CGB-Maiaufruf 2024

Für unsere Demokratie – eine schützenswerte Errungenschaft – CGB

Die Zeit hat sich seit der Corona – Pandemie, dem Krieg in der Ukraine und dem Krieg im Nahen Osten so schnell verändert, wie noch niemals zuvor. Nachdem wir alle viel zu lange auf die Annehmlichkeiten unserer wirtschaftlichen Stärke und den gesteuerten Weltfrieden verlassen hatten und kriegerische Auseinandersetzungen oder wirtschaftliche Probleme in weiter Ferne lagen, mussten wir in Deutschland jetzt aus dem Dornröschenschlaf erwachen. Dass diese Probleme die Menschen verunsichern und frustrieren, ist verständlich. Dass diese Frustration aber in Demokratiefeindlichkeit umschlägt und nicht etwa handelnden Personen, sondern unserem demokratischen System, das uns über mehr als 70 Jahre Frieden und Wohlstand beschert hat, die Schuld für die Misere gegeben wird, ist nicht nachvollziehbar.

Einer antidemokratischen Minderheit, die mit Bauernfängerei, ausländerfeindlichen Parolen, Fantasien von Deportation und falscher Deutschtümelei und Möchtegern-Patriotismus auf Stimmenfang geht, wurde viel zu lange von der demokratischen Mehrheit nichts entgegengesetzt. Das ist zum Glück anders geworden. Die Enthüllungen über eine zweite “Wannseekonferenz” haben den Extremisten endgültig die Maske heruntergerissen und ihr wahres Gesicht enthüllt. Obwohl die Absichten dieser politischen Kräfte lange bekannt waren und eigentlich nie verschwiegen wurden, bedurfte es dieses einen Ereignisses, um die Parallelen zu einer längst vergangen geglaubten Zeit plastisch werden zu lassen.

Und die demokratische Mehrheit der Menschen in Deutschland steht auf! Die Demokraten stehen auf und sagen nein! Nein zu einem Deutschland, in dem dieses Gedankengut, das Deutschland schon einmal in den Zusammenbruch geführt hat, wieder die Oberhand gewinnt.

Unser Land und unser freies Leben in unserer freiheitlichen Demokratie sind durch extremistisches Gedankengut aus den politischen Rändern stärker bedroht, als es je zuvor durch die Pandemie und den Zuzug von Menschen aus dem Ausland gewesen war. Nicht Flüchtlinge – legal oder illegal – machen unser Land kaputt, sondern Extremisten jeder Couleur, die mit Intoleranz, Hass und Neid den Zusammenhalt unserer Gesellschaft hintertreiben.

Wir als CGB stehen zusammen mit allen demokratischen Kräften, um unser Land und unsere freie Lebensweise zu verteidigen. Wir sind als CGB mit allen Gewerkschaften und demokratischen Arbeitnehmerorganisationen solidarischer Bestandteil unserer Gesellschaft und stellen uns gegen die Versuche, die Uhr um 90 Jahre zurück zu drehen.

Unsere gewerkschaftliche Arbeit haben wir als christliche Gewerkschafter immer im Sinne der christlichen Soziallehre gemacht. Werte, wie Toleranz, Respekt, Solidarität und Menschlichkeit prägen unsere christliche Gewerkschaftsarbeit seit jeher und werden sie auch in Zukunft prägen.

Dazu gehört selbstverständlich unsere Ausrichtung an der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland, was uns bei allen Meinungsverschiedenheiten mit allen demokratischen Kräften in Deutschland verbindet.

Lasst uns in diesem Sinne unsere Zukunft gemeinsam gestalten – für unsere Demokratie, für all das, was wir errungen haben!

CGB-Saar Frühjahrsempfang 2024

Der diesjährige Frühjahrsempfang des CGB-Saar fand am Samstag, den 13.04.2024 im Multisaal des Bildungszentrums der Arbeitskammer des Saarlandes in Kirkel statt. Thomas Koch begrüßte in seiner Funktion als CGB Landesvorsitzender die zahlreich erschienenen Mitglieder, sowie die Redner aus Politik und Industrie, die der Einladung gefolgt sind. Leider muss er feststellen, dass auch in diesem Jahr die Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angespannt ist. Daher auch das Motto für den Empfang „Krisenfestes Saarland – schaffen wir das, oder schafft das uns?“. Angesichts der vielen Krisen bleibt den Gewerkschaften nur noch, fester und dichter bei ihren Mitgliedern zu stehen und diese bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen so gut es geht zu unterstützen. Nun waren aber die Anwesenden gespannt auf die Beiträge der Gäste und ihrer Sicht auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und ihre Vorschläge zur Bewältigung der unterschiedlichen Probleme.

Als erster kam Herr Torsten Lang (SPD), Staatssekretär im Ministerium für Inneres, Bauen und Sport dieser Aufforderung nach. Er ist ebenfalls der Ansicht, dass wir momentan in Zeiten sich überlagernder Krisen leben und diese sich nur bewältigen lassen, indem man noch stärker auf sämtlichen politischen und gesellschaftlichen Ebenen miteinander kooperiert. Hier möchte er zunächst die internationale Zusammenarbeit auf Landesebene, etwa mit dem Departement Moselle nennen. Ihm ist aber durchaus bewusst, dass für Gewerkschaften insbesondere die Herausforderungen für das Arbeitsleben – hervorgerufen durch die Transformation der Industrie und sich ständig wandelnder Anforderungen an die Beschäftigten – von überragender Bedeutung sind. Hier gilt es, passgenau zugeschnittene Lösungen zu finden, um gute Arbeitsplätze zu gewinnen und zu erhalten. Daher nehmen die Mitbestimmung auf der Ebene der Unternehmen und Dienststellen sowie die tarifliche Partnerschaft eine besonders wichtige Position ein. Dies sollen sich auch im baldigen Einbringen eines tragfähigen Entwurfes für das lange überfällige saarländische Personalvertretungsgesetz niederschlagen.

