Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Weniger Arbeitnehmerschutz bei Massenentlassungen?

Der Sachverhalt:

Grundlage des Verfahrens war die Massenentlassung in einem Unternehmen in Niedersachsen, das 2019 in Insolvenz ging. Der Kläger war dort 18 Jahre als Schweißer tätig gewesen, bis der Betrieb in wirtschaftliche Schieflage geriet. Der eingesetzte Insolvenzverwalter kam zu dem Entschluss, dass eine Massenentlassung unvermeidbar sei und eingeleitet werden muss. Wie gesetzlich vorgeschrieben, informierte der Insolvenzverwalter hierüber den Betriebsrat. Aber auch der Betriebsrat sah keine Möglichkeit, die Entlassungen zu verhindern. Eine Kopie der an den Betriebsrat gegebenen Informationen muss der Arbeitgeber bei einer Massenentlassung der örtlichen Arbeitsagentur übermitteln. Dies hatte der Insolvenzverwalter jedoch versäumt. Der Kläger, der durch die Insolvenz seinen Job verloren hatte, nahm dies zum Anlass, Kündigungsschutzklage zu erheben. Er argumentierte, seine Kündigung sei wegen der nicht erfolgten Information der Arbeitsagentur unwirksam.

Die Entscheidung des EUGH:

Der EuGH folgte nicht der Argumentation des Arbeitnehmers. Er urteilte, dass der Verstoß gegen die vorgeschriebene Informationspflicht gegenüber der Arbeitsagentur nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führe. Die schriftliche Information der Arbeitsagentur diene nicht dazu, den betroffenen Arbeitnehmern einen individuellen Schutz zu gewähren. Sinn der Information sei vielmehr, dass sich die Behörde auf anstehende Entlassungen und deren Konsequenzen (Weiterqualifikation der Arbeitnehmer*innen etc.) vorbereiten kann. Das bedeutet, dass die versäumte Mitteilung an die Arbeitsagentur keine Auswirkung auf die einzelnen ausgesprochenen Kündigungen hat. Nun muss das Bundesarbeitsgericht in dem zugrunde liegenden Fall zu einem abschließenden Urteil gelangen.

Konsequenz für die Praxis:

Ob das Urteil des EUGH generell weniger Arbeitnehmerschutz bei Massenentlassungen bedeutet, ist offen. Denn nun liegt die Entscheidung wieder beim BAG. Das Urteil des EUGH betrifft zunächst nur die Rechtsfolge bei Verstoß gegen die Übermittlungspflicht nach § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG. Offen ist, wie im Übrigen mit Verstößen gegen das Konsultationsverfahren und die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen umzugehen ist. Es ist möglich, dass das BAG von seiner bisherigen Rechtsprechung, nämlich einer Unwirksamkeit der Einzelkündigungen bei Fehlern bei der Massenentlassungsanzeige, abkehrt und seine Rechtsprechung nach diesem Urteil anpasst.

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Wahl des neuen Bremer Senats

Am 14,Mai haben die Bürger des Landes Bremen ein neues Parlament gewählt. Als Wahlsiegerin hat sich die SPD für eine Fortsetzung der Koalition mit den Grünen und der Linkspartei entschieden. Nach mehrwöchigen Koalitionsverhandlungen wurde ein 170-seitiger Koalitionsvertrag beschlossen, in dem viele Wünsche der Koalitionsparteien eingeflossen sind, für deren finanzielle Umesetzung die Voraussetzungen aber erst noch geschaffen werden müssen. Bremen ist Haushaltsnotlageland und die Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion hat Ende Juni erst eine Normenkontrollklage gegen den aktuellen Nachtragshaushalt vor dem Bremischen Staatsgerichtshof angekündigt. Auch der Bremer CGB sieht das Finanzgebahren der Regierungskoalition kritisch und hat vor einer Aussetzung der Schuldenbremse gewarnt.
In persönlichen Glückwunschschreiben hat CGB-Landesvorsitzender Peter Rudolph zu den ressortspezifischen Punkten des Koalitionsvertrages Stellung genommen und den Senatorinnen und Senatoren zugleich eine konstruktive Zusammenarbeit mit den christlichen Gewerkschaften angeboten.

