Digitalisierung verändert die Arbeitswelt tiefgreifend – und schneller, als viele es je erwartet hätten. KI-Anwendungen, smarte Arbeitszeiterfassung, automatische Lagerlogistik, virtuelle Meetings, Plattformarbeit – der Wandel ist längst da. Was als technische Innovation begann, ist längst ein kultureller Umbruch.
Für viele Beschäftigte bedeutet das: neue Abläufe, neue Tools, neue Unsicherheit. Denn häufig wird Technik eingeführt, ohne sie zu erklären. Systeme ersetzen Prozesse – und nehmen dabei Einfluss auf den Alltag der Menschen. Wer, wann und wie viel arbeitet, wird nicht mehr im Gespräch entschieden, sondern durch automatisierte Planungstools. Wer bewertet wird – und wie –, bleibt oft im Dunkeln. Und selbst Pausen sind in manchen Branchen heute Teil eines digitalen Taktplans.
Hinzu kommt: Wer die Technik versteht, gewinnt an Macht. Wer sie nicht versteht, verliert Mitspracherecht. Das erzeugt Spannungen – und ein neues Gefühl von Abhängigkeit. Statt Empowerment erleben viele Kontrolle.
Doch das muss nicht so sein. Digitalisierung ist kein Naturgesetz. Sie kann gestaltet werden. Vorausgesetzt, die Menschen, die mit ihr arbeiten, werden frühzeitig einbezogen. Das beginnt bei Schulungen und Transparenz, reicht über die Evaluation von Belastungen bis hin zur Mitgestaltung digitaler Tools.
Leider fehlt es vielerorts an solchen Strukturen. Betriebsräte werden spät oder gar nicht einbezogen, Fachabteilungen agieren isoliert, Datenschutz bleibt Grauzone. Dabei wäre gerade jetzt der Moment, gemeinsam zu gestalten: Welche Technologien helfen wirklich? Wo entlasten sie? Wo überwachen sie zu viel? Welche Daten sind nötig – und welche nicht?
Die zentrale Frage lautet: Wem dient die Digitalisierung – und wer entscheidet das? Technische Innovation kann menschlich sein. Sie kann Arbeit erleichtern, Zeit schenken, Räume öffnen. Aber nur, wenn auch die Beschäftigten mitgestalten. Denn digitale Systeme sind nicht neutral – sie spiegeln Interessen, Ziele und Machtverhältnisse.
Deshalb braucht es mehr als Technikkompetenz. Es braucht Strukturen, die Mitsprache ermöglichen. Netzwerke, die Wissen teilen. Und Haltung, die nicht auf Effizienz allein setzt, sondern auf Respekt und Teilhabe. Denn nicht der Algorithmus entscheidet über die Zukunft der Arbeit – sondern wir.
Die digitale Arbeitswelt von morgen braucht ein neues Beteiligungsverständnis: Algorithmus-Audits müssen zur Pflicht werden – durchgeführt von unabhängigen Expert:innen und Beschäftigtenvertretungen gemeinsam. Jede KI-gestützte Personalentscheidung, jedes Überwachungstool, jede automatisierte Bewertung sollte transparent dokumentiert und regelmäßig überprüft werden. Gleichzeitig brauchen Beschäftigte ein „Recht auf Erklärung“ – niemand darf von Systemen bewertet werden, die er nicht verstehen kann. Hier setzt die Beratungsarbeit der DHV als moderne Berufsgewerkschaft an: Wir unterstützen nicht nur bei klassischen Arbeitsrechtsfragen, sondern begleiten Beschäftigte auch durch die digitale Transformation. Von der Bewertung neuer Software bis zur Durchsetzung von Datenschutzrechten, von Weiterbildungsansprüchen bis zum Schutz vor algorithmischer Diskriminierung. Unser Ziel ist eine Digitalisierung mit menschlichem Antlitz – eine, bei der Technologie den Menschen dient, nicht umgekehrt. Denn die Zukunft der Arbeit ist nicht vorbestimmt: Sie wird jeden Tag neu verhandelt.