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GDL-Streik darf nicht Anlass für Einschränkungen im Streikrecht sein

Die Berufsgewerkschaft DHV appelliert an die Politik, den Streik der GDL nicht zum Anlass für Forderungen nach Einschränkungen im Streikrecht zu nehmen. Gleichwohl appelliert die DHV auch an Bahn und GDL, in Verhandlungen einen tragfähigen Kompromiss zu suchen.

Die GDL führt mit dem bis zum 29.01.2024 dauernden Streik den längsten Bahnarbeitskampf seit Jahren durch. Der Streik ist unangenehm und trifft Millionen von Pendlerinnen und Pendlern und die Wirtschaft. Er ist leider auch Wasser auf die Mühlen von Gegnern und Skeptikern der Mobilitätswende, die am liebsten den Autos weiter Vorrang einräumen wollen. Dennoch muss Deutschland diesen Streik aushalten! Bei dem Streikrecht geht es um ein wesentliches Instrument zur Ausübung eines Grundrechts der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz – der Koalitionsfreiheit. Dieses Grundrecht schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Arbeitgeberwillkür und Ausbeutung. Es ist Grundlage für materielle Sicherheit der Beschäftigten und gute Arbeitsbedingungen.

Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit darf nicht ausgehöhlt werden, nur, weil ein Streik eine besondere Tragweite hat, viele Menschen und die Wirtschaft trifft. Deshalb lehnt die DHV Forderungen aus der Politik nach einer verpflichtenden Schlichtung vor Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen ab. Die geforderte Anwendung einer solchen „Zwangsschlichtung“ auf Unternehmen in sogenannten „Bereichen der kritischen Infrastruktur“ und auf Streiks, die „vor allem unbeteiligte Dritte treffen“ lässt unverhältnismäßig Spielraum für Interpretationen und rechtliche Unsicherheiten. Denn unter kritische Infrastruktur lassen sich viel mehr Bereiche als Bahn, Schiffs- oder Flugverkehr fassen. Als „kritische Infrastruktur, die vor allem unbeteiligte Dritte trifft“ interpretiert werden können auch Logistik, Transport, Energieunternehmen, Banken, Versicherungen, Handel, Gesundheit und Pflege, Krankenhäuser, Öffentlicher Dienst, Schulen, IT-Unternehmen etc.. Am Ende würden nur wenige Bereiche übrigbleiben, in denen noch das Streikrecht als wesentliches Mittel zur Ausübung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit uneingeschränkt zum Tragen kommen würde.

Eine Schlichtung, die gegen den Willen einer oder beider Tarifparteien vorgeschaltet zur Anwendung kommen würde, wäre im vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine Partei, die gegen ihren Willen zu einem solchen Verfahren verpflichtet wird, empfindet dies als Zwang und wird kaum bereit sein, sich ernsthaft am Schlichtungsverfahren zu beteiligen und das Ergebnis den Mitgliedern gegenüber zu vertreten. Am Ende werden die Verfechter eines solchen Zwangsmittels feststellen, dass dieses keinen Erfolg zeigt. Dann wird sich die Spirale der Aushöhlung eines Grundrechts nur weiterdrehen!

Die Rechtsordnung sieht eine Abwägung zwischen den Grundrechten der Betroffenen vor, die im Wege eines gerichtlichen Verfahrens vorgenommen werden muss. Ist ein Streik unverhältnismäßig, kann die Durchführung vom Gericht – erforderlichenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung – untersagt werden. Dafür bedarf es keiner Einschränkung des Streikrechts. Die Bahn war beim letzten GDL-Streik erfolglos diesen Weg vor Gericht gegangen. Diese Gerichtsentscheidung müssen alle Beteiligten und die Politik akzeptieren. Sie dürfen das Handeln des Frankfurter Arbeitsgerichts nicht mit Spekulationen über ein angeblich zu arbeitnehmerfreundliches Entscheiden torpedieren.

Gleichwohl fordert die DHV die Tarifparteien und insbesondere die GDL dazu auf, die Auseinandersetzung am Verhandlungstisch zu führen und möglichst wenig auf dem Rücken der Bahnkunden und der auf das Funktionieren der Bahn angewiesenen Wirtschaft. Immerhin hat sich die Bahn mit dem Angebot, ab 2026 wahlweise die Arbeitszeit um eine Stunde zu reduzieren oder eine höhere Gehaltserhöhung zu erhalten, etwas bewegt. Die GDL wäre gut beraten, am Verhandlungstisch einen möglichen tragfähigen Kompromiss weiter auszuloten als den längsten Streik seit Jahren zu führen, der nicht nur das Unternehmen Bahn, sondern auch Millionen von Arbeitspendlern, Bahnkunden und die Wirtschaft aufs Massivste trifft.

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