CGB teilweise zufrieden mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz

11. Juli 2017

Das Bundesverfassungsgericht sieht in seiner heutigen Entscheidung weite Teile des umstrittenen Tarifeinheitsgesetzes als verfassungskonform an, aber ausschließlich unter der Maßgabe, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bei der Anwendung beachtet werden. Nach Ansicht des Senats muss die Auslegung und Handhabung des Gesetzes der in Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Tarifautonomie Rechnung tragen.

Die Bundesverfassungsrichter stellten fest, dass der Verlust des Tarifvertrags das Grundrecht der Koalitionsfreiheit zwar in jedem Fall beeinträchtigt, aber der Gesetzgeber grundsätzlich befugt sei, Strukturen zu schaffen, „die einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen aller Arbeitnehmer eines Betriebs hervorbringen“. Hier stellte der Senat gleichzeitig klar, dass über im Einzelnen noch offene Fragen bei konkreten Anlässen die Fachgerichte zu entscheiden haben.

„Damit hat das Bundesverfassungsgericht einem wesentlichen Bedenken des CGB Rechnung getragen“, erklärt Christian Hertzog, Generalsekretär des CGB, „denn das Tarifeinheitsgesetz kann gerade nicht die Tarifautonomie brechen, sondern muss in jedem Einzelfall zwingend unter Beachtung dieser Autonomie angewendet werden“.  „Damit ist jeder streitige betriebliche Einzelfall gerichtlich zu überprüfen und das Tarifeinheitsgesetz ist gerade keine Generalklausel, mit der Tarifverträge weggewischt werden können“, ergänzt Anne Kiesow, Bundesgeschäftsführerin des CGB. „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gesetzgeber ausufernde Statuskämpfe und Konkurrenzen in einzelnen Betrieben provoziert ist auch nach unserer Sicht hoch“, ergänzt Hertzog.

Wie die beiden Richter, die sich dem Votum des Senats nicht angeschlossen haben, kritisiert auch der CGB, dass die Entscheidung an der Praxis vorbei geht. Die Nachzeichnung eines Tarifvertrags kann nie eine Kompensation für den Verlust des eigenen originären Tarifvertrags sein. Darüber hinaus versucht die Entscheidung des BVerfG den Gedanken der Einheitsgewerkschaft zu privilegieren, was so nicht in der Verfassung und schon gar nicht in einer pluralistischen Gesellschaft angelegt ist. Das widerspricht auch nach Ansicht der christlichen Gewerkschaften „dem Grundgedanken des Art. 9 Abs. 3 GG, der auf das selbstbestimmte tarifpolitische Engagement von Angehörigen jedweden Berufstands setzt“.

Nachbessern muss der Gesetzgeber bis Ende 2018 jedoch in einem für die Koalitionsfreiheit wesentlichen Punkt. Unvereinbar ist das Gesetz mit der Verfassung bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge. Hier sahen die Richter einen groben Verstoß, da das Gesetz keine Vorkehrungen dagegen trifft, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen einseitig vernachlässigt werden.

Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber darf ein Tarifvertrag im Fall einer Kollision im Betrieb nur verdrängt werden, wenn plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Belange der Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Das Gesetz bleibt mit dieser Maßgabe ansonsten weiterhin anwendbar.

„Dem erklärten Ziel des BMAS der absoluten Verdrängung eines Tarifvertrags haben die Verfassungsrichter zu Recht eine klare Absage erteilt“, stellt der Generalsekretär Christian Hertzog fest. „Insofern sind wir mit der Entscheidung des BVerfG zufrieden.“

„Nicht zufrieden können wir jedoch damit sein, dass der Gesetzgeber nach Ansicht der Verfassungsrichter sehr weit regulierend in die Strukturen der Tarifautonomie eingreifen kann, solange bei verfassungskonformer Anwendung die Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie gewahrt werden und die Probleme der konkreten Einzelfälle inklusive der Feststellung, welche Handlungen verfassungskonform sind und welche nicht,  ausschließlich den Fachgerichten überlässt. Dies schafft eine zusätzliche und nicht zu unterschätzende Rechtsunsicherheit bis zu einer letztinstanzlichen abschließenden gerichtlichen Entscheidung. Eine klarere Begrenzung der Eingriffsbefugnisse des Gesetzgebers wäre hier eher angezeigt gewesen“, bewertet Anne Kiesow die Entscheidung und fügt hinzu: „Wir sind gespannt, wie sich die Anwendung des Gesetzes in Zukunft gestaltet und wie der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG erfüllen wird.“

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