Rudolph, der seit mehr als 40 Jahren die Berufsge­werkschaft DHV im Berufsbildungsausschuss der Handels­kammer Bremen vertritt, hat dazu be­reits in einer persönlichen Mail an mehr als 1800 Personal- und Ausbil­dungsver-antwortliche appel­liert, auch in ihren Betrieben und Bekanntenkreisen für die Unterzeichnung der Petition zu werben.

Peter Rudolph: „Auf dem Ausbildungsstellenmarkt herrscht ein Verdrängungswettbewerb. Dieser geht vor allem zu Lasten der Hauptschüler. Nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung hat sich der Anteil der Jugend­lichen, die mit einem Hauptschulabschluss eine Berufsausbildung beginnen, zwischen 2011 und 2021 um 20 Prozent verringert. Entsprechend gestiegen ist der An­teil der Hauptschüler an der Zahl der Un­gelernten. Zählten im Jahr 2020 von der Altersgruppe der 20- bis 34-jährigen insge­samt 15,5 Prozent zur Gruppe der Ungelernten, waren es bei den Haupt­schülern fast 36 Prozent. Diese Zahl dürfte sich weiter er­höhen nach dem die Zahl der Studienan­fänger stagniert und sich immer mehr Abiturienten für eine Berufs­ausbildung entscheiden. Das Problem des Verdrängungswettbewerbs lässt sich über einen Ausbildungs­fonds nicht lösen, allen­falls über eine Ausbildungsgarantie, wie sie in Österreich besteht.

Es sollte den politisch Verantwortlichen zu denken geben, wenn zum Stichtag 30.09.22 in Deutsch­land trotz Fachkräftemangels fast 69.000 angebotene Ausbildungsstellen nicht besetzt werden konnten. Statt die Aus­bildungsbetriebe mit einer Ausbildungszwangsabgabe zu bestrafen und zu verärgern, sollten die politisch Zuständigen besser ihrer eigenen Verantwortung für Bildung und Ausbildung gerecht werden. Dies gilt ins­besondere für das Land Bremen, das regelmäßig in allen bildungspolitischen Rankings auf den hinteren Plätzen landet.

Wenn rund 10 Prozent der bremischen Schulabgänger die Schule ohne Abschluss verlassen und zumeist als Ungelernte auf dem Arbeitsmarkt landen, kann dies nicht den Betrieben angelastet werden. Die Verant­wortung für die Ergebnisse einer verfehlten Bildungs- und Schulpolitik und damit auch für die fehlende Ausbil­dungsreife vieler Jugendlicher trägt in Bremen die SPD, die seit mehr als 70 Jahren ununterbrochen die Zu­ständigkeit für das Bildungsressort hat. Wenn diese SPD jetzt die Notwendigkeit eines Ausbildungs-fonds u.a. damit begründet, dass prekäre Beschäftigung und Langzeitarbeitslosigkeit aufgrund unzureichen-der Qualifikation präventiv vermieden werden sollen, so ist dies nicht nur ein Eingeständnis des eigenen Versagens, sondern auch eine Ohrfeige für die Betriebe, die jetzt mit einer Umlage für die Folgen dieses Versagens zahlen sollen.“

Der CGB lehnt im Übrigen nicht nur die Ausbildungszwangsabgabe ab, sondern hält auch den vor­liegenden Gesetzentwurf für verfassungswidrig. Aufgrund der von vielen Seiten geäußerten öffent­lichen Bedenken ge­gen den Ausbildungsfonds sollen entscheidende Dinge nicht in dem vom Par­lament zu beschließendem Ge­setz selbst geregelt werden, sondern erst nachträglich über vom Se­nat zu beschließende Verordnungen.

Dies betrifft u.a.:

– das Verfahren zur Festsetzung und Erhebung der Ausbildungsabgabe,

– das Verfahren zur Gewährung des Ausbildungskostenausgleiches,

– die Höhe der Bagatellgrenze, bis zu der sich Betriebe von der Ausbildungs-Zwangsabgabe be­freien lassen können.

Im Gesetzentwurf selbst sind für die Bemessung der Zwangsabgabe ledig­lich eine Bemessungs­obergrenze und für die Höhe des Ausbildungskostenausgleich für ausbil­dende Betriebe eine Bandbreite vor­gesehen. Verwunderlich auch, dass die Lande Bremen vertretenen Dienststellen von Bundeswehr und Bundesbehör-den für den Ausbildungsfonds nicht zur Kasse gebeten werden sollen. Befürchtet der Senat etwa einen Rechtsstreit über den Ausbildungsfonds mit dem Bund?

Verjährung von Urlaub nur nach Warnhinweis des Arbeitgebers

Grundsätzlich verjähren Urlaubsansprüche innerhalb von 3 Jahren nachdem sie entstanden sind. Die Regelungen über die Verjährung von Ansprüchen gemäß §§ 193. 199 Abs. 1 BGB sind nach dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20) auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub anzuwenden. Die Frist beginnt allerdings nicht zwingend mit dem Ende des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist zu laufen, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch und die gesetzlichen Verfallfristen informiert hat – „Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers“.

Tarifvertragliche Ausschlussfristen

Ausschlussfristen regeln, dass Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen und ansonsten verfallen können. Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.08.2022, 10 Sa 94/21) hat nun entschieden, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen anders als arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen, nicht der strengen AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff BGB unterliegen. Sie werden also gerichtlich nicht in gleichem Maß überprüft.

Mindestlohn für Leiharbeitnehmer erhöht

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Mindeststundenlöhne für Leiharbeiter mit der Fünften Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung angehoben. Der Mindestlohn beträgt jetzt 12,43 €/Stunde. Begründung: Seit Oktober 2022 beträgt der für alle Branchen geltende Mindestlohn 12,00 €. Dies machte eine Anpassung des Mindestlohnes für Leiharbeitnehmer, der wegen der besonderen Belastungen und Unsicherheiten in diesem Bereich traditionell höher ist als der allgemeine Mindestlohn notwendig.

Die Rechtsverordnung gilt bis zum März 2024 und schreibt folgende Mindestlöhne für Leiharbeitnehmer vor.

01.01.2023 bis 31.03.2023: 12,43 €

01.04.2023 bis 31.12.2023: 13,00 €

01.01.2024 bis 31.03.2024: 13,50 €