Es folgte als Redner Herr Stephan Toscani, Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU Saar. Zunächst bedankt er sich für die Einladung, der er gerne gefolgt war, denn den Rahmen der CGB Empfänge, zu denen Vertreter der Regierung, Opposition der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter erscheinen, ist ein besonders gelungener. Nach seiner Ansicht ist die Analyse richtig, dass die deutsche Wirtschaft in einer erheblichen Krise steckt. Stephan Toscani führte einige Punkte zur Verbesserung der Situation an. Zum ersten braucht es niedrige Preise für Energie, besonders für elektrischen Strom, etwa zur Produktion von grünem Stahl. Eine überbordende Bürokratie lähmt die wirtschaftliche Entwicklung. Zur Reduzierung von Regulierungen bringt er den Lösungsansatz einer Genehmigungsfiktion ins Gespräch. Sollte eine Behörde nicht in angemessener Zeit auf einen Antrag reagieren, so gilt dieser als genehmigt. Sein dritter Vorschlag befasst sich mit dem Arbeits- und Fachkräftemangel. Zum einen soll Einwanderung in den Arbeitsmarkt gefördert, gleichzeitig auch das Potential im Land vorhandener Kräfte genutzt werden. Besonderes Augenmerk sollte hier auf den 50.000 Schülerinnen und Schülern liegen, die pro Jahr ohne Abschluss aus dem deutschen Schulsystem ausscheiden.

Herr Frank John (SPD), Bürgermeister der Gemeinde Kirkel, sagte in seinem Grußwort in Bezug auf das Motto aus der Sicht der Kommunen ganz klar „ja, wir schaffen das!“ Dabei haben die unterschiedlichen Krisen der Gegenwart die unschöne Angewohnheit, letztlich bei den Städten und Gemeinden zu landen. Sei es die steigenden Energiepreise, wobei man hier als Kommune oft Nutzer und Erzeuger mit den entsprechenden Herausforderungen zugleich ist, oder steigende Baukosten bei angespannter Wohnungslage, um auch Kriegsflüchtlinge unterzubringen. Des Weiteren ist der Ausbau der Kinderbetreuung in Form von Krippen- und Kitaplätzen sowie der Ganztagsschulbetreuung eine drängende Angelegenheit. Hierin stecken aber auch immer Chancen, denn dieser Ausbau stellt auch ein Konjunkturprogramm für die lokalen Unternehmen dar. Trotz rechtlich notwendiger europaweiten Ausschreibungen landen die Aufträge erfahrungsgemäß beim lokalen Handwerk. Für Frank John hat sich in den Jahren seiner Amtsführung ganz klar herausgestellt, dass ein offener und respektvoller Umgang zwischen Personalvertretung und Dienstherren entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zum Wohle der gesamten Gemeinde sind.

Als Vertreter der Arbeitgeberseite trat Herr Martin Schlechter, Geschäftsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie, ans Mikrofon. Er stieg mit einem Hinweis auf die hohe Bedeutung der Tarifautonomie für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands ein. Die Grundlagen des Tarifvertragsgesetzes sind noch älter als unser Grundgesetz, aber es steht aktuell stark unter Druck. Mit dem jüngsten Gebaren der GDL, vertreten durch Herrn Weselsky, im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn hat diese nach Ansicht von Herrn Schlechter der organisierten Arbeitnehmerschaft einen Bärendienst erwiesen. Noch gefährlicher seien aber Bestrebungen der Politik, die Tarifautonomie per Gesetzesvorhaben einzuschränken. Nur unabhängige Gewerkschaften sind attraktiv für Arbeitnehmer und so auch in der Lage, in Verhandlungen mit den Arbeitgebern erfolgreiche Abkommen zu treffen. Eine Einmischung der Politik kann hier nur kontraproduktiv sein. Angesichts von hohen Energiepreisen, zu viel Bürokratie und einem gewaltigen Arbeits- und Fachkräftemangel plädiert Herr Schlechter für mehr Realitätssinn in der öffentlichen Diskussion. Trotzdem seien die aktuellen Krisen zu bewältigen, wenn nun die Zeichen richtig gedeutet werden und man nun entschlossen die Herausforderungen anpackt.

Nach diesen interessanten Redebeiträgen blieben die Anwesenden noch lange zusammen, um sich über das Gesagte auszutauschen und alte Bekanntschaften wieder aufleben zu lassen. Auch dieser CGB Frühjahrsempfang zeigte wieder deutlich die Wichtigkeit solcher Veranstaltungen als Plattform zum Meinungsaustausch.                 

Mindestlohn

10 Jahre Mindestlohn: Licht und Schatten

Vor zehn Jahren wurde die Einführung des Mindestlohns beschlossen. Der von Kritikern befürchtete massenhafte Wegfall von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich und ein damit verbundener Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Geringverdienern ist ausgeblieben. Unter dem Strich steht positiv ein überproportionaler Einkommenszuwachs für diese Arbeitnehmergruppe zu Buche. Aber es gibt auch problematische Aspekte, die sich in den vergangenen Jahren noch weiter verschärft haben.