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CGB-Aufruf für die Tätigkeit als Versichertenberater/in

Wir suchen ehrenamtliche Versichertenberater*innen

 Alle sind willkommen, die gerne Menschen helfen!

Wenn Sie Menschen gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen möchten, um ihnen beim Ausfüllen der Formulare und Anträge für Renten-/Kontenklärungsanträgen oder Hinterbliebenenrentenanträge behilflich zu sein,  sind Sie bei uns herzlich willkommen und genau richtig.

Denn über den CGB können Sie zur Wahl in das Amt der Versichertenberaterin * des Versichertenberaters vorgeschlagen werden.

Sie sind

  • volljährig
  • bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) rentenversichert oder
  • beziehen eine Rente von der DRV Bund
  • im Wahlbezirk, einem Stadt- oder Landkreis der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft (Hauptwohnsitz) oder haben Ihren gewöhnlichen Aufenthalt (z. B. Arbeitsort) dort?

Dann erfüllen Sie alle Grundvoraussetzungen als Versichertenberater*in

Versichertenberaterinnen besonders gesucht!

Der CGB möchte den Frauenanteil im Ehrenamt stärken. Unterstützen Sie uns bitte hierbei und melden Sie sich gerne bei uns, wenn Sie Versichertenberaterin werden möchten.

Welche Kenntnisse/Qualifikationen müssen vorhanden sein?

Keine! Vor Ihrem ersten „Einsatz“ als Versichertenberater*in werden Sie in einem ausführlichen Seminar von qualifizierten Mitarbeiter*innen der DRV Bund in die Materie eingeführt und geschult. Es folgen jährliche Weiterbildungsseminare, die Sie mit Änderungen des Rentenrechts vertraut machen, um ständig auf dem aktuellen Stand zu sein. Zur Unterstützung bei Ihren Beratungsterminen stehen Ihnen kompetente Ansprechpartner*innen der DRV Bund zur Verfügung.

Wie viel Zeit muss ich aufwenden?

Es liegt an Ihnen, wie viele Termine Sie vergeben, und in welchen Zeiten Sie für die Menschen zur Beratung und Unterstützung bereitstehen.

Sie sind für einen Landkreis/Stadtkreis zuständig, in dem Sie die dort lebenden Menschen beraten. Die „Büro-Öffnungszeiten“ legen Sie selbst fest.

Erhalte ich eine Aufwandsentschädigung?

Die Versichertenberater*innen sind ehrenamtlich tätig. Die DRV Bund zahlt Ihnen für Ihren Zeitaufwand und Ihre sonstigen Aufwendungen eine Entschädigung. Deren Höhe richtet sich nach dem Beschluss der Vertreterversammlung.

Haben wir Ihr Interesse geweckt?

Wenn Sie Interesse an dem Ehrenamt haben, oder noch Fragen offen sind, wenden Sie sich gerne unter der Telefonnummer 030 / 21021730 oder unter der E-Mail Adresse a.kiesow@cgb.info an uns.

 

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55. Richterwoche des Bundessozialgerichts

Vom 26. bis 28. Juni 2023 fand die 55. Richterwoche des Bundessozialgerichts in Kassel statt. Die Veranstaltung zählt mit ihren über 300 Teilnehmenden zu einer der größten jährlichen Fortbildungsveranstaltungen für das Sozialrecht und beleuchtet traditionell aktuelle Themen mit sozialrechtlichem Bezug. So widmete sich die Richterwoche in diesem Jahr unter der übergreifenden Frage „Was ist NEU?“ der Einführung des Bürgergelds, Änderungen im Recht der Opferentschädigung und dem Betreuungsrecht.

