Warnstreiks: Bitte Verhältnismäßigkeit wahren!

Statement des DHV-Bundesvorsitzenden Henning Röders zum heutigen Warnstreik von verdi und EVG

Am heutigen Tag legen die Gewerkschaften verdi und EVG das öffentliche Leben in Deutschland weitgehend lahm: Bundesweit werden Bahnen, Busse, Flughäfen, die Autobahnverkehrsgesellschaft, Teile der Häfen und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bestreikt.

Die Berufsgewerkschaft DHV solidarisiert sich mit den Beschäftigten, die zu Recht einen Abschluss erwarten, der ihnen eine angemessene, die Inflation wenigstens zu einem großen Teil kompensierende Gehaltserhöhung bringen soll. Die Abschlüsse müssen akzeptable Ergebnisse bringen, die Arbeitgeber müssen zu einem ordentlichen Abschluss bereit sein.

Die Verhandlungen müssen aber mit dem richtigen Augenmaß und der richtigen Verhältnismäßigkeit der Mittel geführt werden! Der bundesweite Warnstreiktag am 27.03.2023 lässt dies aber bei den Gewerkschaften verdi und EVG vermissen.

  • Die für den heutigen Tag terminierte dritte Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst steht bereits seit Monaten fest.
  • Bei den Verhandlungen der EVG in der Eisenbahn- und Verkehrsbranche hat sogar erst eine Verhandlungsrunde stattgefunden.

Tarifverhandlungen, die auf drei Verhandlungsrunden angesetzt sind, laufen in der Regel nach dem gleichen Schema ab:

1. Verhandlungsrunde: Kein Arbeitgeberangebot

2. Verhandlungsrunde: Schlechtes Arbeitgeberangebot

3. Verhandlungsrunde: Die entscheidende Verhandlung: Bis in die Nacht oder in die Morgenstunden wird um jeden Zehntelprozentpunkt gerungen. Am Ende entscheidet es, sich, ob beide Seiten einen Kompromiss erlangen können.

Dieses seit Jahrzehnten eingespielte Ritual wird von den DGB-Gewerkschaften mitgespielt. Zum Ritual gehören auch die Empörung der Gewerkschaften nach den ersten beiden Verhandlungsrunden über fehlende oder schlechte Arbeitgeberangebote sowie die Warnstreiks, die vor allem dem Zwecke der Beschäftigtenmobilisierung und Mitgliedergewinnung dienen.

 

Mit dem heutigen Lahmlegen des öffentlichen Verkehrs in Deutschland überspannen die Gewerkschaften verdi und EVG aber deutlich den Bogen! Denn unter diesem Streik leiden Millionen Bundesbürger – darunter auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wer für das Pendeln zur Arbeit auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, muss unter Umständen einen Tag Urlaub nehmen oder gar Geld für Taxi/Mietwagen aufwenden, um die arbeitsvertragliche Pflicht zur Arbeitsleistung zu erfüllen. Der bundesweite Warnstreiktag zieht auch wirtschaftliche Schäden nach sich: Veranstaltungen können nicht durchgeführt werden, Geschäftsreisen nicht unternommen und Waren nicht per Bahn oder Flugzeug geliefert werden. Die wirtschaftlichen Schäden dürften zwar unter dem Strich nicht so erheblich zu Buche schlagen, dass Unternehmensinsolvenzen oder Arbeitsplatzabbau drohen. Dennoch sind sie das Ergebnis einer Streikshow, die verdi und EVG mit dem Ziel der maximalen Aufmerksamkeit abziehen – und damit vermeidbar sind. Der heutige Streik mag vielleicht noch gerade so in den Rahmen eines rechtlich zulässigen Warnstreiks passen. Angesichts der gravierenden Auswirkungen und angesichts des noch nicht erklärten Scheiterns der Verhandlungen ist der heutige Streik aber unverhältnismäßig! Verdi und EVG  erweisen dem berechtigten Anliegen der Beschäftigten auf eine angemessene Gehaltserhöhung einen Bärendienst. Sie dürfen sich nicht wundern, wenn im Zuge dieses unverhältnismäßigen Warnstreiks wieder die Diskussion um eine gesetzliche Regulierung des Streikrechts aufflammt.

V.i.S.d.P.: Henning Röders

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