Sozialstaat braucht Reformen statt Blockadehaltung

Manche Äußerungen von Politikern und Interessenvertretern offenbaren eine besorgniserregende Realitätsverweigerung in der deutschen Sozialpolitik. Während manche kategorisch Leistungskürzungen ausschließen und jegliche Reform als „unseriös“ abtun, ignorieren sie die drängenden Herausforderungen unseres Sozialstaats und die berechtigten Sorgen der Beitragszahler. 

Christliche Soziallehre: Solidarität UND Eigenverantwortung

Aus christlich-gewerkschaftlicher Sicht basiert ein funktionierender Sozialstaat auf dem Prinzip der Subsidiarität: Hilfe zur Selbsthilfe steht im Vordergrund, staatliche Unterstützung soll befähigen, nicht dauerhaft alimentieren. Die katholische Soziallehre betont seit jeher, dass Solidarität und Eigenverantwortung keine Gegensätze sind, sondern sich ergänzen müssen.

Eine Ablehnung jeglicher Strukturreformen wird weder der christlichen Verantwortungsethik noch den Interessen der arbeitenden Menschen gerecht. Manche Gewerkschaft, die primär die Interessen von Nicht-Arbeitenden verteidigt, verliert ihre Legitimation als Interessenvertretung der Beschäftigten. 

Klare Haltung: Null Toleranz bei Sozialbetrug

Es muss klar Position bezogen werden gegen organisierte Kriminalität im Sozialbereich. Die Machenschaften krimineller Banden – Menschen aus Südosteuropa werden nach Deutschland gelockt, in Schrottimmobilien untergebracht und mit fingierten Arbeitsverträgen zum Amt geschickt – zeigen das Ausmaß des Problems auf. Bei Sozialbetrug darf es keine Toleranz geben! Jeder erschlichene Euro schadet dem Vertrauen in den Sozialstaat und belastet ehrliche Beitragszahler!

Die Frage bleibt jedoch: Warum besteht bei manchen Politikern und Lobbyvertretern diese Entschlossenheit nur bei der Betrugsbekämpfung, aber nicht bei anderen notwendigen Strukturreformen? Es stellen sich drängende Fragen:

  • Finanzierbarkeit:Wie sollen die steigenden Sozialausgaben langfristig finanziert werden, ohne die Beitragszahler zu überlasten? Die in die Diskussion eingeworfene Aussage, es gebe „keinen Aufwuchs beim Bürgergeld“ ist angesichts der absoluten Zahlen irreführend.
  • Arbeitsanreize:Wie kann sich Arbeit wieder lohnen? Das aktuelle System schafft in vielen Fällen Fehlanreize, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen.
  • Missbrauchsbekämpfung:Wie können Schlupflöcher, die zu Betrug und Bereicherung geradezu einladen, geschlossen und den kriminellen Ausnutzern des Systems das Handwerk gelegt werden?
  • Hier hat Fahimi völlig recht – die organisierten kriminellen Banden müssen schonungslos verfolgt werden. Ihre klare Haltung zu Sozialbetrug verdient Unterstützung. Doch warum blockiert der DGB dann andere notwendige Reformen?
  • Aufstockerbetriebe:In der berechtigten Kritik u.a. auch der DGB-Gewerkschaften steht der „steuerfinanzierten Kombi-Lohn“ – warum kämpfen aber manche Kritiker dann nicht konsequenter gegen Kombi-Löhne statt für höhere Sozialleistungen? Vor allem für Gewerkschaften muss das ein wichtiges Anliegen sein!

Christliche-gewerkschaftliche Alternative: Würde durch Arbeit

Die christliche Gewerkschaftsbewegung vertritt einen Ansatz der auch im 21. Jahrhundert aktuell ist: Menschliche Würde entfaltet sich durch sinnvolle Arbeit und gesellschaftlichen Beitrag. Ein Sozialstaat, der Menschen dauerhaft in Passivität hält, wird diesem Anspruch nicht gerecht.

Unsere Reformvorschläge:

  • Aktivierende Arbeitsförderung: Stärkung von Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen
  • Entbürokratisierung und Digitalisierung des Sozialstaates
  • Flexiblere Hinzuverdienstgrenzen: Arbeitsaufnahme attraktiver machen
  • KI-Steuer zur Finanzierung der Sozialsysteme: Unternehmen, die den Faktor Arbeit durch KI-Einsatz ersetzen, müssen weiterhin einen Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaates leisten. 

Kritische Fragen zur Rentenpolitik:

  • Wie kann die Rente der „Babyboomer“ finanziert werden, ohne die nachfolgenden Generationen zu überlasten? Generationengerechtigkeit muss ernst genommen werden – die junge, wie die ältere Generation haben ein Recht auf ein nachhaltiges Rentensystem!
  • Warum lehnen manche Kritiker jegliche Reformierung oder gar Flexibilisierung im Rentensystem ab?
  • Wie kann die betrieblichen Altersvorsorge weiter gestärkt werden? Das geplante zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz ist ein richtiger Schritt. Die Tarifpartner sowie die Betriebsparteien müssen mit Vereinbarungen auf tariflicher und betrieblicher Ebene bestehende Regelungen weiter entwickeln und weiße Flecken schließen.

