Bereits 2017 scheiterten die Verhandlungen zu einem Manteltarifvertrag für 4 Kliniken der Mediangruppe in Bad Kösen und Bad Salzdetfurth. Der Arbeitgeber hatte die Verhandlungen abgebrochen und war lange Zeit danach in keiner Form gesprächsbereit. Der DHV gelang es nach zähem Ringen mehr als 1 Jahr später die Arbeitgeberseite dazu zu bringen, wieder in erste Gespräche einzusteigen. Diese Gespräche endeten mit einem Gehaltstarifvertrag, den sich die Tarifkommission so nicht gewünscht hatte, aber es war ein erster Schritt hin zu einer neuen Tarifbindung für die 4 Klinikbetriebe. Das Angebot der Arbeitgeberseite wich so erheblich von den DHV-Forderungen ab dass die DHV eine Umfrage unter ihren Mitgliedern startete, um zu erfragen, ob dieses Angebot angenommen werden sollte. Wenigstens eine Gehaltssteigerung, wenn auch eine sehr geringe, stand in Aussicht, so dass sich unsere Mitglieder mit überwältigender Mehrheit dafür aussprachen, diesen Entgelttarifvertrag abzuschließen. Es hatte schließlich auch über mehrere Jahre keinerlei Gehaltserhöhung gegeben. Außerdem war es der Tarifkommission damals gelungen, den Arbeitgeber zur Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung zu bringen. Ab März 2020 wollten sie in Verhandlungen zu einem neuen Manteltarifvertrag einsteigen. Ziel war es, endlich die Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Arbeitnehmern zu beseitigen und gleiche, gute und faire Arbeitsbedingungen für alle Kolleginnen und Kollegen zu vereinbaren. So dachte zumindest unsere Tarifkommission.
Zwei-Klassen-Arbeitnehmer? Die gibt es in diesen Kliniken. Die betroffenen Kliniken gehörten ehemals zur Lielje-Gruppe. Median hat diese Kliniken erworben. Das führte dazu, dass zum Zeitpunkt des Kaufes für damalige Mitarbeiter ein guter Manteltarifvertrag, vereinbart zwischen der Lielje-Gruppe und der DHV, auch nach der Übernahme galt. Neue Mitarbeiter konnten sich auf dieses Privileg nicht berufen und wurden zu schlechteren, weil bis auf Gehalt mit tariflosen Bedingungen eingestellt. Neue Mitarbeiter arbeiteten grundsätzlich 40 Stunden pro Woche, die Alt-Mitarbeiter hatten durch den weiter geltenden Manteltarifvertrag eine 38-Stunden-Woche. Dies war nicht der einzige Unterschied, macht aber die unterschiedliche Behandlung der Mitarbeiter deutlich.
Dann kam Corona, und aus den geplanten Verhandlungen wurde erstmal nichts. Der Arbeitgeber verzögerte den Beginn der Verhandlungen. Im Juli 2020 fanden auf Drängen der DHV-Tarifkommission dann erste Sondierungsgespräche statt, in denen es weitgehend um die Möglichkeit ging, überhaupt zu verhandeln. Notgedrungen erklärte sich unsere Tarifkommission damit einverstanden, digital, also per Videokonferenzen die Verhandlungen zu beginnen. Als wir zusagten um überhaupt verhandeln zu können, hatten wir noch gehofft, die Verhandlungen zu einem späteren Zeitpunkt in Präsenz fortführen zu können.
Das war nicht der Fall, aber wir wurden in mehr als diesem Punkt eines Besseren belehrt. Nicht nur, dass der Arbeitgeber rigoros jedwedes persönliche Treffen, auch mit reduzierter Teilnehmerzahl abgelehnt hat, der Arbeitgeber hat es auch nicht für notwendig gehalten, den Tarifkommissionsmitgliedern innerhalb der Kliniken die notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen oder Konferenzprogramme freischalten zu lassen. Das hat die Arbeit der Tarifkommission erheblich erschwert. Entweder, einzelne Tarifkommissionsmitglieder konnten sich aufgrund der geringen in den Kliniken zur Verfügung stehenden Bandbreite und für Angestellte gesperrte Websites gar nicht an Online-Sitzungen beteiligen, oder andere flogen bei Telefonkonferenzen ständig aus der Leitung. Geeignete Computer durften erst genutzt werden, nachdem die Tarifkommission unmissverständlich erklärt hatte, dass Verhandlungen ohne Vorbereitung durch die Tarifkommission nicht möglich wären.
Aber vielleicht war es genau das, was der Arbeitgeber bezweckte. Denn dies blieb nicht die einzige Hürde. Die DHV-Tarifkommission stellte dem Arbeitgeber einen Manteltarifvertragsentwurf vor. In diesem MTV-Entwurf waren alle Forderungen enthalten, die die Tarifkommission in die Verhandlungen einbringen wollte. Dieser Entwurf sollte Verhandlungsgrundlage sein.