Die Bedenken gegen den Mindestlohn waren vor zehn Jahren erheblich. Von einem Einstieg in eine staatliche Lohnfestsetzung war die Rede. Kritiker befürchteten einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen und damit verbunden einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit im Niedriglohnsektor. Es wurde gar die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen an die Wand gemalt, weil viele Unternehmen die massiv steigenden Personalkosten nicht mehr tragen könnten.

Diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt. Die Arbeitslosenquote ist weiter niedrig in Deutschland, und das trotz der wirtschaftlichen Krise, in der sich Deutschland seit Corona befindet. Die Beschäftigten im Niedriglohnsektor profitieren in positiver Weise vom Mindestlohn, der in den letzten überproportional zur allgemeinen Entwicklung der Löhne und Gehälter gestiegen war. Arbeit gibt es auch weiterhin im Niedriglohnsektor. Ein massenhafter Abbau von Arbeitsplätzen infolge eines Rationalisierungsdrucks wegen des Mindestlohns ist nicht eingetreten. Unter diesen Aspekten ist der Mindestlohn ein Erfolg. Die damalige Bundesregierung hatte gut daran getan, den Bedenkenträgern nicht zu folgen und den Mindestlohn gegen Widerstand der Wirtschaft durchzusetzen!

Dennoch gibt es problematische Aspekte und Handlungsbedarfe:

  • Die Befürchtung der DHV, dass der Mindestlohn zum Spielball politischer Interessen wird, haben sich leider erfüllt. Die vom Gesetzgeber eingesetzte Kommission zur Festlegung des Mindestlohns nach genau vorgegebenen Kriterien hat die Ampelregierung nicht davon abgehalten, sich über die gesetzlichen Maßgaben hinwegzusetzen und den Mindestlohn überproportional zum 01.10.2022 auf 12 Euro zu erhöhen. Und nicht einmal ein halbes Jahr danach wurden wieder Forderungen nach einer weiteren überproportionalen Erhöhung laut. Die Politik muss die Arbeit der Mindestlohnkommission respektieren und darf diese nicht nach Gutdünken durch willkürliche Erhöhungen des Mindestlohns konterkarieren!
  • Die Beschäftigten im Niedriglohnsektor leiden in besonderem Maße unter der hohen Inflation der vergangenen beiden Jahre und der weiterhin hohen gefühlten Inflation bei den Gütern für den täglichen Bedarf. Der Mindestlohn kann den schmerzlichen Kaufkraftverlust nur bedingt auffangen. Er kann nicht entsprechend der Inflation einfach angehoben werden. Eine solche Maßnahme würde insbesondere die über dem Mindestlohn verdienenden Beschäftigten benachteiligen, weil deren Gehälter nicht einem solchen Automatismus unterliegen würden und sich der in der Vergütung zum Ausdruck kommende Wert ihrer Arbeit zu Lasten der nach Mindestlohn vergüteten Arbeit verschieben würde. Eine überproportionale Mindestlohnanhebung kann auch zu dem befürchteten Effekt eines erheblichen Abbaus von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor führen und letztendlich den Geringverdienern mehr schaden als nützen. Die Politik muss die unter den Mindestlohn fallenden Geringverdiener durch eine konsequente Bekämpfung der Inflation und in Form von wirksamen staatlichen monetären Entlastungen unterstützen! Die staatlichen Ausgaben müssen konsequent auf den Prüfstand gestellt werden, um ein Ausufern der Schuldenpolitik und ein weiteres Befeuern der Inflation zu vermeiden. Geringverdiener können wirksam unterstützt werden, indem sie für ihre Arbeit nicht nur keine Steuern zahlen müssen, sondern gar eine steuerliche Gutschrift in Form einer negativen Einkommenssteuer erhalten. Dieses Modell wird in Österreich mit Erfolg praktiziert.
  • Eine überproportionale Entwicklung des Mindestlohns wie in 2022 hat erhebliche Auswirkungen auf das Lohnabstandsgebot zu höheren Lohn- und Gehaltsgruppen in vielen Tarifverträgen. Zur Wahrung eines angemessenen Abstands zwischen den Vergütungsgruppen müssten die anderen Tarifgehälter ebenfalls überproportional angehoben werden. Damit steigt aber die Gefahr des Scheiterns von Tarifverhandlungen und des Eintritts eines tariflosen Zustands. Die Politik muss auch aus Gründen des Lohnabstandsgebots von Forderungen nach überproportionalen Anhebungen Mindestlohnanhebungen absehen und stattdessen die Geringverdiener anderweitig entlasten!
  • Der beste Schutz gegen Lohndumping und Armut ist eine flächendeckende Tarifbindung. Davon ist Deutschland mit einem Anteil von nur rund 40 Prozent tarifgebundenen Arbeitnehmer/innen erschreckend weit entfernt. Die Bundesrepublik Deutschland muss gemäß den Maßgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie in den nächsten Jahren einen Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindung auf 80 Prozent erstellen. Der Aktionsplan muss neben dem Ziel eines einheitlichen Branchenlohnniveaus auch Gewerkschaften außerhalb des DGB einen Schutz ihrer gewerkschaftlichen Betätigung gewährleisten. Die Aberkennung der Tariffähigkeit von Gewerkschaften wie der DHV führt dazu, dass deren Tarifverträge unwirksam werden, für deren Mitglieder die Tarifbindung erlischt und das Gehaltsniveau zu sinken droht.

Die Bundesregierung muss insbesondere die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern mit dem Ziel, so flächendeckend wie möglich ein Niveau mit Branchenmindestlöhnen zu gewährleisten! Die Steigerung der Tarifbindung darf nicht dadurch erschwert werden, dass an die Tariffähigkeit von Gewerkschaften außerhalb des DGB unerreichbar hohe Hürden gestellt werden!