Pflegereform: Menschlichkeit statt Polemik

Die Kritik an Karenzzeiten in der Pflege ist berechtigt, aber manche Polemik wird der Komplexität des Problems nicht gerecht. Statt konstruktiver Vorschläge wird so nur Empörung geliefert. Wenn es nur um die tausenden Pflegefälle gehen würde, würden wir nicht dieses sozialstaatliche Dilemma haben und diskutieren. Wer nachgewiesen krank und pflegebedürftig ist, soll auch unterstützt werden.

Christlich-gewerkschaftliche Alternativen:

  • Ausbau der Kurzzeitpflege
  • Stärkung ambulanter Dienste
  • Entlastung pflegender Angehöriger durch flexible Arbeitszeiten
  • Aufwertung der Pflegeberufe durch bessere Bezahlung

Die Zeit ist reif für einen Kurswechsel in der deutschen Sozialpolitik – mit christlicher Verantwortungsethik.

Christlicher Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) fordert: Praktisches Können muss die Leitwährung der Arbeitswelt werden

Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) begrüßt die bei Stellenbesetzungen wachsende Anerkennung von praktischen Kompetenzen gegenüber formalen Abschlüssen in der Arbeitswelt. Angesichts des Fachkräftemangels und des permanenten technologischen Fortschritts sieht der CGB darin einen entscheidenden Schritt zur Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland und zur Förderung von Chancengerechtigkeit.

„Wir müssen uns von der einseitigen Fixierung auf akademische Grade und den traditionellen Lebensläufen lösen“, erklärt der CGB – Bundesvorsitzende Henning Röders. „Praktisches Können, Erfahrung und die Fähigkeit zur Problemlösung sind oft wertvoller als reines theoretisches Wissen. Wir brauchen auf dem Arbeitsmarkt eine Kultur, die handwerkliches Geschick und innovative Denkweisen nicht nur respektiert, sondern auch verbindet und dann entsprechend vergütet.“, so Henning Röders weiter.

Der CGB fordert die Unternehmen auf, ihre Einstellungsprozesse zu überdenken und verstärkt auch auf kompetenzbasierte Einstellungskriterien zu setzen. Dies bedeutet in der Umsetzung, dass Bewerberinnen und Bewerber nicht nur nach ihren Zeugnissen, sondern auch nach ihren Fähigkeiten und ihrer Berufserfahrung beurteilt werden. Der CGB sieht hier eine Chance für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht den klassischen Bildungsweg eingeschlagen haben, aber über wertvolle, in der Praxis erworbene Kompetenzen verfügen.

Darüber hinaus appelliert der CGB an die Politik, die Rahmenbedingungen für die Anerkennung und den Erwerb von praktischen Fähigkeiten zu verbessern. Dazu gehören die stärkere Förderung dualer Ausbildungssysteme, die Stärkung der beruflichen Weiterbildung und die Schaffung transparenter Mechanismen zur Validierung von non-formal erworbenen Kompetenzen. „In einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt sind es die Menschen, die ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln und anpassen, die den Erfolg von Unternehmen und die Innovationskraft unseres Landes garantieren“, ergänzt der Generalsekretär des CGB Christian Hertzog. „Es ist an der Zeit, dass sich dieser Wandel auch in den Vergütungen und den Karriereaussichten widerspiegelt.“, so Hertzog weiter.

Der CGB wird sich nach wie vor dafür einsetzen, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Wertschätzung erhalten, die ihnen zusteht – gerade auch basierend auf ihrer tatsächlichen Leistung und ihrem praktisch erworbenen Können.

 

CGB: TEUERE WAHLGESCHENKE STATT RENTENREFORM

Zu den heutigen rentenpolitischen Beschlüssen des Bundeskabinetts erklärte für den Christlichen Gewerk­schaftsbund Deutschlands – CGB in einer ersten Stellungnahme der stellvertretende Bundesvorsitzende der CGB-CDA-Arbeitsgemeinschaft und Bremer CGB-Landesvorsitzende Peter Rudolph:

