Das Hinweisgeberschutzgesetz ist seit dem 02. Juli 2023 in Kraft. Es setzt die EU-Whistleblowerrichtlinie in nationales Recht um.
Es ist ein Dilemma, das immer wieder in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auftritt: Beschäftigte bekommen Kenntnis von einem Vorgang, der ihnen merkwürdig vorkommt und bei dem sie zumindest einen Verdacht haben, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Beispiel Buchhaltung: Merkwürdige Angaben in einer Reisekostenabrechnung, die auf einen Spesenbetrug hindeuten, oder Zahlungen an Dritte für abgerechnete Leistungen, bei denen man den Verdacht hat, dass sie nicht erbracht worden waren. Oder man bekommt Kenntnis von einer Begebenheit unter Kollegen, die zumindest den Verdacht einer sexuellen Belästigung nahelegen.
Wie soll man sich in solchen Fällen verhalten? Eine Meldung über eine Beobachtung, die sich im Nachhinein als falsch erweist, könnte leicht als falsche Verdächtigung und damit als Verstoß gegen die arbeitsrechtliche Treuepflicht etikettiert werden. Die Meldung über ein Fehlverhalten des Vorgesetzten erfordert Mut und die Bereitschaft, erforderlichenfalls auch Repressalien des Vorgesetzten auszuhalten. Und wie verhält sich eine Meldung über interne Vorgänge mit der arbeitsrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit im Arbeitsverhältnis? Auch das Warten bis nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses ist nicht so leicht. Denn am Ende des Arbeitsverhältnisses ist man zur Herausgabe sämtlicher Dokumente und Dateien verpflichtet. Aber gar nichts zu tun ist auch keine Lösung. Denn vor allem das Stillhalten der Beschäftigten fördert die Kultur von Verstößen gegen Complianceregelungen oder die weitere Begehung von Ordnungswidrigkeiten bzw. gar von Straftaten.
Das Hinweisgeberschutzgesetz packt dieses Dilemma an. Von diesem Gesetz geschützt werden natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an Meldestellen melden oder offenlegen. Auch Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sind von dem Gesetz geschützt. Beispiel: Bei der Meldung einer sexuellen Belästigung werden der Hinweisgeber und die sexuell belästigte Person vom Gesetz geschützt.
Adressaten des Gesetzes sind Beschäftigungsgeber. Damit ist der Adressatenkreis sehr breit gefasst. Er bezieht sich auf alle Arbeitgeber des öffentlichen und privaten Rechts. Allerdings gilt das Hinweisgeberschutzgesetz derzeit nur für Beschäftigungsgeber ab 250 Beschäftigten. Ab dem 17.12.2023 gelten die Verpflichtungen auch für Beschäftigungsgeber ab 50 Beschäftigten. Unter dieser Grenze liegende Beschäftigungsgeber sind vom Gesetz ausgenommen. Sie sollten aber die Einrichtung einer Meldestelle in Betracht ziehen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Beschäftigtengrenze noch weiter gesenkt wird.
Sachlich geschützt sind straf- und bußgeldbewehrte Verstöße sowie Verstöße gegen sonstige Vorschriften von Bund, Ländern und unmittelbar geltende Rechtsakte der EU. Der Schutz ist damit sehr umfassend. Bei den Ordnungswidrigkeitsvorschriften muss die verletzte Vorschrift allerdings dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Das Vertuschen eines „Knöllchens“ des Vorgesetzten infolge eines Transports der Kinder zur Schule mit dem Dienstwagen fällt nicht unter den Hinweisgeberschutz. Allerdings: Wenn dabei herauskommt, dass der Vorgesetzte eine nicht genehmigte private Angelegenheit erledigt hatte, dann kann das Hinweisgeberschutz evtl. unter dem strafbewehrten Aspekt „Arbeitszeitbetrug“ zum Tragen kommen.
Vom Gesetz geschützt ist nicht nur die Meldung über tatsächlich begangene Verstöße, sondern auch begründete Verdachtsmomente über mögliche Verstöße sind geschützt. Auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist der Hinweisgeber gegen Repressalien geschützt. Das Recht, tatsächliche oder begründete Verstöße zu melden, geht damit gegenüber der Herausgabepflicht von Dokumenten am Ende des Arbeitsverhältnisses und der Verschwiegenheitspflicht nach dem Arbeitsverhältnis vor. Dieses Schutzrecht betrifft aber nur die Dokumente, die die die tatsächlichen oder möglichen Verstöße belegen sollen. Wer darüber hinaus unberechtigt Dateien, Dokumente oder Gegenstände weiter zurückbehält, macht sich möglicherweise wegen Unterschlagung strafbar und begeht auf jeden Fall einen Verstoß gegen die Herausgabepflicht. Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt nur die Meldung an die Meldestellen. Es verleiht nicht das Recht, an die Presse zu gehen oder in sozialen Medien Verstöße anzuprangern. Vollkommen aus dem Schutz des Gesetzes fällt ein (ehemaliger) Beschäftigter, wenn er oder sie eine Geldleistung für ein Schweigen fordert oder damit droht, an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn Missstände nicht abgestellt werden. Das ist Erpressung!
Eine Beweislastumkehr findet statt, wenn die hinweisgebende Person Benachteiligungen erleidet. Die Person muss nicht beweisen, dass sie diese wegen ihrer Meldung erlitten hat. Sie muss das nur geltend machen. Der Gegenpart muss vielmehr beweisen, dass die Benachteiligung unabhängig von der Meldung passiert ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, gilt die Vermutung, dass der Hinweis die Ursache war.
Beim Bundesamt für Justiz wird die externe Meldestelle eingerichtet. Die vom Gesetz betroffenen Beschäftigungsgeber müssen eine interne Meldestelle einrichten. Bei der Einrichtung und dem Betrieb der Meldestelle sind die Betriebs- und Personalräte im Rahmen der Mitbestimmungstatbestände des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze beteiligt. Das DHV-Bildungswerk behandelt das Hinweisgeber-schutzgesetz in den Schulungen. Darüber hinaus stehen die DHV-Geschäftsstellen den DHV-Mitgliedern beratend zur Seite.