Erste Tarifeinigung im Tarifstreit Handel: Verhandelt oder nicht verhandelt, das ist hier die Frage!
Gewerkschaftlich Monopole in Tarifbereichen sind nicht unbedingt gut und ein Garant für einen guten Abschluss. Das zeigt die Tarifeinigung in Hamburg im Bereich Einzelhandel.
Der Tarifabschluss im Hamburger Einzelhandel vom 8. Mai 2024 wird von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di als “Durchbruch” gefeiert und soll wegweisend für die stockenden Tarifverhandlungen im Bereich Handel in anderen Bundesländern sein. Der Unternehmensverband HDE bezeichnet den Tarifabschluss ebenfalls als Erfolg – allerdings deswegen, weil dieser deutlich unter den ursprünglichen Forderungen von ver.di liegt! Die Fakten sprechen für die HDE-Sichtweise: Trotz Erhöhungen der Löhne um 5,3 Prozent rückwirkend ab Oktober 2023 und weitere 4,7 Prozent ab Mai 2024 sowie zusätzlicher Zugeständnisse, bleibt der Tarifabschluss weit hinter den Forderungen der Gewerkschaft zurück! Insgesamt sind es 11.8% Lohnerhöhung (plus mickrige 40 € Sockelbetragserhöhung) auf 36 Monate zuzüglich 5 Nullmonate. Die Forderung von verdi waren, wenn wir uns richtig erinnern, 13% auf 12 Monate! Es war zu erwarten, dass es ein Delta zwischen Forderung und Resultat gibt – aber doch nicht so hoch! Es hat den Anschein, als ob gar nicht richtig verhandelt worden war.
Die Laufzeit des Vertrags beträgt ungewöhnliche 36 Monate (erstmalig im Handel), und die vereinbarte Inflationsausgleichsprämie von 1.000 Euro zum 1. Juni 2024 wird nur anteilig an Teilzeitbeschäftigte ausgezahlt. Die Gewerkschaft konnte keine ihrer Forderungen wie die nach der gemeinsamen Beantragung der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge richtig durchsetzen. Sozialmächtigkeit in einem Bereich indem man das gewerkschaftliche Tarifmonopol inne hat sieht anders aus!
Die Lohnerhöhungen entsprechen nicht einmal den gestiegenen Lebenshaltungskosten, und die Vereinbarung mit einer Laufzeit von 36 Monaten stellt einen massiven Rückschlag für alle Arbeitnehmer und nicht nur für die verdi-Mitglieder dar. Der Handelsverband Deutschland hat mit freiwilligen Lohnerhöhungen insgesamt in Höhe von 10% bereits Fakten geschaffen, die ver.di anscheinend nicht umgehen konnte. Die Beschäftigten mussten Reallohnverluste hinnehmen. Eine strategisch klügere Verhandlungsführung seitens der Gewerkschaft hätte höchstwahrscheinlich bessere Ergebnisse erzielen können.
Zusammenfassend zeigt dieser Tarifabschluss eigentlich, dass verdi außer heißer Luft im Bereich Handel nicht wirklich etwas zustande bringt. Angesichts eines über ein Jahr dauernden Tarifkonflikts und mehrerer Streikaktionen hätten die Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel mehr erwarten dürfen!
Wie man salopp formulieren könnte: Wer dicke Backen macht, sollte auch pfeifen können. Ansonsten nimmt einen, wie man das am Tarifergebnis ablesen kann, die Arbeitgeberseite nicht ernst!
Schade um die drei verlorenen Jahre für die Beschäftigten im Handel!
Harm Marten Wellmann