Das Bundeskabinett hat heute die Verlängerung der Haltelinie für das Rentenniveau von 48 Prozent des Durch­schnittseinkommens bis zum Jahre 2031 sowie die Ausweitung der Mütterrente auf vor 1992 geborene Kinder beschlossen. Sie hat damit Wahlversprechen von SPD und CSU erfüllt, die nach Meinung des CGB sozialpoli-tisch zu begrüßen sind, aber den Bundeshaushalt mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe belasten. Allein die Mütterrente schlägt mit jährlich rund 5 Mrd. Euro zu Buche und für die Stabilisierung des Rentenniveaus wird mit Kosten gerechnet, die von 4,1 Mrd. Euro im Jahre 2029 auf bis zu 11,2 Mrd. Euro im Jahre 2031 steigen werden. Die Aufwendungen für die Alterssicherung erreichen damit neue Rekorde, was sich auch in steigenden Rentenversicherungsbeiträgen niederschlagen wird. Die Deutsche Rentenversicherung rechnet für 2027 mit einer Anhebung des Beitragssatzes von 18,6 auf 18,8 Prozent und für 2028 von 18,8 auf 20 Prozent. Dabei wird angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Rentenbezieher stärker steigt als die der Beitragszahler schon jetzt über die mittel- und langfristige Finanzierbarkeit des Rentensystems gestritten. Grundlegende Reformen sind dennoch bislang ausgeblieben. Auch die Koalition von Union und SPD hat in ihrem Koalitionsvertrag offen­gelassen, wie sie die Rentenversicherung zukunftssicher machen will. Sie setzt auf die Arbeit einer Rentenkom­mission, die bis zur Mitte der Legislaturperiode Entscheidungsgrundlagen liefern soll. Angesichts der für 2029 angekündigten Evaluierung der Beitrags- und Bundeszuschussentwicklung warnt der CGB bereits jetzt vor einer politischen Stimmungsmache mit den Milliardenbeträgen, die der Bund zur Finanzierung der Rentenversiche­rung aufwendet. Beim Bundeszuschuss handelt es sich um keine Subventionierung der Rentenversicherung, sondern im Wesentlichen um pauschale Erstattungsleistungen für politisch veranlasste Aufwendungen. Der CGB ist sich mit vielen Experten einig, dass der Bundeszuschuss höher sein müsste, wenn der Rentenversicherung die erbrachten Fremdleistungen vollständig erstattet würden.

Der CGB fordert eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, die Altersarmut verhindert und eine nachhaltige Altersvorsorge gewährleistet. Es ist für ihn ein Unding, dass mittlerweile rd. 750.000 Rentne­rinnen und Rentner in Deutschland auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Eine Indexierung des Nachhaltigkeitsfaktors der Rentenformel, durch die die Renten zukünftig geringer steigen würden, wird daher vom CGB entschieden abgelehnt. Gleiches gilt für eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters, wie sie die Arbeitgeberverbände und ihnen nahestehende Politiker und Wirtschaftsinstitute immer wieder fordern. Ange­sichts der Tatsache, dass das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland bei 64,4 Jahren liegt und damit deutlich unter der aktuelle Regelaltersgrenze von 67 Jahren, käme jede Anhebung der Regelaltersgrenze einer Rentenkürzung durch die Hintertür gleich.

Als Vorbild für eine wirkliche Rentenreform empfiehlt sich ein Blick nach Österreich. Österreich hat auch ein umlagefinanziertes Rentensystem, bei dem aber auch die Selbständigen und Politiker beitragspflichtig sind. Der Rentenversicherungsbeitrag ist mit 22,8% höher als in Deutschland, wobei die Arbeitnehmer aber mit 10,25% weniger als die Hälfte tragen müssen. Das gesetzliche Renteneintrittsalter beträgt für Männer in Österreich 65 Jahre und wird für Frauen derzeit sukzessive auf 65 Jahre angehoben. Mit 80% ist das Rentenniveau in Österreich deutlich höher als Deutschland. Die Pension, wie die Rente in Österreich heißt, wird wie die meisten Gehälter zudem vierzehnmal im Jahr gezahlt und jährlich sozial gestaffelt in Anlehnung an die Inflationsentwicklung angehoben. Bei dem Vergleich ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Rente in Österreich voll versteuert werden muss, bei einem höheren Eingangssteuersatz als in Deutschland.

Azubis in der Krise – zwischen Hoffnung und Realität

Es beginnt mit einem Traum. Endlich raus aus der Schule, etwas Richtiges machen. Eine Ausbildung beginnen. Etwas lernen, was zählt. Eine Zukunft aufbauen. Viele junge Menschen gehen diesen Weg voller Zuversicht – doch oft prallt die Vorstellung auf eine Wirklichkeit, die mit Wertschätzung wenig zu tun hat.

Denn obwohl der Fachkräftemangel längst Realität ist, fehlt es vielen Ausbildungsbetrieben an Strukturen, um dem Nachwuchs gerecht zu werden. Häufig beginnt die Ausbildung mit Überforderung: Die ersten Wochen sind geprägt von Unsicherheit, knappen Einweisungen und Aufgaben, die in keinem Ausbildungsrahmenplan stehen. Wer Glück hat, findet eine feste Ansprechperson. Wer Pech hat, wird direkt in Arbeitsabläufe geworfen, als wäre er längst Teil der Stammbelegschaft – nur ohne Schutz, Wissen oder Stimme.