Gehaltstarifrunde: Enttäuschendes Verhandlungsergebnis

Nach einer mit den üblichen Warnstreikaktionen begleiteten Gehaltstarifrunde liegt nun ein Verhandlungsergebnis vor, über das nun verdi-Mitglieder bis zum 10.04.2024 abstimmen dürfen.

Die Variante 1 hört sich mit der Inflationsausgleichsprämie von 3.000 € in 2024 und einer linearen Gehaltssteigerung von insgesamt 9,0 % in 2025 stark an. Aber letztendlich haben die Beschäftigten bis zu einer Monatsvergütung von etwa 4.500 € im nächsten Jahr kaum Grund zur Freude. Sie dürfen sich im Januar 2025 darüber „freuen“, dass die 250 €, die sie – 3.000 € entsprechend umgerechnet – monatlich in 2024 als Inflationsausgleichsprämie steuer- und sozialversicherungsfrei erhalten werden, nun mit den entsprechenden Abzügen versehen werden. Sie müssen dann bis September 2025 warten, bis der Verlust infolge der Abzüge ausgeglichen ist und sie über dem verfügbaren Nettoeinkommen von 2024 liegen. Wer von den Beschäftigten etwas mehr als 250 € an Gehaltserhöhung erhält, darf hoffen, dass er/sie wenigstens netto auf dem gleichen Niveau liegt. Dass es die verhandelnde Gewerkschaft nicht geschafft hat, wie im öffentlichen Dienst eine Sockelbetragsanhebung und darauf eine Gehaltssteigerung zu erreichen, ist kein Ruhmesblatt!

Die Variante 2 offenbart, dass die Beschäftigten der BARMER mit diesem Tarifabschluss gegenüber anderen Branchen und sogar gegenüber dem öffentlichen Dienst, dem die BARMER als Körperschaft des öffentlichen Rechts zugeordnet ist, weiter ins Hintertreffen gerät. Während im letzten und in diesem Jahr in anderen Branchen Abschlüsse von 5 % und mehr erzielt wurden, müssen sich die BARMER-Beschäftigten in diesem Jahr mit 3,5 % zufriedengeben – nach 3,2 % im Dezember 2022. Angesichts der hohen Inflation der letzten Jahre und der immer noch hohen Teuerung bei den Gütern des täglichen Lebens bedeutet das Verhandlungsergebnis damit einen weiteren Einkommensverlust für die BARMER-Beschäftigten!

Die zusätzlichen zwei bezahlten Urlaubstage sind kaum ein Trost für das ernüchternde Verhandlungsergebnis. Von zwei freien Tagen können sich die BARMER-Beschäftigten eben nicht mehr kaufen. Der Erhalt der exklusiven beiden Bildungstage für die Mitglieder der verhandelnden Gewerkschaft manifestieret weiterhin die Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Beschäftigten.

Die verhandelnde Gewerkschaft hat mit einer Gehaltsforderung von 12,5 Prozent und mit bundesweiten Warnstreikaktionen mal wieder hohe Erwartungen bei den Beschäftigten geschürt – nur um mit dem Verhandlungsergebnis wie in den Gehaltstarifrunden zuvor hart auf den Boden der Tatsachen zu landen und wiederholt die Erwartungen vieler Beschäftigten zu enttäuschen. Ein erfreuliches Verhandlungsergebnis sieht anders aus!

Unter welchen Voraussetzungen können Arbeitnehmer zur Erreichbarkeit im Urlaub verpflichtet sein?

Wegen der bevorstehenden Osterferien hier eine aktuelle Information zur Erreichbarkeit von Arbeitnehmern im Urlaub:

Urlaub ist für viele Arbeitnehmer eine Zeit der Erholung und des Abschaltens vom beruflichen Alltag. Doch in einigen Fällen kann es notwendig sein, dass Arbeitnehmer auch während ihres Urlaubs für ihren Arbeitgeber erreichbar sind. Doch wann ist das eigentlich rechtlich in Deutschland zulässig?

Gemäß dem deutschen Arbeitsrecht ist der Urlaub als Zeit der Erholung und der Freizeit konzipiert. Arbeitnehmer haben das Recht auf eine ungestörte Auszeit von ihrer beruflichen Tätigkeit, wie es im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) festgelegt ist. Dies bedeutet grundsätzlich, dass Arbeitnehmer während ihres Urlaubs nicht für ihren Arbeitgeber erreichbar sein müssen und auch nicht arbeiten dürfen. Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel.

In einigen Branchen, wie beispielsweise im Gesundheitswesen oder in der Notfallversorgung, können Arbeitnehmer aufgrund ihrer beruflichen Verantwortung oder spezieller Vereinbarungen mit ihrem Arbeitgeber auch während ihres Urlaubs zur Erreichbarkeit verpflichtet sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um unvorhergesehene Notfälle handelt, die eine sofortige Reaktion erfordern.

Darüber hinaus kann in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgelegt werden, dass Arbeitnehmer während ihres Urlaubs für ihren Arbeitgeber erreichbar sein müssen. Solche Vereinbarungen sollten jedoch klar definiert sein und die Grenzen der Erreichbarkeit festlegen, um die Work-Life-Balance der Mitarbeiter zu wahren.