Bei Tarifverhandlungen stehen sich gewöhnlich zwei unterschiedliche Vorstellungen gegenüber. Häufig gehen die Vorstellungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auseinander. Was bei diesen Verhandlungen allerdings als weit untertrieben angesehen werden muss.
Was wollte die DHV-Tarifkommission? Wie eingangs bereits erwähnt gleiche, gute und faire wertschätzende Arbeitsbedingungen, die für alle Mitarbeiter gelten sollten.
Was wollte die Arbeitgeberseite? Der DHV-Tarifkommission diktieren, wie der Tarifvertrag auszusehen habe. Verhandlungen sind von Kompromissen geprägt. Wirklich gut laufen Verhandlungen, wenn man sich einigen kann und beide Seiten am Ende zufrieden sind. Der Arbeitgeberseite ging es ausschließlich darum, Personalkosten zu sparen. Mehr Arbeitsstunden für den einzelnen pro Woche, dafür weniger Urlaub, weniger Nachtschichtzulage, dafür wollte man sich vorbehalten, die Mitarbeiter nach Gutdünken und Bedarf extrem flexibel einzusetzen, ohne Überstundenzuschläge zahlen zu müssen. Alle vorteilhaften Regelungen aus dem für Altbeschäftigte noch geltenden Tarifvertrag: gestrichen. Die Altbeschäftigten sollten in 17 Punkten zeitlich und finanziell schlechter gestellt werden.
Das waren für die DHV-Tarifkommission zwar gleiche, aber keine guten, fairen, oder gar wertschätzenden Arbeitsbedingungen. Dennoch hielt die DHV-Tarifkommission an den Verhandlungen fest und war weiterhin bereit, sich zu einigen, wenn der Arbeitgeber in dem Entgelt-Tarifvertrag, der nach dem Manteltarifvertrag verhandelt werden sollte, bereit gewesen wäre, diese teils erheblichen Nachteile anderweitig finanziell auszugleichen.
Keine Spur von Bereitschaft des Arbeitgebers. Bereits im September 2020 hatte daher die DHV-Tarifkommission die Einführung einer Besitzstandsklausel gefordert. Es schien, als bestünde darüber Einigkeit. Weit gefehlt. Der Arbeitgeber hatte wohl gemerkt, dass er mit seiner diktatorischen Art diese Verhandlungen nicht würde zum Ende bringen können und schmiss erneut ohne jede Ankündigung hin. Verhandlungen beendet, Tarifkommission der Arbeitgeberseite aufgelöst. Punkt. Aus.
Da stellt sich die Frage: Mit welcher Begründung verfährt der Arbeitgeber so. Es ist der DHV-Tarifkommission schlicht ein Rätsel. Die Schuld gibt man uns. Wie konnte die Tarifkommission auch so vermessen sein, eine Besitzstandsklausel einführen zu wollen? Nach Arbeitgebermeinung war es offenbar selbstverständlich, dass wir uns kommentarlos dem Diktat beugen und Verschlechterungen für eine große Anzahl unserer Mitglieder vereinbaren würden. Einen Manteltarifvertrag um jeden Preis? Auch um den Preis, dass unsere Mitglieder zu Recht wütend auf die Tarifkommission gewesen wären? Nicht mit uns! Einigungsbereitschaft sieht anders aus. Verhandlungsbereitschaft auch.
Woran liegt das eigentlich? Mit wem verhandeln wir hier eigentlich? Mit der Geschäftsführung? Mit Entscheidungsträgern? Mit Personen, die von der Geschäftsführung ein Mandat haben? Nein! Wir verhandeln mit Personen, die zu Verhandlern bestimmt wurden, ohne irgendeine Entscheidungskompetenz. Personen, die an die Geschäftsführung berichten müssen und sich selbst die nächsten Schritte diktieren lassen müssen. Das sind und waren bisher keine Verhandlungen auf Augenhöhe!
Zudem verschleppt die Median-Geschäftsführung erneut die längst überfälligen Gehaltserhöhungen. Der letzte Entgelttarifvertrag wurde von uns fristgerecht gekündigt. Die Mitarbeiter gehen wieder leer aus, denn durch den Abbruch der Verhandlungen zum Manteltarifvertrag ist man gleichzeitig auch aus den Verhandlungen zum Entgelttarifvertrag ausgestiegen, die durch die Verzögerungstaktik der Arbeitgeberseite noch nicht einmal begonnen hatten.
Wir fordern die Geschäftsführung der Median-Gruppe weiter zu Verhandlungen auf und werden diese Aufforderung notfalls auch mit Druck durchsetzen.
Silke Schönherr-Wagner