Die jungen Menschen berichten von psychischer Belastung, von überlangen Schichten, von Vorgesetzten, die keine Zeit haben – oder kein Interesse. Immer häufiger tauchen in Foren und Umfragen dieselben Schlagworte auf: „Alleingelassen“, „ausgebrannt“, „resigniert“. Besonders schwer wiegt: Viele Azubis wissen nicht, an wen sie sich wenden können, wenn etwas schiefläuft. Und selbst wenn sie es wissen, bleibt die Angst, als „kompliziert“ abgestempelt zu werden. Schließlich hängt von dieser Ausbildung viel ab: Der Lebensunterhalt, die berufliche Perspektive, das Selbstbild.

Gleichzeitig gibt es auch andere Beispiele. Betriebe, in denen Azubis willkommen sind, Feedback erhalten, echte Lernzeiten haben und in denen sie Fragen stellen dürfen – und gehört werden. Solche Betriebe investieren nicht nur in Fachkräfte, sondern in Vertrauen. Doch sie bleiben die Ausnahme.

Was fehlt, sind verlässliche Strukturen, die jungen Menschen Sicherheit geben. Nicht nur rechtlich, sondern emotional. Ausbildungsbeauftragte, die ernst nehmen. Beschwerdestellen, die unabhängig agieren. Netzwerke, in denen sich Azubis austauschen können. Und vor allem: Räume, in denen sie erleben, dass sie Rechte haben – und Menschen, die dafür einstehen.

Denn Ausbildung ist nicht nur ein Sprungbrett in den Beruf. Sie ist ein Prägemoment. Wer in dieser Zeit Selbstwirksamkeit erfährt, wird später eher für sich und andere eintreten. Wer hingegen Ohnmacht erlebt, verliert nicht nur Vertrauen – sondern manchmal auch den Mut, es noch einmal zu versuchen.

Die Ausbildung von morgen braucht einen Paradigmenwechsel: Weg von der reinen Wissensvermittlung, hin zu einer ganzheitlichen Entwicklungsbegleitung. Konkret bedeutet das verpflichtende Mentoring-Programme in jedem Ausbildungsbetrieb, digitale Lernplattformen, die individuelles Tempo ermöglichen, und regelmäßige Reflexionsgespräche auf Augenhöhe. Azubis müssen als vollwertige Teammitglieder behandelt werden – mit fairer Vergütung, respektvollen Arbeitszeiten und echten Mitbestimmungsrechten. Hier setzt die Arbeit der DHV, der Berufsgewerkschaft junger Menschen, an: Wir bieten nicht nur rechtliche Beratung bei Konflikten, sondern begleiten Auszubildende präventiv durch ihre Lehrzeit. Von der Vertragsverhandlung bis zur Übernahme stehen wir als verlässlicher Partner zur Seite – damit aus dem Traum einer guten Ausbildung endlich Realität wird. Denn junge Menschen verdienen mehr als nur einen Ausbildungsplatz: Sie verdienen eine Zukunft, in der ihre Stimme zählt.

Arbeiten mit Behinderung – zwischen Inklusion und Ignoranz

Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ist in Deutschland gesetzlich verankert. Es gibt Aktionspläne, Quotenregelungen, Förderprogramme. Und doch bleibt der Arbeitsmarkt ein Raum voller Barrieren – oft unsichtbar, aber tief wirksam.

Viele Unternehmen sehen sich selbst als inklusiv. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Inklusion endet häufig dort, wo es konkret wird. Bei der barrierefreien Toilette, die zwar eingeplant, aber nie gebaut wurde. Beim Bildschirmleseprogramm, das „demnächst“ beschafft werden soll. Oder beim Meeting, das ohne Gebärdensprachdolmetscher stattfindet – weil es „zu kurzfristig“ war.

Viel gravierender sind jedoch die mentalen Schranken. Menschen mit Behinderung werden oft entweder unterschätzt – oder romantisiert. Sie sollen besonders motiviert sein, besonders tapfer, besonders dankbar. Wer stattdessen einfach seine Arbeit machen will, erlebt schnell: Normalität ist nicht vorgesehen. Besonders problematisch wird es, wenn Beschäftigte auf gesetzlich garantierte Rechte pochen – etwa auf Nachteilsausgleiche oder Unterstützung durch eine Arbeitsassistenz. Dann kippt die Stimmung nicht selten ins Missverständnis oder gar in offene Ablehnung.

Dabei wäre die Lösung nicht schwer. Es braucht keinen herkulischen Kraftakt, um Arbeit inklusiv zu gestalten. Es reicht, zuzuhören, Prozesse anzupassen und Ressourcen bereitzustellen. Vor allem aber braucht es eine Haltung, die Vielfalt nicht als Ausnahme, sondern als Normalität begreift.