Nach der Eröffnung der Veranstaltung und der Begrüßung der Anwesenden durch den Präsidenten des Bundessozialgerichts Prof. Dr. Rainer Schlegel folgten Grußworte der Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Leonie Gebers, des Hessischen Justizministers Prof. Dr. Roman Poseck und der Bürgermeisterin der Stadt Kassel Ilona Friedrich. Hiernach widmete sich Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff, Richter des Bundesverfassungsgerichts, verfassungsrechtlichen Aspekten sozial-rechtlicher Rechtsprechung und stellte Leitlinien des sozialen Rechtsstaats dar. Prof. Dr. Claudia Bittner, Richterin am Hessischen Landessozialgericht, informierte über die Neuerungen im Opferentschädigungsrecht. Die Ausführungen der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Opfer schwerer Gewalttaten und Terroranschläge, Prof. Dr. Daniela Birkenfeld, öffneten am zweiten Tag den Blick auf die Praxis der Opferbetreuung und -entschädigung in einem hochsensiblen Bereich. Frau Vanessa Ahuja, Vorständin der Bundesagentur für Arbeit, schilderte eindrücklich die Anstrengungen der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter, die Änderungen des SGB II mit der Einführung des Bürgergelds mit Leben zu füllen und zu einer für die Kunden der Jobcenter verständlichen Sprache auch in Formularen und Bescheiden zu kommen. Abschließend sensibilisierte Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Lipp, Universität Göttingen, im Umgang mit Klagenden vor dem Hintergrund des geänderten Betreuungsrechts.

Erstmals nach der Pandemie konnten auch Arbeitsgemeinschaften, in denen die Richterinnen und Richter des Bundessozialgerichts sich der Diskussion und dem fachlichen Austausch stellen, unter großer Beteiligung präsent und digital durchgeführt werden. (Auszug Pressemitteilung des BSG vom 29.06.2023)

Für den CGB nahm Martin Fehrmann teil und berichtet, aus der Rede von Frau Ahuja , dass die Bezeichnung „Bürgergeld“ keinesfalls nur eine Namensänderung sei, sondern mit den gesetzlichen Änderungen auch ein neues Rollenverständnis in den gesetzlichen Regelungen verankert sei. Die Umstellung auf eine bürgerfreundliche Sprache – auch wenn diese sukzessive verläuft – zeige nicht nur den Willen des Gesetzgebers den Betroffenen „mitzunehmen“, sondern auch in den auf Schulung und Qualifizierung ausgerichteten Grundgedanken; nicht mehr vermitteln um „jeden Preis“. Sicherlich wird diese Wandlung des Rollenverständnisses eine ständige Führungsaufgabe in den Jobcentern werden.

Das Soziale Entschädigungsrecht wird künftig im SGB XIV gebündelt und neu strukturiert. Das Gesetz regelt Ansprüche von Gewalt- und Terroropfern, aber auch von Impfgeschädigten neu. Die meisten Rechtsänderungen werden ab 2024 greifen. Insbesondere die Regelungen zu den Schnellen Hilfen, Traumaambulanzen und das Erleichterte Verfahren sind neben dem erweiterten Gewaltbegriff und der vermuteten Wahrscheinlichkeit bei psychischen Erkrankungen als Schädigungsfolge eine enorme Verbesserung der Stellung des Geschädigten. Damit zieht der Gesetzgeber Konsequenzen aus dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin im Dezember 2016. 

Infolge des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland zur UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) wurde die Überarbeitung des Betreuungsrechtes notwendig. Das zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts soll die Selbstbestimmung von betreuten Menschen und die Qualität der rechtlichen Betreuung stärken. . Das neue Betreuungsrecht wirkt sich auch auf die Sozialgerichtsbarkeit aus, da auch hier mit der Bestellung eines besonderen Vertreters die Regelungen des neuen Betreuungsrechts zu beachten sind.

In den folgenden Arbeitsgemeinschaften wurden Entscheidungen des Bundessozialgerichts der letzten 1 ½  Jahre und durch Teilnehmer herangetragene Rechtsfragen erörtert und vertieft.

Martin Fehrmann nahm an den Arbeitsgemeinschaften des 5. Senates (Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung), des 7. Senates (Grundsicherung für Arbeitssuchende) und die des 12. Senates (Versicherungs- und Beitragsrechts) teil.

