Fragen und Antworten Entscheidung des LAG Hamburg

1)    Hat die nicht rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
       Hamburg Auswirkungen auf die Arbeit der der DHV?

Ganz eindeutig: Nein! Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat die Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht zugelassen. Dieses Rechtsmittel wird die DHV nutzen und Rechtsbeschwerde einlegen. Mit einer Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht und einer rechtskräftigen Entscheidung ist erst im Laufe des Jahres 2021 zu rechnen.
Die DHV ist damit weiterhin tariffähig. Das bedeutet im Einzelnen:

  • Die Tarifarbeit geht wie bisher weiter: Die DHV kann Tarifverhandlungen führen und rechtswirksam Tarifverträge abschließen. Auch besondere tarifliche  Leistungen, wie z.B. freie Tage oder Einmalzahlungen für DHV-Mitglieder, können weiter vereinbart werden.
  • Die DHV kann weiterhin zu Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen.
  • Die DHV kann eine Gewerkschaftsliste bei Aufsichtsratswahlen einreichen.
  • Für die Einreichung einer DHV-Liste bei Betriebs-/Personalratswahlen bedarf es weiterhin nur der Unterschrift von zwei Beauftragten – es müssen keine      Unterstützerunterschriften zur Erreichung eines Quorums gesammelt werden.
  • Die DHV ist weiterhin zu Betriebs-/Personalversammlungen sowie zu Betriebsräteversammlungen einzuladen, wenn sie im Betrieb vertreten ist.
  • Die DHV hat weiterhin ein ungehindertes Zutrittsrecht in die Betriebe/Dienststellen, in denen sie vertreten ist.

2)    Warum ist die DHV der Ansicht, dass die Entscheidung des
       Landesarbeitsgerichts Hamburg falsch ist?

Neben den im Vorwort des DHV-Bundesvorsitzenden geschilderten falschen Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichts zum Organisationsgrad und zu der Nichtberücksichtigung der langjährigen Tarifarbeit stellt die Entscheidung aus Sicht der DHV vor allem einen gravierenden Verstoß gegen die in Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützte Tarifautonomie dar.
Dieses Grundrecht gibt allen Arbeitnehmer/innen das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Das Grundgesetz kennt kein Organisationsquorum. Es bestimmt auch kein Größenverhältnis zwischen Gewerkschaften für das Bestehen einer Tariffähigkeit. Es gebietet auch nicht, dass die Gewerkschaften gleich groß sein müssen. Auch kleinere Gewerkschaften genießen damit den Schutz des Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz. Die Aberkennung der Tariffähigkeit der DHV durch das Landesarbeitsgericht Hamburg ist ein Eingriff in dieses Grundrecht.
Jeder Eingriff in ein Grundrecht bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg beruht auf der sogenannten Mächtigkeitsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus den 1960er-Jahren: Eine Gewerkschaft müsse eine Durchsetzungsfähigkeit haben, um tariffähig zu sein; das wird von jedem Gericht in jedem Verfahren aufs Neue geprüft. Bestätigt nicht die erfolgreiche Tarifarbeit die Durchsetzungsfähigkeit einer Gewerkschaft?
Diese Rechtsprechung ist aus Sicht der DHV überholt, weil sich die Arbeits- und Tarifwelt seit den 1960er-Jahren fundamental gewandelt hat. So hat der gesamtgewerkschaftliche Organisationsgrad erheblich abgenommenen – dieser beträgt heute nur noch 15 % der Beschäftigten. Dazu kommt eine zunehmende Zahl von Haus- und regionalen Tarifverträgen, auch innerhalb einer Branche. Da kann der Organisationsgrad eines gesamten Tarifzuständigkeitsbereiches nicht mehr Maßstab sein für den Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Vielmehr kann nur einer Gewerkschaft die Tariffähigkeit entzogen werden, die nachweislich ihr Grundrecht missbraucht und damit der Tarifautonomie Schaden zufügt!
In dem seit über 6 Jahren laufenden DHV-Tariffähigkeitsverfahren haben die Gewerkschaften verdi, IG Metall und NGG zu keinem Zeitpunkt vermocht, konkrete, belastbare Tatsachen für einen Tarifmachtmissbrauch der DHV zu liefern!  Die vielen von der DHV vorgebrachten Beispiele für erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit wurden nicht bestritten!

3)    Welche Zwecke verfolgen Verdi, IG Metall und NGG?

Das Verfahren folgt einem Muster, das sich schon durch die gesamte Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hindurchzieht.
Die DHV muss sich seit ihrer Wiedergründung den von DGB-Gewerkschaften geführten Tariffähigkeits- und Tarifzuständigkeitsverfahren stellen. Das erste Verfahren begann 1952, nur zwei Jahre nach der Wiedergründung der DHV. 1956 endete dieses Verfahren mit einer rechtskräftigen Entscheidung zur Tariffähigkeit der DHV.
In der Folgezeit unternahmen die DGB-Gewerkschaften immer wieder den Versuch, der DHV gerichtlich die Tariffähigkeit zu nehmen. Solche Verfahren wurden in den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren angestrengt und ausnahmslos von der DHV gewonnen
Neben der DHV führten die DGB-Gewerkschaften Tariffähigkeitsverfahren auch gegen andere Gewerkschaften. Im Christlichen Gewerkschaftsbund waren dies u.a. Verfahren gegen die Christliche Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, gegen die Christliche Gewerkschaft Metall und gegen die Gesundheitsgewerkschaft Medsonet. Außerhalb des CGB mussten sich Gewerkschaften wie in den 1980er-Jahren der Deutsche Bankangestellen-Verband, Anfang der 2000er-Jahre die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation und als jüngstes Beispiel im Jahr 2016 die Neue Assekuranz-Gewerkschaft Tariffähigkeitsverfahren stellen.
Die Argumentation der DGB-Gewerkschaften ist immer dieselbe: Die Gewerkschaften seien nicht mächtig genug, hätte eine zu geringe Durchsetzungsfähigkeit, würden Gefälligkeits- und  Dumpingtarifverträge abschließen und hätten keinerlei Rückhalt bei den Beschäftigten.
Im Laufe der Jahre hat sich diese Rechtsprechung in der Arbeitsgerichtsbarkeit durchgesetzt und wurde durch das Bundesarbeitsgericht noch verschärft, was im Widerspruch zur Koalitionsfreiheit und zur Tarifautonomie steht: Gewerkschaftsmacht geht vor (Grund)Recht!
Grund ist der Anspruch der DGB-Gewerkschaften, allein alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Republik zu vertreten. Andere Gewerkschaften sollen in Deutschland keinen Platz haben dürfen!

Verdi, IG Metall und NGG führen das Verfahren gegen die DHV, nicht um die Tarifautonomie zu schützen, sondern um ungeniert gewerkschaftliche Konkurrenten zu beseitigen und um ihren Monopolanspruch durchzusetzen!

Henning Röders
Bundesvorsitzender

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