Viele Menschen mit Behinderung bringen nicht nur Fachwissen und Motivation mit – sie bringen auch eine besondere Perspektive mit. Sie sind geübt darin, kreativ zu denken, Hürden zu überwinden, Lösungen zu finden. Gerade in einer Arbeitswelt im Wandel sind das wertvolle Fähigkeiten. Aber sie können nur dann wirken, wenn die Strukturen stimmen – und wenn niemand das Gefühl haben muss, für seine Rechte kämpfen zu müssen.

Es braucht Ansprechpartner:innen im Betrieb, die unterstützen. Es braucht Netzwerke, die informieren. Und es braucht eine Kultur, in der Inklusion nicht „mitgedacht“, sondern gelebt wird. Denn eine Gesellschaft, die ihre Barrieren erkennt und abbaut, gewinnt mehr als nur Arbeitskraft – sie gewinnt Würde.

Der Weg zu echter Inklusion führt über verbindliche Standards und messbare Ziele: Jedes Unternehmen ab 20 Beschäftigten sollte verpflichtend einen geschulten Inklusionsbeauftragten haben, nicht nur auf dem Papier, sondern als aktiven Gestalter. Führungskräfte müssen für Sensibilisierungsschulungen gewonnen werden, die über Broschüren hinausgehen – durch echte Begegnungen und praxisnahe Workshops. Besonders wichtig ist der Schutz vor Mobbing und Diskriminierung: Hier braucht es unabhängige Beschwerdestellen und schnelle, wirksame Interventionen. Die DHV, als Berufsgewerkschaft für alle Beschäftigten, hat sich dem Kampf gegen Diskriminierung und für echte Inklusion verschrieben. Wir beraten nicht nur bei rechtlichen Fragen rund um Schwerbehinderung und Nachteilsausgleiche, sondern stehen auch zur Seite, wenn Mobbing oder strukturelle Benachteiligung das Arbeitsleben vergiften. Unser Ziel ist klar: Eine Arbeitswelt, in der Menschen nicht trotz, sondern mit ihrer Behinderung erfolgreich sind – und in der Vielfalt endlich als das erkannt wird, was sie ist: eine Bereicherung für alle.

Digitalisierung & Mitbestimmung – wenn der Algorithmus entscheidet

Digitalisierung verändert die Arbeitswelt tiefgreifend – und schneller, als viele es je erwartet hätten. KI-Anwendungen, smarte Arbeitszeiterfassung, automatische Lagerlogistik, virtuelle Meetings, Plattformarbeit – der Wandel ist längst da. Was als technische Innovation begann, ist längst ein kultureller Umbruch.

Für viele Beschäftigte bedeutet das: neue Abläufe, neue Tools, neue Unsicherheit. Denn häufig wird Technik eingeführt, ohne sie zu erklären. Systeme ersetzen Prozesse – und nehmen dabei Einfluss auf den Alltag der Menschen. Wer, wann und wie viel arbeitet, wird nicht mehr im Gespräch entschieden, sondern durch automatisierte Planungstools. Wer bewertet wird – und wie –, bleibt oft im Dunkeln. Und selbst Pausen sind in manchen Branchen heute Teil eines digitalen Taktplans.

Hinzu kommt: Wer die Technik versteht, gewinnt an Macht. Wer sie nicht versteht, verliert Mitspracherecht. Das erzeugt Spannungen – und ein neues Gefühl von Abhängigkeit. Statt Empowerment erleben viele Kontrolle.

Doch das muss nicht so sein. Digitalisierung ist kein Naturgesetz. Sie kann gestaltet werden. Vorausgesetzt, die Menschen, die mit ihr arbeiten, werden frühzeitig einbezogen. Das beginnt bei Schulungen und Transparenz, reicht über die Evaluation von Belastungen bis hin zur Mitgestaltung digitaler Tools.

Leider fehlt es vielerorts an solchen Strukturen. Betriebsräte werden spät oder gar nicht einbezogen, Fachabteilungen agieren isoliert, Datenschutz bleibt Grauzone. Dabei wäre gerade jetzt der Moment, gemeinsam zu gestalten: Welche Technologien helfen wirklich? Wo entlasten sie? Wo überwachen sie zu viel? Welche Daten sind nötig – und welche nicht?

Die zentrale Frage lautet: Wem dient die Digitalisierung – und wer entscheidet das? Technische Innovation kann menschlich sein. Sie kann Arbeit erleichtern, Zeit schenken, Räume öffnen. Aber nur, wenn auch die Beschäftigten mitgestalten. Denn digitale Systeme sind nicht neutral – sie spiegeln Interessen, Ziele und Machtverhältnisse.

Deshalb braucht es mehr als Technikkompetenz. Es braucht Strukturen, die Mitsprache ermöglichen. Netzwerke, die Wissen teilen. Und Haltung, die nicht auf Effizienz allein setzt, sondern auf Respekt und Teilhabe. Denn nicht der Algorithmus entscheidet über die Zukunft der Arbeit – sondern wir.