In seiner  Arbeitsgemeinschaft erläuterte der 12. Senat die Konkretisierung seiner Rechtsprechung zur  Beschäftigteneigenschaft von GmbH-Geschäftsführern mit Gesellschaftsbeteiligung dar.

Das Foto zeigt den Vorsitzenden Richter des 12. Senates, Herrn Andreas Heinz, zusammen mit Martin Fehrmann

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CGB-Information zur Sozialwahl 2023

Das Ergebnis der diesjährigen Sozialwahlen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund steht fest. Der Wahlausschuss der DRV Bund hat am 20. Juni 2023 das Ergebnis der Wahl zur Vertreterversammlung bekanntgegeben. Dabei konnte der CGB seinen Stimmenanteil im Vergleich zur letzten Sozialwahl 2017 noch einmal deutlich erhöhen. Die Listenverbindung, bestehend aus dbb, DAK VRV, GdS und dem CGB erhält damit zwei Mandate in der Vertreterversammlung der DRV Bund. Dies ist ein schöner Erfolg!

Ein herzlicher Dank geht an alle, die diesen Erfolg durch ihre engagierte Wahlwerbung ermöglicht und durch ihre Stimme unterstützt haben!

Eine erfreuliche Folge dieses guten Wahlergebnisses ist, dass der CGB mehr ehrenamtliche Versichertenberater*innen vorschlagen darf und Mandate in Ausschüssen der DRV Bund besetzen kann.

Wenn Sie Interesse an dem interessanten Ehrenamt als Versichertenberater*in haben oder ihr Engagement für eine weitere Amtsperiode fortsetzen wollen, melden Sie sich bei uns. Wir senden Ihnen dann gerne weitere Informationen und Unterlagen zu. Auch in weiteren Renten-, Kranken- und Unfallversicherungsträgern war der CGB erfolgreich und entsendet Kandidaten*innen in die Vertretersammlungen, Verwaltungsräte und Ausschüsse.

Der CGB gratuliert allen gewählten Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl und wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Ausübung des Ehrenamtes!

Die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den vorangegangenen Sozialwahlen noch einmal gesunken. Sie lag bei rund 22 Prozent. Gemeinsame Aufgabe bis zu den nächsten Sozialwahlen wird es sein, die Gründe hierfür zu erforschen und den Sozialwahlen dauerhaft eine stärkere Aufmerksamkeit zu geben.

Filialsterben im deutschen Einzelhandel setzt sich fort

Die DHV ist besorgt über das anhaltende Filialsterben im deutschen Einzelhandel, von dem besonders die Bekleidungsbranche betroffen ist. Allein im I. Quartal dieses Jahres haben bereits 37 Mode- und Schuhhändler ein Insolvenz- oder Schutzschirmverfahren angemeldet. Aktuell hat das Unternehmen Gerry Weber angekündigt, dass es 122 seiner 149 deutschen Läden und 28 Outlet-Stores bis September schließen will. Die angekündigte Schließung bedeutet den Wegfall von ca. 350 Vollzeitstellen im Verkauf und von 75 in der Zentrale. Der Modekonzern, der sich bereits 2019 nur mit Hilfe eines Insolvenzverfahrens vor dem Aus retten konnte, hatte im April erneut ein Insolvenzverfahren in Eigenregie beantragt und will sich nun verstärkt auf die Modeherstellung und sein Großhandelsgeschäft konzentrieren.

Auch die frühere Gery Weber-Tochter Hallhuber, die 2021 nach einem Insolvenzverfahren von zwei Investoren übernommen wurde, befindet sich erneut in Schieflage und kämpft ums Überleben. Es geht um 110 Filialen und rund 1100 Beschäftigte. Ob auch diesmal das Insolvenzverfahren ein glückliches Ende findet ist fraglich.

Beim Modehändler Peek & Cloppenburg sind von dem am 1.Juni eröffneten Insolvenzverfahren in Eigenregie derzeit „nur“ 350 der über 1500 Arbeitsplätze in der Zentrale betroffen, die abgebaut werden sollen, wie das Unternehmen im Mai in einer Pressemitteilung ankündigte. Die Beschäftigten der 67 deutschen Filialen und des Online-Stores der Modekette müssen aktuell nicht um ihre Arbeitsplätze bangen. Ob dies auch längerfristig der Fall sein wird, bleibt abzuwarten angesichts von 400 Millionen Euro Schulden des Düsseldorfer Konzerns.