Es ist wichtig zu betonen, dass Arbeitnehmer das Recht haben, während ihres Urlaubs nicht für ihren Arbeitgeber erreichbar zu sein, es sei denn, es besteht eine ausdrückliche Vereinbarung, oder es handelt sich um außergewöhnliche Umstände, die eine Erreichbarkeit erforderlich machen. Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer nicht dazu zwingen, ihre Urlaubszeit für berufliche Angelegenheiten zu nutzen, und sie dürfen auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für die Ablehnung einer Erreichbarkeit im Urlaub verhängen.

Insgesamt ist die gesetzliche Lage in Deutschland klar: Arbeitnehmer haben das Recht auf ungestörten Urlaub ohne berufliche Verpflichtungen. Ausnahmen gelten nur in bestimmten Branchen oder in Notfällen, und auch dann müssen klare Vereinbarungen getroffen werden, die die Rechte und Bedürfnisse der Arbeitnehmer respektieren.

DHV fordert den sofortigen Stopp der unwürdigen Videoüberwachung bei Amazon

Zur vom Onlinehändler Amazon praktizierten Überwachung von Mitarbeitern gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen in Frankreich und Deutschland. Die Berufsgewerkschaft DHV hält diesen Zustand nicht für akzeptabel und fordert Amazon auf, diese Überwachung unverzüglich einzustellen.

Die französische Datenschutzbehörde CNIL hatte eine Geldstrafe von 32 Mio. € gegen die Logistiksparte von Amazon France (3% des Umsatzes) verhängt, weil die Arbeiter in den Versandzentren zu stark überwacht werden. Dazu gehört die Geschwindigkeit, mit der Artikel gescannt werden, und die Leerlaufzeit der Scanner. Alle Daten werden einen Monat lang gespeichert und statistisch ausgewertet, was die Behörde für unzulässig hält. Die Überwachung kann dazu führen, dass die Lagerarbeiter jede Pause oder Unterbrechung rechtfertigen müssen.

Die gleiche Frage hatte auch eine Datenschutzbehörde in Deutschland beschäftigt, die Amazon diese Form der Datenerhebung untersagte. Am 9. Februar 2023 kam das Verwaltungsgericht Hannover aber zu einer anderen Entscheidung. Seither darf Amazon im Logistikzentrum Winsen (Luhe) bei Hamburg die Arbeitsgeschwindigkeit unverändert mit Handscannern überwachen.

Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover zur Videoüberwachung von Amazon-Mitarbeitern: Eine kritische Analyse

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9. Februar 2023 bezüglich der Videoüberwachung von Amazon-Mitarbeitern wirft wichtige Fragen bezüglich des Schutzes der Privatsphäre und der Arbeitnehmerrechte auf. Das Gericht entschied, dass Amazon in bestimmten Bereichen seiner Logistikzentren weiterhin Kameras zur Überwachung der Mitarbeiter einsetzen darf, solange diese keine sensiblen Bereiche wie Toiletten oder Umkleideräume abdecken. Diese Entscheidung wirft jedoch Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und des Rechts auf Privatsphäre auf. Die Verwendung von Überwachungskameras kann das Gefühl der Mitarbeiter, ständig beobachtet zu werden, verstärken und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigen. Des Weiteren besteht die Gefahr des Missbrauchs solcher Überwachungssysteme durch den Arbeitgeber, um beispielsweise Mitarbeiter zu überwachen oder zu disziplinieren, anstatt sie vor tatsächlichen Sicherheitsrisiken zu schützen. Dies kann zu einem Klima der Überwachung und des Misstrauens am Arbeitsplatz führen, was sich negativ auf das Arbeitsklima und die Produktivität auswirken kann. Es ist daher entscheidend, dass Gerichte und Gesetzgeber sicherstellen, dass die Verwendung von Überwachungstechnologien am Arbeitsplatz streng reguliert und auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird. Arbeitnehmer müssen vor unzulässiger Überwachung geschützt werden, während gleichzeitig angemessene Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet werden. Insgesamt fordert das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover eine sorgfältige Abwägung zwischen den Rechten der Arbeitgeber auf Sicherheit und den grundlegenden Rechten der Arbeitnehmer auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung.

Ganz anders die französische Entscheidung!

Die Entscheidung der französischen Datenschutzbehörde vom 27. Dezember 2023, die die Videoüberwachung von Amazon-Mitarbeitern verbietet, ist ein bedeutender Schritt in Richtung des Schutzes der Privatsphäre und der Arbeitsrechte. Diese Entscheidung unterstreicht die Anerkennung der grundlegenden Rechte der Arbeitnehmer und sendet ein starkes Signal an Arbeitgeber, dass Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz nicht über das angemessene Maß hinausgehen dürfen. Mit Hilfe der verhängten Geldstrafe werden die Würde und Privatsphäre der Mitarbeiter gewahrt, und es fördert ein Arbeitsumfeld, das auf Vertrauen und Respekt basiert. Darüber hinaus trägt es dazu bei, das Bewusstsein für die Bedeutung des Datenschutzes zu schärfen und zeigt, dass auch in einer digitalisierten Welt die Rechte der Arbeitnehmer geschützt werden müssen. 

Aus den genannten Gründen fordert die DHV Amazon auf die menschenverachtende und die mehr als fragwürdige Überwachung Ihrer Mitarbeiter unverzüglich zu beenden,

 

Bericht WOW-Seminar

Arbeit ist mehr als nur ein Tun: Wie lässt sich das Wohlbefinden von Arbeitnehmern verbessern – auch vor dem Hintergrund zunehmender Belästigung am Arbeitsplatz?

