Die Pandemie und ihre andauernden Folgen für unsere Wirtschaft und unser gesellschaftliches Zusammenleben bleibt noch für lange Zeit eine riesige Herausforderung für uns alle.
Politische Parteien und Tarifpartner stellen in diesen Tagen ihre Forderungen auch angesichts dieser Krisensituation auf.
Kommunen leben wegen der Krise weitgehend auf Pump und sehen sich Tarifforderungen für Lohnerhöhungen im Öffentlichen Dienst bis 4,8 Prozent ausgesetzt. Wieviel Prozentpunkte sind insofern angemessen im Hinblick auf die notwendigen Einschätzungen, was überhaupt verteilt werden kann, und was viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der zurückliegenden Zeit an Entgeltverlusten hinnehmen mussten, und was sie außerordentliches in etlichen Bereichen zusätzlich haben leisten müssen?
Die Arbeitszeit ist wieder ein aktuelles Thema geworden. Die Linkspartei fordert die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Das ist einfach ein realitätsfernes und populistisches Wunschdenken. Eine vier-Tage-Woche bleibt jedoch erwägenswert bei „gewissem“ oder „teilweisem“ Lohnausgleich, wie vom Bundesarbeitsminister und von Gewerkschaften ins Spiel gebracht. Die Höhe des Lohnverzichts bleibt ausschlaggebend. Allerdings kommt niemand an der Betrachtung vorbei: Bei einem Strukturwandel gilt leider, dass Arbeitsplätze, die ohnehin nicht mehr gebraucht werden, auch nicht mehr durch eine Teilzeitregelung zu retten sind.
Die Corona-Krise wird noch schmerzhafte Einschnitte hervorrufen. Selbst wenn das Virus besiegt sein wird, kann die Wirtschaftsflaute noch länger andauern. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen die Lasten gemeinsam schultern. Die Tarifpartner haben dies in der Vergangenheit zumeist sehr gut hinbekommen. Populistische Tagträumereien helfen nicht weiter.
Die Ausnahmeregelung, dass insolvente Firmen ihre Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.09.2020 nicht kommunizieren müssen, sollen nach Plänen der SPD bis in den März des kommenden Jahres verlängert werden. 550.000 dieser Firmen sind derzeit aufgrund dieser Maßnahme verdeckt überschuldet. Nach seriösen Schätzungen würde diese Zahl dann auf über 800.000 steigen.
Viele Insolvenzen werden sicherlich nur verschoben, viele noch gesunde Firmen könnten noch in den Abgrund gerissen werden. Aus gewerkschaftlicher Sicht ist eine Verschiebung ein zweischneidiges Schwert. Im Zweifel muss für uns gelten, dass wir nach der Pandemie eine relativ gesunde Firmenstruktur mit wettbewerbsfähigen Unternehmen brauchen. Dafür gibt es einige Instrumente, die nur genutzt und für die jeweiligen Branchen angepasst werden müssten, wie bessere Kreditkonditionen, die Ausweitung von Überbrückungsprogrammen auf alle Unternehmensgrößen und alle Krisenmonate, eine Flexibilisierung der Kurzarbeit sowie erweiterte Möglichkeiten, bei der Steuer aktuelle Verluste mit Gewinnen aus den Vorjahren zu verrechnen.
Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und die Beibehaltung der Aufstockung ist trotz der Tatsache zu begrüßen, dass die Bundesagentur für Arbeit bereits durch die bisherigen Zahlungen ein Defizit von mehr als zehn Milliarden Euro angehäuft und davor gewarnt hat, dass ihre Rücklagen von 26 Milliarden Euro im laufenden Jahr komplett aufgebraucht werden.
Kritikern dieses Regierungsvorhabens, das Kurzarbeitergeld durch staatliche Zuschüsse weiter zu sichern, sind dies allzu durchsichtige Wahlkampfmanöver, nicht mehr marktwirtschaftlichen Überlegungen entsprechende Maßnahmen der Gewährleistung von sozialer Sicherheit, sondern ein politisches Narkotikum.
Einer staatlichen Interventionspolitik sowie Unterstützungsleistungen in Corona-Zeiten müssen aber weiterhin Betrachtungen unterliegen, die eine Balance zwischen einem auch wieder gewünschten „Normalzustand“, der als Ziel die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen haben muss, und den Erhalt von Millionen von Arbeitsplätzen und Einkommen ermöglichen. Schlussendlich brauchen wir sehr differenzierte Betrachtungen.
Nicht alles Wünschenswerte darf derzeit auch wirklich umgesetzt werden. Unter dem Label „Bürokratieentlastung“ dürfen keinesfalls Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards abgebaut werden, wie Arbeitgeberverbände etwa bezüglich des Arbeitszeitgesetzes im Zuge der Corona-Bewältigung gefordert haben.
Was wir in Corona-Zeiten benötigen, ist nicht Empathie als allgemeine Konsensstrategie, sondern Vernunft, Mitgefühl oder Respekt als alternative Leitmaxime des gesellschaftlichen Umgangs.
Adalbert Ewen,
CGB-Bundesvorsitzender