Die digitale Arbeitswelt von morgen braucht ein neues Beteiligungsverständnis: Algorithmus-Audits müssen zur Pflicht werden – durchgeführt von unabhängigen Expert:innen und Beschäftigtenvertretungen gemeinsam. Jede KI-gestützte Personalentscheidung, jedes Überwachungstool, jede automatisierte Bewertung sollte transparent dokumentiert und regelmäßig überprüft werden. Gleichzeitig brauchen Beschäftigte ein „Recht auf Erklärung“ – niemand darf von Systemen bewertet werden, die er nicht verstehen kann. Hier setzt die Beratungsarbeit der DHV als moderne Berufsgewerkschaft an: Wir unterstützen nicht nur bei klassischen Arbeitsrechtsfragen, sondern begleiten Beschäftigte auch durch die digitale Transformation. Von der Bewertung neuer Software bis zur Durchsetzung von Datenschutzrechten, von Weiterbildungsansprüchen bis zum Schutz vor algorithmischer Diskriminierung. Unser Ziel ist eine Digitalisierung mit menschlichem Antlitz – eine, bei der Technologie den Menschen dient, nicht umgekehrt. Denn die Zukunft der Arbeit ist nicht vorbestimmt: Sie wird jeden Tag neu verhandelt.

Zwischen Verantwortung und Realität: Sozialstaat stärken, Arbeit belohnen, Ungleichheit beenden

Duisburg, 29. Juli 2025 – Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, warnt vor der Überforderung des Sozialstaates und fordert eine umfassende Neuausrichtung. Seine Mahnung: Man könne sich nicht mehr „alles leisten“. Doch während die Arbeitgeberseite auf Kürzungen und Abgabenbremsen drängt, meldet sich die Gewerkschaft DHV – Die Berufsgewerkschaft mit einer klaren Botschaft: Ja, der Sozialstaat muss zukunftsfähig gemacht werden – aber nicht durch einseitige Belastung der Beschäftigten, sondern durch Mut zu echter Gerechtigkeit und Effizienz.

Sozialstaat ja – aber solidarisch, leistungsfreundlich und modern

Die DHV betont: Der Sozialstaat ist kein Auslaufmodell, sondern Grundpfeiler eines demokratischen Gemeinwesens. Doch er muss klug weiterentwickelt werden – und das bedeutet: Leistung muss sich wieder mehr lohnen. Wer arbeitet, wer ausbildet, wer pflegt, fährt oder organisiert, darf nicht schlechtergestellt sein als derjenige, der dem System dauerhaft fernbleibt. Statt pauschaler Sparappelle braucht es deshalb gezielte Reformen, die Fehlanreize abbauen und Arbeit attraktiv halten.

Bürokratie abbauen, Leistungen gezielt steuern

Ein großes Problem ist dabei die überbordende Bürokratie in den Sozialversicherungen. Jahr für Jahr gehen Milliarden in Verwaltungsprozesse, die weder den Beschäftigten helfen noch Vertrauen schaffen. Die DHV fordert einen konsequenten Bürokratieabbau – durch Digitalisierung, klare Schnittstellen, weniger Doppelstrukturen und einen stärkeren Fokus auf direkte Hilfe statt auf Verwaltung. Moderne Technologien wie KI dürfen kein Selbstzweck sein, sondern müssen spürbare Entlastungen für die Menschen bringen – im Jobcenter wie in der Renten- oder Pflegeversicherung.

Rentengerechtigkeit statt Sonderrechte

Ein besonders drängender Punkt ist die Ungleichbehandlung im Rentensystem. Es ist nicht mehr vermittelbar, dass Beamte und Selbstständige von Sonderregeln profitieren, während Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jahrzehntelang Beiträge zahlen – und dennoch in der gesetzlichen Rente mit deutlich weniger auskommen müssen. Die DHV fordert: Schluss mit der Zweiklassengesellschaft im Alter! Eine einheitliche Erwerbstätigenversicherung, in die alle fair einzahlen – auch Abgeordnete, Beamte und Selbstständige – ist überfällig. Nur so kann langfristige Stabilität bei gleichzeitigem Gerechtigkeitsempfinden erreicht werden.

Bürgergeld im Fokus – aber mit Augenmaß

Die angekündigte Bürgergeldreform muss klug umgesetzt werden: Nicht durch Pauschalkürzungen oder Stigmatisierung, sondern durch ein System, das motiviert, qualifiziert und unterstützt. Dabei gilt: Wer arbeiten kann, soll arbeiten – und wer arbeitet, muss auch mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Aber: Hilfe zur Teilhabe darf nie mit Straflogik verwechselt werden. Die Gewerkschaft spricht sich daher für aktivierende Sozialpolitik mit klaren Spielregeln aus – und gegen populistische Debatten, die den sozialen Frieden gefährden.