Datum: 12.03.2024

Vom 20.-22. Februar 2024 trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Arbeitnehmerorganisationen aus knapp zwanzig unterschiedlichen Ländern in der zypriotischen Hafenstadt Larnaca. Anlass war ein Seminar der World Organisation of Workers (WOW) unter dem Titel „Arbeit ist mehr als nur ein Tun: Wie lässt sich das Wohlbefinden von Arbeitnehmern verbessern – auch vor dem Hintergrund zunehmender Belästigung am Arbeitsplatz?“ Das Thema ist auch in der deutschen Arbeitswelt von großer Bedeutung und Aktualität, so dass die DHV die Gelegenheit ergriffen hatte, mit den Landesgeschäftsführern Marc Endlich (Baden-Württemberg) und Lukas Menzel (Rheinland-Pfalz/Saar u. Hessen) ebenfalls vor Ort vertreten zu sein.

Die Eröffnung erfolgte durch Herrn Erik Maas (WOW Vorstandsmitglied Europa, Niederlande), der die Wichtigkeit der Arbeitszufriedenheit für Beschäftigte betonte, da von dieser in entscheidender Weise die Identifikation mit der ausgeübten Tätigkeit abhängt und so direkte Auswirkungen auf die Produktivität hat. Auch der Präsident der WOW, Wayne Prins, aus Kanada war zum Seminar angereist und hob die Bedeutung der Zufriedenheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hervor, da dies auch eine Frage der Ehre bzw. Würde eines Jeden in seinem Arbeitsleben sei. Angesichts der Wichtigkeit des Themas ist es nur folgerichtig, dass man sich auch über nationale Grenzen hinweg austauscht und zusammenschließt, um ein wirkmächtiges Netzwerk aufzubauen. Das Seminarprogram bestand aus zehn Vorträgen und Diskussionsrunden mit Dozenten aus dem akademischen Bereich, Gewerkschafts-vertreterinnen mit umfassenden Erfahrungen aus der Praxis und Rednern, die die erfolgreiche Einführung von Programmen zur Verbesserung des Wohlbefindens von Beschäftigten am Arbeitsplatz vorstellten.

Aufgrund dieses sehr umfassenden Programms werden hier nur einige Ausführungen beispielhaft wiedergeben. Ein sehr interessantes Projekt stellte der Kollege Rolf Weber (Kifra Dänemark) in seinem Beitrag „Arbeitszufriedenheit ist von großem Wert“ vor. Ein eigens für die Untersuchung der Jobzufriedenheit ins Leben gerufene dänisches Institut hat eine Messskala aus sieben Faktoren entwickelt. In den Bereichen Bedeutung, Fähigkeit, Führung, Einfluss, Gleichgewicht, Erfolg und Kollegen konnten die Befragten jeweils null bis hundert Punkte vergeben und so einen Gesamtwert für die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit erhalten. Die Forscher haben errechnet, dass sich ein Punkt in der Gesamtbetrachtung Jobzufriedenheit mit einem Wert von 2.110 € angeben lässt. Bei einer Steigerung der Zufriedenheit der Beschäftigten erfolgt ein Rückgang bei Krankheitstagen und der Fluktuation auf Arbeitsplätzen.

Die gesamtgesellschaftlichen Vorteile, die sich aus einer höheren Wertschätzung der Angestellten für ihre Arbeit ergeben, stellte Herr Mikael Arendt Laursen (Kifra Dänemark) näher vor. Die Steigerung der Jobzufriedenheit schlägt sich nicht einfach nur in einer hören individuellen Freude und persönlichen Erfüllung nieder, sondern hat einen direkten Einfluss auf Produktivität und Entwicklungsfortschritt in den jeweiligen Unternehmen. So kann die Steigerung der Jobzufriedenheit mit einer höheren Wochenarbeitsleistung von ein bis zwei Stunden beziffert werden, die Anzahl der Krankentage sinkt erheblich und man hat einen späteren Renteneintritt von durchschnittlich 4,6 Jahren errechnet. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse ist der Rückschluss offensichtlich, dass mit der Erhöhung der Zufriedenheit von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ein entscheidendes Instrument zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels vorliegt.

Die Kollegin Sara Nedergaard Aksholm (Kifra Dänemark) stellte anschließend noch ein weiteres Ergebnis der umfassenden Forschungen zu diesem Themengebiet vor. Mit dem Arbeitszufriedenheit Indexwert wurde ein Instrument entwickelt, das es sowohl einzelnen Angestellten, als auch Unternehmen ermöglicht, mit Hilfe der App GAIS die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter zu ermitteln und anschließend langfristig zu verbessern. Über GAIS können Nutzer anhand der für Arbeitszufriedenheit entscheidenden sieben Faktoren einen Selbsttest durchführen und erhalten im Anschluss einen aussagekräftigen Wert für ihre Jobzufriedenheit. So wird diese nicht nur konkret und nachvollziehbar, sondern bietet auch die Möglichkeit Entwicklungen und Trends in der Belegschaft zu verfolgen.

Am Ende des Seminars waren noch einmal alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt, sich einzubringen. Der europäische WOW Vorstand ist der festen Überzeugung, dass sich der Einfluss der Organisation auf die europäischen Institutionen in Brüssel noch steigern lässt. Die Solidarität der Mitgliedsorganisationen untereinander steht weiterhin im Vordergrund, es sollen aber drei Hauptanliegen formuliert werden, die zukünftig in Brüssel besonders gefördert werden sollen. Unter der Leitung von Wolfgang Prischinger (WOW Präsident Europa, Österreich) haben sich aus den Anwesenden Arbeitsgruppen gebildet, die entsprechende Vorschläge formuliert und vorgestellt haben. Der Europavorstand wird die Ergebnisse der Gruppenberatungen auswerten und seine Arbeit anhand der Ergebnisse zukünftig verstärkt ausrichten.      