Für die Mehrzahl der Beschäftigten der Schuhhandelskette Reno, die bereits im März Insolvenz anmelden musste, ist es bereits traurige Gewissheit, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Nach dem kein neuer Investor gefunden wurde, steht das Ende für 150 der 180 Reno-Standorte in Deutschland fest. Lediglich 30 Standorte sollen im Rahmen von Übernahmen fortgeführt werden. Etwa 120 der ehemals 1100 Beschäftigten haben damit die Chance auf Erhaltung ihres Arbeitsplatzes.

Für die Schuhhandelskette Görtz hat sich zwar in Rahmen des bereits im September letzten Jahres eingeleiteten Insolvenzverfahrens in Eigenregie ein neuer Investor gefunden, ein Ende der Fahnenstange ist dennoch nicht in Sicht. War man noch im Februar davon ausgegangen, das Unternehmen mit der Hälfte der ehemals 160 Filialen fortführen zu können, mussten bereits im Mai weitere Filialschließungen angekündigt werden, da sich der Umsatz nicht wie erwartet entwickelt hatte.

Die Reihe der Hiobsbotschaften ließe sich fortsetzen. Die Corona-Pandemie ist vorbei; die erhoffte Erholung der krisengeschüttelten Schuh- und Modebranche lässt jedoch auf sich warten. Keine rosigen Zeiten für die Einzelhandelsbeschäftigten.

Hände

Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist seit dem 02. Juli 2023 in Kraft. Es setzt die EU-Whistleblowerrichtlinie in nationales Recht um. 

Es ist ein Dilemma, das immer wieder in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auftritt: Beschäftigte bekommen Kenntnis von einem Vorgang, der ihnen merkwürdig vorkommt und bei dem sie zumindest einen Verdacht haben, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Beispiel Buchhaltung: Merkwürdige Angaben in einer Reisekostenabrechnung, die auf einen Spesenbetrug hindeuten, oder Zahlungen an Dritte für abgerechnete Leistungen, bei denen man den Verdacht hat, dass sie nicht erbracht worden waren. Oder man bekommt Kenntnis von einer Begebenheit unter Kollegen, die zumindest den Verdacht einer sexuellen Belästigung nahelegen.

Wie soll man sich in solchen Fällen verhalten? Eine Meldung über eine Beobachtung, die sich im Nachhinein als falsch erweist, könnte leicht als falsche Verdächtigung und damit als Verstoß gegen die arbeitsrechtliche Treuepflicht etikettiert werden. Die Meldung über ein Fehlverhalten des Vorgesetzten erfordert Mut und die Bereitschaft, erforderlichenfalls auch Repressalien des Vorgesetzten auszuhalten. Und wie verhält sich eine Meldung über interne Vorgänge mit der arbeitsrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit im Arbeitsverhältnis? Auch das Warten bis nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses ist nicht so leicht. Denn am Ende des Arbeitsverhältnisses ist man zur Herausgabe sämtlicher Dokumente und Dateien verpflichtet. Aber gar nichts zu tun ist auch keine Lösung. Denn vor allem das Stillhalten der Beschäftigten fördert die Kultur von Verstößen gegen Complianceregelungen oder die weitere Begehung von Ordnungswidrigkeiten bzw. gar von Straftaten.

Das Hinweisgeberschutzgesetz packt dieses Dilemma an. Von diesem Gesetz geschützt werden natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an Meldestellen melden oder offenlegen. Auch Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sind von dem Gesetz geschützt. Beispiel: Bei der Meldung einer sexuellen Belästigung werden der Hinweisgeber und die sexuell belästigte Person vom Gesetz geschützt.