Fazit: Für einen Sozialstaat mit Rückgrat

Die DHV steht für einen Sozialstaat, der nicht bloß verwaltet, sondern stärkt. Einen Staat, der soziale Sicherheit garantiert, Arbeit belohnt, Ungleichheit abbaut und Zukunft investiv gestaltet. Dafür braucht es:

  • Bürokratieabbau und Digitalisierung mit Fokus auf Menschen
  • Rentenreformen, die Sonderrechte beenden
  • Sozialabgaben, die leistbar bleiben, ohne soziale Härte zu erzeugen
  • Stärkere Anreize für Erwerbsarbeit, statt bloß Kontrolle
  • Ein klares Ja zu Solidarität – aber auch ein klares Nein zu struktureller Ungerechtigkeit

So gelingt ein Sozialstaat, der nicht kippt, sondern trägt. Für alle – nicht nur für einige.

 

 

 

Christlicher Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) fordert Stärkung der Tarifautonomie zur Bekämpfung von Mindestlohn-Beschäftigung

Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) ist besorgt über die anhaltend hohe Zahl der Beschäftigten in Deutschland, die zu Mindestlohnbedingungen arbeiten. Aktuelle Schätzungen zeigen, dass auch mit der geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro bis zu 6,6 Millionen Beschäftigungsverhältnisse davon betroffen sein werden. Dies unterstreicht aus Sicht des CGB die Notwendigkeit, über den gesetzlichen Mindestlohn hinaus – auch unter dem Gesichtspunkt der Altersarmut – wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen in Deutschland zu schaffen.

„Es ist nicht akzeptabel, dass in einem wirtschaftlich so starken Land wie Deutschland Millionen von Menschen am unteren Ende der Lohnskala verharren“, erklärt der CGB Bundesvorsitzende Henning Röders. „Der Mindestlohn ist eine wichtige soziale Errungenschaft, die eine absolute Untergrenze sichert. Er darf aber nicht zum faktischen Standardlohn für weite Teile der Beschäftigten werden.“, ergänzt der Generalsekretär des CGB Christian Hertzog.

Der CGB sieht einen wesentlichen Teil des Problems in einer schleichenden Erosion der Tarifbindung und fordert daher eine konsequente Stärkung der Tarifautonomie. „Tarifverträge bieten in der Regel deutlich bessere Löhne, faire Arbeitsbedingungen und mehr Planungssicherheit für die Beschäftigten als der gesetzliche Mindestlohn“, erklärt Henning Röders „Die Tarifautonomie ist das Herzstück unserer Sozialpartnerschaft in Deutschland und der beste Weg, um gerechte und auskömmliche Löhne zu sichern.“, so der CGB Bundesvorsitzende weiter.

Der CGB appelliert daher an die Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz, umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um die Tarifbindung in Deutschland signifikant zu erhöhen. Dazu gehören aus Sicht des CGB neben einer signifikanten Erleichterung und damit der Förderung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und der Stärkung der Rahmenbedingungen von Tarifverhandlungen vor allem die politische Akzeptanz der Tarif- und Gewerkschaftspluralität.

 

„Im Ergebnis hat gerade die Konzentration auf wenige, dafür aber größere Gewerkschaften, dazu geführt, dass die Tariflandschaft nicht mehr so engmaschig ist, wie noch vor 20 Jahren. Die Anerkennung, dass mehrere, dafür aber mit enger Zuständigkeit versehener Gewerkschaften Bereiche abdecken, die andere nicht mehr betreuen können, führt zu mehr Tarifautonomie. Wir als CGB sind überzeugt, dass eine starke Tarifautonomie der Schlüssel ist, um die Zahl der Mindestlohn-Beschäftigten nachhaltig zu reduzieren und eine gerechtere Verteilung des Wohlstands zu gewährleisten“ erklärt der Bundesvorsitzende des CGB abschließend.

 

473 Millionen Arbeitsstunden auf Kurzzeitkonten – CGB fordert verpflichtenden Insolvenzschutz

Kurzzeit-Arbeitszeitkonten sind seit langem unverzichtbarer Bestandteil flexibler Arbeitszeitmodelle. Ihre quantitative Bedeutung hat nun erstmalig das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – IAB mit repräsentativen gesamtwirtschaftlichen Daten nachgewiesen. Danach waren 473 Millionen Stunden im vierten Quartal auf Kurzzeitkonten verbucht, rund 150 Millionen Stunden mehr als zehn Jahre zuvor. Dies entspricht nach Schätzung des IAB einer Nettolohnsumme von 9,45 Milliarden Euro, die Beschäftigte ihren Unternehmen als Kredit zur Verfügung stellen. Im Gegensatz zur Langzeitarbeitskonten, auf denen Zeitguthaben über Jahre angespart werden können, besteht bei Kurzzeit-Arbeitskonten keine gesetzliche Pflicht für Unternehmen, ihre Beschäftigten vor einem Verlust ihres Zeitguthabens bei einer Unternehmensinsolvenz abzusichern. Daher fordert der CGB auch für Kurzzeit-Arbeitskonten eine solche gesetzliche Pflicht zur Insolvenzabsicherung.