Als Fazit der hoch informativen Vorträge und der intensiven Beratungen betonten die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer einhellig die große Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit und des Austausches über nationale Grenzen hinweg. Auch wurde eindeutig bewiesen, dass es sich bei den Themen Wohlbefinden von Beschäftigten und Jobzufriedenheit mitnichten um vernachlässigbare „Wellnesthemen“ handelt. Vielmehr lassen diese sich auf konkrete Daten festsetzen und haben für die Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt eine immense Bedeutung.

Lukas Menzel                                                                                                                            DHV-Rheinland-Pfalz/Saar

fingerweg vom streikrecht2

Statement des DHV-Bundesvorsitzenden: Finger weg vom Streikrecht!

Die derzeit stattfindenden Streikaktionen der GDL, im öffentlichen Nahverkehr und an den Flughäfen erwecken den Eindruck, dass Deutschland in einer Streikwelle stecke. Sicherlich: Die Gleichzeitigkeit der Tarifkonflikte in diesen für den Verkehr in Deutschland essentiellen Bereichen ist ärgerlich. Man fühlt sich der Eskalationsbereitschaft der verhandelnden Gewerkschaften und dem Pokern um den richtigen Zeitpunkt für einen Kompromiss hilflos ausgeliefert. Es ist ärgerlich, dass Termine abgesagt oder verschoben werden müssen und dass für längere Strecken das Auto genutzt werden muss. Es ist ärgerlich für Beschäftigte, dass sie Probleme haben, zur Arbeit und nach Feierabend nach Hause zu kommen. Die Streiks bei der Bahn und im öffentlichen Nahverkehr sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Mobilitätswende.

Es verwundert nicht, dass Forderungen nach Einschränkungen des Streiktrechts lauter werden. Aber halt – lassen wir mal die Kirche im Dorf! In dem seit über vier Monaten dauernden Tarifkonflikt hat die GDL sechs Streiks von jeweils nur wenigen Tagen durchgeführt. In der überwiegenden Zeit der Tarifauseinandersetzung fuhr die Deutsche Bahn, und man ärgerte sich nur über die üblichen Zugausfälle und Verspätungen. Kann man da von einer Streikwelle sprechen, die von den Arbeitsgerichten als unverhältnismäßig untersagt werden muss und die einen Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit (Artikel 9 Abs. 3 GG) durch eine gesetzliche Einschränkung des Streikrechts der Beschäftigten zwingend erfordert? Die gleiche Frage muss auch für den öffentlichen Nahverkehr und für die Flughäfen gestellt werden.

Meine Meinung lautet: NEIN! Der subjektive Eindruck deckt sich nicht mit den objektiven Tatsachen. Natürlich kosten die Streiks viel Geld und viele Nerven und Zeit bei den Betroffenen. Aber so ist die Natur von Streiks: Sie müssen wehtun. Tun sie das nicht, sind es keine Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaftan auf Augenhöhe, sondern sie sind dann eher als kollektives Betteln zu klassifizieren!

Deshalb: FINGER WEG VOM STREIKRECHT!

Henning Röders

Enttäuschender bisheriger Verlauf der Gehaltstarifrunde – DHV ruft Mitglieder zu Streikteilnahmen auf!

Die DHV bewertet den bisherigen Verlauf der Gehaltstarifrunde 2024 bei der DAK-Gesundheit als unbefriedigend. Die angebotene Zahlung einer zu geringen Inflationsausgleichsprämie, das Angebot einer zu geringen Gehaltserhöhung für insgesamt 6,2% bei einer Laufzeit von 27 Monaten tragen dem Wunsch der Beschäftigten nach einem fairen Tarifabschluss, der den Kaufkraftverlust infolge der Inflation der vergangenen beiden Jahre wenigstens zu einem Teil ausgleicht, in keiner Weise Rechnung. Die angebotene Gehaltserhöhung wirkt wie ein Tiefschlag für die Beschäftigten der DAK-Gesundheit angesichts des ebenfalls unbefriedigenden letzten Tarifabschlusses in 2022.

2022 vereinbarten DAK-Gesundheit und die verhandelnde Gewerkschaft 3 Leermonate sowie eine zu geringe lineare Gehaltserhöhung von 2,4% im April 2022 und im April 2023 sogar nur eine Gehaltserhöhung von 1,4 %, die von der historischen Inflationsrate von über 8 % in den Schatten gestellt worden waren.

Die geringen Tarifabschlüsse 2020 und 2022 scheinen zu einem Handlungsmuster der DAK-Gesundheit geworden zu sein. Hoffentlich ist es kein Handlungsmuster der verhandelnden Gewerkschaft, während der sich hinziehenden Verhandlungen mit Warnstreikmaßnahmen dicke Backen zu machen, um dann doch die Strategie der DAK-Gesundheit mitzutragen…

Die DHV erwartet von den verhandelnden Tarifvertragsparteien einen fairen Gehaltstarifabschluss, der sich mindestens an den Abschlüssen im öffentlichen Dienst orientiert! Von dem Abschluss sollen alle Beschäftigten profitieren, d.h. keine weiteren Zusatzvergünstigungen für Mitglieder einer verhandelnden Gewerkschaft zu Lasten einer ordentlichen linearen Gehaltserhöhung für alle!

Zusätzlich bitte die fällige Inflationsausgleichszahlung in Höhe von 3.000 für alle zahlen und die KM Pauschale den tatsächlich gestiegenen Kosten anpassen. 5 Cent reichen bei weitem nicht!