Adressaten des Gesetzes sind Beschäftigungsgeber. Damit ist der Adressatenkreis sehr breit gefasst. Er bezieht sich auf alle Arbeitgeber des öffentlichen und privaten Rechts. Allerdings gilt das Hinweisgeberschutzgesetz derzeit nur für Beschäftigungsgeber ab 250 Beschäftigten. Ab dem 17.12.2023 gelten die Verpflichtungen auch für Beschäftigungsgeber ab 50 Beschäftigten. Unter dieser Grenze liegende Beschäftigungsgeber sind vom Gesetz ausgenommen. Sie sollten aber die Einrichtung einer Meldestelle in Betracht ziehen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Beschäftigtengrenze noch weiter gesenkt wird.

Sachlich geschützt sind straf- und bußgeldbewehrte Verstöße sowie Verstöße gegen sonstige Vorschriften von Bund, Ländern und unmittelbar geltende Rechtsakte der EU. Der Schutz ist damit sehr umfassend. Bei den Ordnungswidrigkeitsvorschriften muss die verletzte Vorschrift allerdings dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Das Vertuschen eines „Knöllchens“ des Vorgesetzten infolge eines Transports der Kinder zur Schule mit dem Dienstwagen fällt nicht unter den Hinweisgeberschutz. Allerdings: Wenn dabei herauskommt, dass der Vorgesetzte eine nicht genehmigte private Angelegenheit erledigt hatte, dann kann das Hinweisgeberschutz evtl. unter dem strafbewehrten Aspekt „Arbeitszeitbetrug“ zum Tragen kommen.

Vom Gesetz geschützt ist nicht nur die Meldung über tatsächlich begangene Verstöße, sondern auch begründete Verdachtsmomente über mögliche Verstöße sind geschützt. Auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist der Hinweisgeber gegen Repressalien geschützt. Das Recht, tatsächliche oder begründete Verstöße zu melden, geht damit gegenüber der Herausgabepflicht von Dokumenten am Ende des Arbeitsverhältnisses und der Verschwiegenheitspflicht nach dem Arbeitsverhältnis vor. Dieses Schutzrecht betrifft aber nur die Dokumente, die die die tatsächlichen oder möglichen Verstöße belegen sollen. Wer darüber hinaus unberechtigt Dateien, Dokumente oder Gegenstände weiter zurückbehält, macht sich möglicherweise wegen Unterschlagung strafbar und begeht auf jeden Fall einen Verstoß gegen die Herausgabepflicht. Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt nur die Meldung an die Meldestellen. Es verleiht nicht das Recht, an die Presse zu gehen oder in sozialen Medien Verstöße anzuprangern. Vollkommen aus dem Schutz des Gesetzes fällt ein (ehemaliger) Beschäftigter, wenn er oder sie eine Geldleistung für ein Schweigen fordert oder damit droht, an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn Missstände nicht abgestellt werden. Das ist Erpressung!

Eine Beweislastumkehr findet statt, wenn die hinweisgebende Person Benachteiligungen erleidet. Die Person muss nicht beweisen, dass sie diese wegen ihrer Meldung erlitten hat. Sie muss das nur geltend machen. Der Gegenpart muss vielmehr beweisen, dass die Benachteiligung unabhängig von der Meldung passiert ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, gilt die Vermutung, dass der Hinweis die Ursache war.

Beim Bundesamt für Justiz wird die externe Meldestelle eingerichtet. Die vom Gesetz betroffenen Beschäftigungsgeber müssen eine interne Meldestelle einrichten. Bei der Einrichtung und dem Betrieb der Meldestelle sind die Betriebs- und Personalräte im Rahmen der Mitbestimmungstatbestände des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze beteiligt. Das DHV-Bildungswerk behandelt das Hinweisgeber-schutzgesetz in den Schulungen. Darüber hinaus stehen die DHV-Geschäftsstellen den DHV-Mitgliedern beratend zur Seite.

 

 

 

Streik EDEKA Berbersdorf Juni 2023

Streik Berbersdorf EDEKA

Im großen Zentrallager des Einzelhändlers Edeka in Berbersdorf bei Chemnitz wurde am Donnerstag, 8. Juni, zum geplanten 3 tägigen Streik ausgerufen . Die DHV unterstützte den Streikaufruf der verhandelnden Gewerkschaft und rief ihre Mitglieder zur Streikteilnahme auf.

