Christlicher Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) fordert Stärkung der Tarifautonomie zur Bekämpfung von Mindestlohn-Beschäftigung

Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) ist besorgt über die anhaltend hohe Zahl der Beschäftigten in Deutschland, die zu Mindestlohnbedingungen arbeiten. Aktuelle Schätzungen zeigen, dass auch mit der geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro bis zu 6,6 Millionen Beschäftigungsverhältnisse davon betroffen sein werden. Dies unterstreicht aus Sicht des CGB die Notwendigkeit, über den gesetzlichen Mindestlohn hinaus – auch unter dem Gesichtspunkt der Altersarmut – wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen in Deutschland zu schaffen.

„Es ist nicht akzeptabel, dass in einem wirtschaftlich so starken Land wie Deutschland Millionen von Menschen am unteren Ende der Lohnskala verharren“, erklärt der CGB Bundesvorsitzende Henning Röders. „Der Mindestlohn ist eine wichtige soziale Errungenschaft, die eine absolute Untergrenze sichert. Er darf aber nicht zum faktischen Standardlohn für weite Teile der Beschäftigten werden.“, ergänzt der Generalsekretär des CGB Christian Hertzog.

Der CGB sieht einen wesentlichen Teil des Problems in einer schleichenden Erosion der Tarifbindung und fordert daher eine konsequente Stärkung der Tarifautonomie. „Tarifverträge bieten in der Regel deutlich bessere Löhne, faire Arbeitsbedingungen und mehr Planungssicherheit für die Beschäftigten als der gesetzliche Mindestlohn“, erklärt Henning Röders „Die Tarifautonomie ist das Herzstück unserer Sozialpartnerschaft in Deutschland und der beste Weg, um gerechte und auskömmliche Löhne zu sichern.“, so der CGB Bundesvorsitzende weiter.

Der CGB appelliert daher an die Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz, umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um die Tarifbindung in Deutschland signifikant zu erhöhen. Dazu gehören aus Sicht des CGB neben einer signifikanten Erleichterung und damit der Förderung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und der Stärkung der Rahmenbedingungen von Tarifverhandlungen vor allem die politische Akzeptanz der Tarif- und Gewerkschaftspluralität.

 

„Im Ergebnis hat gerade die Konzentration auf wenige, dafür aber größere Gewerkschaften, dazu geführt, dass die Tariflandschaft nicht mehr so engmaschig ist, wie noch vor 20 Jahren. Die Anerkennung, dass mehrere, dafür aber mit enger Zuständigkeit versehener Gewerkschaften Bereiche abdecken, die andere nicht mehr betreuen können, führt zu mehr Tarifautonomie. Wir als CGB sind überzeugt, dass eine starke Tarifautonomie der Schlüssel ist, um die Zahl der Mindestlohn-Beschäftigten nachhaltig zu reduzieren und eine gerechtere Verteilung des Wohlstands zu gewährleisten“ erklärt der Bundesvorsitzende des CGB abschließend.

 

CGB wertet die Empfehlungen der Mindestlohnkommission zur Anhebung des Mindestlohns positiv

Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) wertet die einstimmige Empfehlung der Mindestlohnkommission zur Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 13,90 Euro im Jahr 2026 und 14,60 Euro im Jahr 2027 insgesamt positiv. Die Entscheidung, die in einem herausfordernden, aber konsensualen Prozess der Sozialpartner erzielt wurde, stellt eine not­wendige Anpassung in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten dar. Der CGB betrachtet diese Erhöhung als eine wichtige Maß­nahme, um Millionen von Geringverdienenden in ganz Deutschland eine sofortige finanzielle Entlastung zu verschaffen. In einem Umfeld anhaltender Inflation und steigender Lebenshaltungskosten, insbesondere für Grundbedürfnisse, sind diese Anpassungen unerlässlich, um die Kaufkraft zu sichern und Lohnarmut zu verhindern. Dieser Schritt bekräftigt das grundle­gende Prinzip der christlichen Sozialethik, dass Vollzeitarbeit ein würdevolles Auskommen gewährleisten muss. Es ist damit auch ein Zeugnis des fortgesetzten Engagements für sozialen Schutz und wirtschaftliche Stabilität. Trotz dieses Fortschritts betont der CGB, dass die vorgeschlagenen Erhöhungen die Anforderungen an eine wirklich nach­haltige Mindestvergütung alleine nicht erfüllen. Der CGB hat sich daher bereits im vergangenen Jahr für die Indizierung des deutschen Mindestlohns auf 60 Prozent des Bruttomedianlohns ausgesprochen. Danach müsste der Mindestlohn bereits jetzt mehr als 15 Euro betragen. Forderungen an den Gesetzgeber, sich über die Empfehlungen der Mindestlohnkommission hinwegzusetzen, lehnt der CGB jedoch ab. Er ist nach wie vor der Überzeugung, dass die Lohnfindung eine Angelegenheit der Tarifpartner ist. Dies gilt auch für die Festlegung von Mindestlöhnen. Das es in Deutschland eines gesetzlichen Mindest­lohns bedarf, ist allein der Tatsache einer auch politisch zu verantwortenden sinkenden Tarifbindung geschuldet, die mittler­weile gerade noch 49 Prozent beträgt. Der CGB ist besorgt, dass es bislang nicht gelungen ist, der nachlassenden Ta­rifbindung Einhalt zu gebieten. Er erinnert daher erneut an seine Forderung, unter Beteiligung aller gewerkschaftlichen Spit­zenorganisationen endlich den in der EU-Mindestlohn-Richtlinie vorgesehenen Aktionsplan zur Erhöhung der Tarifbindung zu erstellen. Bereits am 15.09.2022 hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit eine Mindestlohnrichtlinie abgesegnet, mit der u.a. die Tarifbindung gestärkt werden soll. Mit der Verab­schiedung durch den EU-Rat am 04.10.2022 hat die Richtline Rechtskraft erlangt und sollte innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Die EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, zur Erhöhung der Tarifbindung Akti­onspläne zu erstellen, wenn die Tarifbindung unter 80 Prozent liegt. Es ist ein Skandal, dass die politisch Verantwortlichen regelmäßig die mangelnde Tarifbindung beklagen, aber weder etwas getan haben, um die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu erleichtern noch den in der EU-Mindestlohn­richtlinie geforderten Aktionsplan auf den Weg zu bringen.

Der CGB fordert Gesetzgeber und Sozialpartner auf, das Tarifvertragssystem zu stärken, um faire und anpassungsfä­hige Löhne zu gewährleisten, die branchenspezifische Realitäten und Produktivität widerspiegeln und die Festlegung gesetz­licher Mindestlöhne überflüssig machen.

 

10 Jahre Mindestlohn: Licht und Schatten

Vor zehn Jahren wurde die Einführung des Mindestlohns beschlossen. Der von Kritikern befürchtete massenhafte Wegfall von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich und ein damit verbundener Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Geringverdienern ist ausgeblieben. Unter dem Strich steht positiv ein überproportionaler Einkommenszuwachs für diese Arbeitnehmergruppe zu Buche. Aber es gibt auch problematische Aspekte, die sich in den vergangenen Jahren noch weiter verschärft haben.

Die Bedenken gegen den Mindestlohn waren vor zehn Jahren erheblich. Von einem Einstieg in eine staatliche Lohnfestsetzung war die Rede. Kritiker befürchteten einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen und damit verbunden einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit im Niedriglohnsektor. Es wurde gar die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen an die Wand gemalt, weil viele Unternehmen die massiv steigenden Personalkosten nicht mehr tragen könnten.

Diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt. Die Arbeitslosenquote ist weiter niedrig in Deutschland, und das trotz der wirtschaftlichen Krise, in der sich Deutschland seit Corona befindet. Die Beschäftigten im Niedriglohnsektor profitieren in positiver Weise vom Mindestlohn, der in den letzten überproportional zur allgemeinen Entwicklung der Löhne und Gehälter gestiegen war. Arbeit gibt es auch weiterhin im Niedriglohnsektor. Ein massenhafter Abbau von Arbeitsplätzen infolge eines Rationalisierungsdrucks wegen des Mindestlohns ist nicht eingetreten. Unter diesen Aspekten ist der Mindestlohn ein Erfolg. Die damalige Bundesregierung hatte gut daran getan, den Bedenkenträgern nicht zu folgen und den Mindestlohn gegen Widerstand der Wirtschaft durchzusetzen!

Dennoch gibt es problematische Aspekte und Handlungsbedarfe:

  • Die Befürchtung der DHV, dass der Mindestlohn zum Spielball politischer Interessen wird, haben sich leider erfüllt. Die vom Gesetzgeber eingesetzte Kommission zur Festlegung des Mindestlohns nach genau vorgegebenen Kriterien hat die Ampelregierung nicht davon abgehalten, sich über die gesetzlichen Maßgaben hinwegzusetzen und den Mindestlohn überproportional zum 01.10.2022 auf 12 Euro zu erhöhen. Und nicht einmal ein halbes Jahr danach wurden wieder Forderungen nach einer weiteren überproportionalen Erhöhung laut. Die Politik muss die Arbeit der Mindestlohnkommission respektieren und darf diese nicht nach Gutdünken durch willkürliche Erhöhungen des Mindestlohns konterkarieren!
  • Die Beschäftigten im Niedriglohnsektor leiden in besonderem Maße unter der hohen Inflation der vergangenen beiden Jahre und der weiterhin hohen gefühlten Inflation bei den Gütern für den täglichen Bedarf. Der Mindestlohn kann den schmerzlichen Kaufkraftverlust nur bedingt auffangen. Er kann nicht entsprechend der Inflation einfach angehoben werden. Eine solche Maßnahme würde insbesondere die über dem Mindestlohn verdienenden Beschäftigten benachteiligen, weil deren Gehälter nicht einem solchen Automatismus unterliegen würden und sich der in der Vergütung zum Ausdruck kommende Wert ihrer Arbeit zu Lasten der nach Mindestlohn vergüteten Arbeit verschieben würde. Eine überproportionale Mindestlohnanhebung kann auch zu dem befürchteten Effekt eines erheblichen Abbaus von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor führen und letztendlich den Geringverdienern mehr schaden als nützen. Die Politik muss die unter den Mindestlohn fallenden Geringverdiener durch eine konsequente Bekämpfung der Inflation und in Form von wirksamen staatlichen monetären Entlastungen unterstützen! Die staatlichen Ausgaben müssen konsequent auf den Prüfstand gestellt werden, um ein Ausufern der Schuldenpolitik und ein weiteres Befeuern der Inflation zu vermeiden. Geringverdiener können wirksam unterstützt werden, indem sie für ihre Arbeit nicht nur keine Steuern zahlen müssen, sondern gar eine steuerliche Gutschrift in Form einer negativen Einkommenssteuer erhalten. Dieses Modell wird in Österreich mit Erfolg praktiziert.
  • Eine überproportionale Entwicklung des Mindestlohns wie in 2022 hat erhebliche Auswirkungen auf das Lohnabstandsgebot zu höheren Lohn- und Gehaltsgruppen in vielen Tarifverträgen. Zur Wahrung eines angemessenen Abstands zwischen den Vergütungsgruppen müssten die anderen Tarifgehälter ebenfalls überproportional angehoben werden. Damit steigt aber die Gefahr des Scheiterns von Tarifverhandlungen und des Eintritts eines tariflosen Zustands. Die Politik muss auch aus Gründen des Lohnabstandsgebots von Forderungen nach überproportionalen Anhebungen Mindestlohnanhebungen absehen und stattdessen die Geringverdiener anderweitig entlasten!
  • Der beste Schutz gegen Lohndumping und Armut ist eine flächendeckende Tarifbindung. Davon ist Deutschland mit einem Anteil von nur rund 40 Prozent tarifgebundenen Arbeitnehmer/innen erschreckend weit entfernt. Die Bundesrepublik Deutschland muss gemäß den Maßgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie in den nächsten Jahren einen Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindung auf 80 Prozent erstellen. Der Aktionsplan muss neben dem Ziel eines einheitlichen Branchenlohnniveaus auch Gewerkschaften außerhalb des DGB einen Schutz ihrer gewerkschaftlichen Betätigung gewährleisten. Die Aberkennung der Tariffähigkeit von Gewerkschaften wie der DHV führt dazu, dass deren Tarifverträge unwirksam werden, für deren Mitglieder die Tarifbindung erlischt und das Gehaltsniveau zu sinken droht.

Die Bundesregierung muss insbesondere die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern mit dem Ziel, so flächendeckend wie möglich ein Niveau mit Branchenmindestlöhnen zu gewährleisten! Die Steigerung der Tarifbindung darf nicht dadurch erschwert werden, dass an die Tariffähigkeit von Gewerkschaften außerhalb des DGB unerreichbar hohe Hürden gestellt werden!

Mindestlohn für Leiharbeitnehmer erhöht

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Mindeststundenlöhne für Leiharbeiter mit der Fünften Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung angehoben. Der Mindestlohn beträgt jetzt 12,43 €/Stunde. Begründung: Seit Oktober 2022 beträgt der für alle Branchen geltende Mindestlohn 12,00 €. Dies machte eine Anpassung des Mindestlohnes für Leiharbeitnehmer, der wegen der besonderen Belastungen und Unsicherheiten in diesem Bereich traditionell höher ist als der allgemeine Mindestlohn notwendig.

Die Rechtsverordnung gilt bis zum März 2024 und schreibt folgende Mindestlöhne für Leiharbeitnehmer vor.

01.01.2023 bis 31.03.2023: 12,43 €

01.04.2023 bis 31.12.2023: 13,00 €

01.01.2024 bis 31.03.2024: 13,50 €