Angesichts des unbefriedigenden Verhandlungsstands ruft die DHV ihre Mitglieder zur Beteiligung an Warnstreikmaßnahmen auf! DHV-Mitglieder haben Anspruch auf eine attraktive Streikunterstützung – das gilt auch für Neumitglieder!

 

Stellungnahme von Prof. Dr. Matthias Jacobs zum GDL-Streik

In dieser Woche eskaliert wieder der Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn. Die GDL hat ab morgen zu einem 35-stündigen Streik aufgerufen und hat angekündigt, zukünftige Streikmaßnahmen nicht mehr mit einem Vorlauf anzukündigen, der die Deutsche Bahn das Aufstellen von Notfallplänen ermöglicht.

Der Bahnstreik facht die Diskussion um eine Einschränkung des Streikrechts weiter an. Forderungen nach einer Zwangsschlichtung als vorgeschaltetes Instrument oder nach Einschränkung des Streikrechts in Bereichen der kritischen Infrastruktur werden wieder lauter.

In dieser aufgeheizten Stimmung hebt sich die sachlich fundierte Stellungnahme von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht an der Bucerius Law School in Hamburg, wohltuend heraus. Mit seiner freundlichen Genehmigung drucke ich seine auf der Plattform Linkedin veröffentlichte Stellungnahme – versehen mit meinem Kommentar am Ende – ab:

Die Forderung nach einer Begrenzung des Streikrechts durch den Gesetzgeber, die so alt ist wie der Streik selbst, überzeugt mich wegen dessen überragenden Bedeutung für eine funktionierende Tarifautonomie nicht. Wer Ja zum Tarifvertrag sagt, muss auch Ja zum Streik sagen. In aller Kürze:

Die freiwillige Einigung auf eine Schlichtung kann sinnvoll sein, um festgefahrene Verhandlungen aufzubrechen und den Tarifkonflikt zu versachlichen, ein Schlichtungszwang mit nicht schlichtungsbereiten Verhandlungspartnern ist es nicht. Zudem senkt er das Mobilisierungspotential für einen späteren Streik und schwächt die Kampfkraft der Gewerkschaft erheblich.

Ähnliches gilt für Ankündigungsfristen und Abkühlungsphasen. Eine Ankündigungsfrist beeinflusst die Streiktaktik und kann die Wirkung des Streiks stark beeinträchtigen. Gegen Abkühlungsphasen spricht zudem, dass ein Streik außerhalb eines dynamischen Verhandlungsprozesses nicht plötzlich „angeknipst“ werden kann.
Diese Überlegungen gelten auch für Streiks in „kritischen Infrastrukturen“. Selbst wenn es gelingt, diesen schillernden Begriff zu konkretisieren, ist es jedenfalls gerade die Idee des Streiks, dass er wirtschaftlich (sehr) wehtun kann und seine Folgen auch Dritte treffen können. Das ist der Preis, den wir für eine funktionierende Tarifautonomie zu zahlen haben.

Arbeitnehmer:innen, die in solchen „Strukturen“ tätig sind, haben auch nicht weniger Rechte als andere. Im Übrigen können im Kernbereich staatlichen Handelns Beamt:innen eingesetzt werden, die nicht streiken dürfen. Und geht es um eine Mindestversorgung zur Befriedigung von elementaren persönlichen und staatlichen Bedürfnissen, muss die Gewerkschaft Notdienste zulassen.

Wer sich weniger Streiks der GDL wünscht, der zu Unrecht allein die Verantwortung für den bisherigen Verlauf des Tarifkonflikts zugewiesen wird, muss ganz woanders ansetzen: am „Brandbeschleuniger“ Tarifeinheitsgesetz. Wer eine Gewerkschaft dazu zwingt, Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb zu sein, damit die eigenen Tarifverträge gelten, darf sich nicht darüber wundern, wenn diese Gewerkschaft (auch) um Mitglieder kämpft.

Wie hat gerade (…) auf LinkedIn formuliert: „Die Parteien werden sich letztlich einigen, wie sie es immer getan haben. Bis es so weit ist, freue ich mich über etwas mehr Gelassenheit und verbale Abrüstung in der Berichterstattung.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

 Mein Kommentar zur Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Jacobs:

Eine sehr gute, ausgewogene Stellungnahme zu dem laufenden Tarifkonflikt bei der Deutschen, lieber Herr Prof. Jacobs. Sie bringen es auf den Punkt: Eine Zwangsschlichtung oder andere Einschränkungen des Streikrechts führen zur Aushöhlung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit. Schon allein der Begriff “kritische Infrastruktur” ist sehr unbestimmt. Denn was kann man nicht alles darunter fassen: Kindergärten (wegen der mittelbaren erheblichen Auswirkungen für berufstätige Eltern), der komplette Bereich des Gesundheitswesens, die städtische Müllabfuhr, die IT der Banken und Versicherungen, die Energieversorgung etc. Der Phantasie, was zur kritischen Infrastruktur gehören kann, sind keine Grenzen gesetzt und eignen sich im Zweifelsfall für eine Beschäftigungstherapie von Anwälten und Gerichten.

Das geltende Recht bietet den Arbeitgebern die Möglichkeit, vor Gericht im Rahmen einer einstweiligen Verfügung angekündigte oder stattfindende Streiks als nicht verhältnismäßig untersagen bzw. beenden zu lassen. Da hatten Arbeitgeber in der Vergangenheit auch Erfolg gehabt

Ich bin auch Ihrer Meinung, dass das Tarifeinheitsgesetz ein untauglicher Versuch für eine Begrenzung von Streiks ist. Es gehört daher abgeschafft.

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