Die steigenden Ausgaben für Lebensmittel, Wohnen, Energie und Fahrtkosten sowie Verzögerungstaktiken der Arbeitgeber bei den laufenden Tarifverhandlungen andererseits veranlassen die Beschäftigten zur Teilnahme an Streikaktionen. Die Mehrheit der Beschäftigten im Handel ist zunehmend von Geldsorgen und Altersarmut betroffen. Konkret gefordert wird eine Erhöhung aller Löhne um 13 Prozent sowie eine Vorschusserhöhung von 27 Cent pro Stunde für bestimmte Lohn- und Gehaltsgruppe. Das Angebot der Arbeitgeberseite war bisher mehr als ungenügend.

Es bleibt zu hoffen, dass der Tarifkonflikt im Handel mit einem guten Abschluss zu Ende geht, der den Beschäftigten in ihrer schwierigen Situation hilft.

DHV begrüsst Rettung von Karstadt Bremen in letzter Minute

Mit Ablauf Mai endete das Insolvenzverfahren des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof. Das Insolvenzverfahren wurde vom Amtsgericht Essen ausgehoben, nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig wurde.

Der Insolvenzplan sieht die Schließung von 41 der zuletzt noch 129 Filialen des Konzerns vor. Bremen ist nicht mehr der dabei. In letzter Minute einigte sich das Unternehmen mit dem Eigentümer der Immobilie in bester Bremer Innenstadtlage, der Kurt-Zech-Stiftung. 240 Beschäftigte können aufatmen. Ihre bereits ausgesprochenen Kündigungen wurden zurückgenommen. Die DHV freut sich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und für die Stadt Bremen. Das bereits im Jahre 1932 eröffnete und heute unter Denkmalschutz stehende Galeria-Karstadt-Haus ist die letzte in Bremen befindliche Warenhausfiliale. Die Bremer Kaufhof-Filiale von Galeria wurde bereits 2020 geschlossen.

Die DHV ist für die Zukunft des Bremer Karstadt-Hauses optimistisch. Das Haus schreibt „schwarze Zahlen“. Die mit der Kurt-Zech-Stiftung vereinbarte Flächenreduzierung dürfte daran nichts ändern. Sie stand bereits vor dem Insolvenzverfahren zur Diskussion und im Zusammenhang mit Plänen zur Aufwertung der Innenstadt. Entfallen wird eine Fläche außerhalb des denkmalgeschützten Gebäudes, die früher das Defaka-Warenhaus beherbergte und bei Aufgabe des Unternehmens von Karstadt übernommen wurde.

 

Wir gratulieren der SPD zu ihrem 160. Geburtstag!

Am 23. Mai 1863 gründete sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein als Vorläufer der SPD.

Die SPD hat in ihrer langen Geschichte das Deutsche Kaiserreich, die Weimarer Republik und die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich geprägt, viele soziale Errungenschaften durchgesetzt und Deutschland zu einem Land gemacht, in dem die Menschen in Frieden, Wohlstand und Chancengerechtigkeit leben können. In ihrer Verantwortung – derzeit als Regierungspartei – trägt sie maßgeblich mit dazu bei, dass Deutschland ein verlässlicher Partner in Europa und in der Welt ist.

Diese erstaunliche lange Erfolgsgeschichte war und ist nur möglich mit Persönlichkeiten, die sich mit Leidenschaft für die Demokratie einsetzten, die die Richtung der Partei mitgestalkteten und auch den Mut hatten, gegen Widerstände Ideen und notwendige politische Projekte durchzusetzen. Und die Erfolgsgeschichte ist nur weiterhin möglich mit Mitgliedern, die sich für ihre SPD engagieren.

160 Jahre SPD – diesem Jubiläum sollten auch politische Gegner und Menschen, die keine Anhänger dieser Partei sind, Respekt zollen. Dies tun auch wir – auch wenn wir uns von der SPD weniger Verbandelung mit dem DGB und etwas mehr Offenheit gegenüber der christlichen Gewerkschaftsbewegung wünschen würden.