CGB-Sprecher Peter Rudolph: Kurzzeitarbeitskonten bieten prinzipiell Arbeitgebern wie Arbeitneh­mern viele Vorteile. Arbeitszeiten können ohne großen Verwaltungsaufwand flexibel gestaltet wer­den. Betriebe können so leichter auf schwankenden Arbeitskräftebedarf reagieren und Beschäf­tigte erhalten die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit unkompliziert individuellen Bedürfnissen anpassen zu können. Die Risiken dieses Modells flexibler Arbeitszeitgestaltungen dürfen jedoch nicht einsei­tig den Arbeitnehmern überlassen bleiben. Deshalb ist es nach Auffassung der christlichen Ge­werkschaften geboten, dass das Risiko der Beschäftigten, ihr angespartes Zeitguthaben bei einer Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers zu verlieren, durch einen verpflichtenden Insolvenzschutz abgedeckt wird.

Damit Kurzzeit-Arbeitszeitkonten nicht nur von Vorteil für die Unternehmen sind, ist es für den CGB darüber hinaus wichtig, dass für die Entkoppelung von Betriebszeit und individueller Arbeitszeit klare Regelungen unter Einbeziehung der Beschäftigten geschaffen werden. Dies gelingt am besten in Betrieben und Verwaltungen, die über einen Betriebs- bzw. Personalrat verfügen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Betriebe und Verwaltungen mit Betriebs- bzw. Personalrat bereits zu 70 Prozent mit Kurzzeit-Arbeitszeitkonten arbeiten, Betriebe und Verwaltungen ohne betriebliche Interessenvertretung hingegen nur zu 39 Prozent. Die Tarifbindung ist von ähnlicher Bedeutung, insbesondere dann, wenn die Verträge Vorgaben zur Gestaltung und Steuerung von Arbeitszeitkonten enthalten. Gesetzliche Vorgaben bestehen hingegen nur im Betriebsverfassungs- sowie im Arbeitszeitgesetz. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt die Einführung und Gestaltung von Arbeitszeitkonten der betrieblichen Mitbestimmung. Und das Arbeitszeitgesetz stellt sicher, dass auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen die Höchstarbeitszeitgrenze sowie vorgeschriebene Pausen- und Ruhezeiten eingehalten werden müssen.

DAS GIBT ES AUCH: EINZELHÄNDLER GEGEN SONNTAGSÖFFNUNG

Die Aushöhlung der Ladenschlussgesetze durch Ausnahmeregelungen vom Sonntagsverkaufsver­bot wird von der DHV seit Jahren regelmäßig angeprangert. Dass auch einmal der Einzelhandel selbst gegen die Möglichkeit zur Sonntagsöffnung protestiert, wie kürzlich in Bremerhaven, ist hin­gegen selten. Anlass für das Aufbegehren innerstädtischer Bremerhavener Einzelhändler ist die für den 17.August vorgesehene Sonntagsöffnung anlässlich der vom 3.–17.August stattfindenden SAIL Bremerhaven, einem der größten Windjammertreffen Europas. Zwar ist die SAIL ein Publi­kumsmagnet, das als maritimes Großereignis mit mehr als einer Million Besucher rechnen kann, jedoch nicht unbedingt in der Bremerhavener Innenstadt. Die innerstädti­schen Einzelhändler hät­ten daher gerne an der üblichen umsatzstarken Sonntagsöffnung im Okto­ber festgehalten. Dies wurde ihnen jedoch verwehrt, weil in Bremerhaven mit Ausnahme festgeleg­ter touristischer Berei­che nur vier Sonntagsöffnungen im Jahr zulässig sind und die Stadt für die SAIL keine zusätzliche Sonntagsöffnung für erforderlich hielt.

Die Sorge vieler Bremerhavener Einzelhändler vor den Kosten einer zwangsverordneten Sonn­tagsöffnung, der keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen, ist für die DHV verständlich. Auch in der Stadtgemeinde Bremen werden jährlich für lokale Kleinstereignisse Ausnahmeregelun­gen für Sonntagsöffnungen erlassen, nur weil sich der Bremer Senat bereits im Jahre 2008 mit ei­nigen Institutionen auf eine alljährlich weitgehend gleichbleibende Zahl von Sonntagsöffnungen verständigt hat, für die zum Teil krampfhaft neue regionale Anlässe gesucht werden müssen, mit de­nen sich die Ausnahmeregelungen begründen lassen. Das Aufbegehren Bremer Einzelhändler hält sich allerdings in Grenzen. Wie sie den Bedarf an Ladenöffnungszeiten einschätzen, haben sie allerdings bereits die Bremer City deutlich gemacht, in der die Mehrzahl der Geschäfte werk­tags lediglich zwischen 10 und 19 Uhr geöffnet hat und damit kürzer als bereits nach dem Bun­desladenschlussgesetz mög­lich.