So mancher Beschäftigte mag sich zu Beginn der vergangenen Woche verwundert die Augen gerieben haben, dass da plötzlich ein Abschluss getätigt wurde – zu Recht!
Über ein Jahr vor dessen Auslaufen und in einer Zeit der höchsten Inflation in der bundesrepublikanischen Geschichte wird der weit unter der Inflation liegende Gehaltstarifvertrag von April 2022 um weitere 12 Monate bis Ende März 2025 verlängert. Und das bei einer im Angesichte der galoppierenden Inflation weiteren vollkommen unbefriedigenden Gehaltserhöhung im September 2024 von 3 %!
Die linearen Gehaltserhöhungen von insgesamt 8 % liegen sogar im gesamten Volumen noch unter der aktuellen Inflationsrate von über 10 %! Wenn man bedenkt, dass der Gehaltstarifvertrag sogar insgesamt eine Dauer von über 3 Jahren hat (Februar 2022 bis März 2025), dann ist die quasi über Nacht erfolgte Verlängerung des Tarifvertrages um ein weiteres Jahr vollkommen unbefriedigend.
Was hat die verhandelnden Gewerkschaften nur zu einem solch unnötigen Abschluss geritten? Die Gegenleistung – jeweils 1.000 € Inflationsausgleichsprämie, zahlbar im März 2023 und im März 2024 – ist absolut keine befriedigende Kompensation. Die Einmalzahlungen stellen zusammen mit den viel zu niedrigen Gehaltserhöhungen keinen angemessenen Inflationsausgleich dar. Zumindest die Inflationsausgleichsprämie für 2024 hätten die verhandelnden Gewerkschaften im Rahmen der Tarifrunde 2024 aushandeln können! Denn eine solche kann noch bis zum 31.12.2024 gezahlt werden! So steht unter dem Strich nur die zusätzliche
Prämie für März 2023! Statt einer tariflichen Regelung wäre es sinnvoll gewesen, die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie auf betrieblicher Ebene zu vereinbaren!
Unsere weiteren Anmerkungen:
- Auch Teilzeitbeschäftigte und Altersteilzeitbeschäftigte hätten die Inflationsausgleichsprämie in voller Höhe und nicht anteilig erhalten sollen! Denn die Beschäftigten, die kein volles Gehalt erhalten, sind besonders von der Inflation betroffen.
- Zusammen mit der Verlängerung des Gehaltstarifvertrages hätte auch das Altersteilzeitabkommen bis zum 31.12.2025 verlängert werden müssen!
Auch der Abschluss im Versicherungsaußendienst, dessen Mindesteinkommenserhöhungen sich an den Erhöhungen im Versicherungsinnendienst orientieren, ist absolut unbefriedigend!
Besser gar kein Abschluss als ein schlechter Abschluss! So hätten die verhandelnden Gewerkschaften agieren müssen. In 2024 hätte genug Druck – insbesondere aus den Abschlüssen in 2023 – auf die Arbeitgeber gelastet, um eine höhere Gehaltsanhebung als 3,0 % durchsetzen zu können! Und: Wer wie verdi mit mit einer Gehaltsforderung von 10.5 % in die Verhandlungen im öffentlichen Dienst geht, muss für die Verwirklichung seiner Ansprüche kämpfen und darf nicht einen solch dürftigen Abschluss in Zeiten historischer Inflation hinlegen! Bei einem solch unbefriedigenden Abschluss darf man sich nicht wundern, wenn der gesamtgewerkschaftliche Organisationsgrad im privaten Versicherungsgewerbe weiter unter 10 Prozent verharrt und die Beschäftigten nicht motiviert sind, einer der verhandelnden Gewerkschaften beizutreten!