“Ver.di’s Verhandlungsdebakel im Handel – Eine kritische Bestandsaufnahme”

Die jüngsten Verhandlungsergebnisse  von ver.di für den Einzel- sowie Groß- und Außenhandel lässt viele Beschäftigte ratlos zurück. Was als Durchbruch verkauft wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als mageres Zugeständnis, das an den realen Problemen der Branche vorbeigeht. Man sieht hier, wohin ein gewerkschaftliches Tarifmonopol führt.

Nehmen wir Petra S.*, langjährige Kassiererin bei einer großen Supermarktkette. “Mit der Lohnerhöhung kann ich mir gerade mal einen Kaffee mehr pro Woche leisten”, sagt sie kopfschüttelnd. “Von wegen Inflationsausgleich – das ist ein schlechter Witz.”

Ähnlich sieht es Markus K.*, Lagerist bei einem Großhändler. Er hatte auf Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und auf eine wesentlich höhere Lohnerhöhung gehofft. Stattdessen heißt es weiter: Überstunden schieben bei dünner Personaldecke. “Ver.di hat uns echt hängen lassen”, meint er enttäuscht.

Diese Einzelschicksale werfen ein Schlaglicht auf die größere Frage: Hat ver.di noch die Schlagkraft, um die Interessen der Beschäftigten wirksam zu vertreten? Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Der Handel muss sich mal wieder einmal dank der Einheitsgewerkschaft mit Brosamen begnügen.

Besonders bitter: Die Mobilisierungskraft von ver.di scheint zu schwinden. Groß angekündigte Warnstreiks verpufften weitgehend wirkungslos. In einer Großstadt wie Köln beteiligten sich gerade mal knapp über 200 Mitarbeiter aus dem Handel – ein Armutszeugnis für eine Millionenmetropole und für die zweitgrößte Gewerkschaft im DGB. Vielleicht sollte sich die Einheitsgewerkschaft lieber auf ihr Kerngeschäft im öffentlichen Dienst zurückziehen. Hier sind sie ohne Frage sehr gut organisiert, in allen anderen Bereichen müsste man ein großes Fragezeichen setzen, wenn man die Tarifergebnisse als Grundlage nimmt.

Die Handelsbranche steht vor gewaltigen Herausforderungen wie Digitalisierung, Automatisierung der Verkaufsprozesse, Personalabbau und wachsender Konkurrenzdruck. Damit die Beschäftigten nicht im Hinblick auf die Arbeits- und Gehaltsbedingungen ins Hintertreffen geraten, ist es eine Rückbesinnung auf gewerkschaftliche Kernwerte wie Solidarität, Kampfbereitschaft und eine klare Kante gegenüber den Arbeitgebern notwendig. „Back to the roots“ – so sagt man im Neudeutschen. Ver.di hat es in dem über ein Jahr dauernden Tarifkonflikt im Handel nicht geschafft, dieser Herausforderung gerecht zu werden.  Die Gewerkschaft hat es versäumt, die realen Nöte der Basis in handfeste Forderungen und gute Abschlüsse zu übersetzen. Stattdessen wirkt sie angesichts der dürftigen Verhandlungsergebnisse wie ein zahnloser Tiger, der vor den Arbeitgebern einknickt.

*Namen für den Artikel geändert

Harm Marten Wellmann

MINISTERRAT VERSTÄNDIGT SICH AUF NOVELLIERUNG DER EUROPÄISCHEN BETRIEBSRÄTE-RICHTLINIE

CGB-Landesverband Bremen begrüßt Gesetzesvorhaben

Der Rat der europäischen Arbeitsministerinnen und -minister hat sich am 20.Juni zustimmend zur geplanten Novellierung der Europäischen Betriebsräte-Richtlinie geäußert und auf eine gemeinsame Verhandlungspositi­onen mit dem Europa-Parlament verständigt. Damit steht zu erwarten, dass europäische Betriebsräte in abseh­barer Zeit mehr Rechte erhalten und leichter errichtet werden können. Der CGB begrüßt die Einigung. Er ver­weist darauf, dass die christlichen Gewerkschaften angesichts der zunehmenden Globalisierung und Wirt­schaftsverflechtungen schon seit längerem auf eine Erweiterung der Rechte der europäi­schen Betriebsräte und eine Verpflichtung der Unternehmensleitungen zu mehr Konsultationen der Betriebsräte drängen.

Europäische Betriebsräte haben bislang bis auf den Namen wenig gemeinsam mit deutschen Betriebsräten. Es handelt sich vielmehr um Gremien zur länderübergreifenden Anhörung und Unterrichtung der Arbeitnehmer von Unternehmen oder Unternehmensteilen, die in mehreren Mitgliedsstaaten der EU tätig sind. Nach der gel­tenden Europäischen Betriebsräte-Richtlinie können Euro-Betriebsräte, wie sie im allgemeinen Sprachge­brauch genannt werden, in Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten gebildet werden, von denen je­weils mindestens 150 in wenigstens zwei Mitgliedsstaaten beschäf­tigt sein müssen. Derzeit gibt es in der ge­samten EU erst gut 1000 dieser Gremien. Jedes Jahr kom­men etwa 20 hinzu. Die Bildung erfolgt entsprechend nationalem Recht. Der CGB geht davon aus, dass es noch wenigstens 1000 weitere Unternehmen gibt, die die Voraussetzungen für die Errich­tung eines Europäischen Betriebsrat erfüllen.

Die geltende Europäische Betriebsrats-Richtlinie wurde am 22.09.1994 beschlossen und am 12.04.1996 mit dem Europäischen Betriebsräte-Gesetz (EBGR) in deutsches Recht umge­setzt. Am 2.Februar letzten Jahres hat das Europa-Parlament eine Resolution verabschiedet, mit der die Europäische Kommission zur Einleitung ei­nes Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung der Europäischen Betriebsräte-Richtlinie aufgefordert wurde. Die Kommission ist dem am 11.April mit der Einleitung der ersten Phase der Konsultation der Sozialpartner nach­gekommen. Zu den mehr als 80 Organisationen der Sozialpart­ner, die gemäß Artikel 154 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu beteiligen sind, gehört auch der Europäische Verband Unab­hängiger Gewerkschaften (CESI), bei dem auch der CGB als Spitzenverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands Mitglied ist.

Sobald sich das neu gewählte Europa-Parlament konstituiert hat und eine neue EU-Kommission im Amt ist, werden die Verhandlungen zwischen Ministerrat, Kommission und Europa-Parlament über die endgültige Neu­fassung der Europäischen Betriebsrats-Richtlinie beginnen. Nach Beschlussfassung der Novelle haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die neue Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

 

Tarifeinigung Einzelhandel Bayern: Wirklich wie Dominosteine!

Nun auch eine Einigung der Tarife im Einzelhandel von Bayern nach über einem Jahr Verhandlungen.

Am Dienstag schlossen die Einheitsgewerkschaft verdi und der Arbeitgeberverband HBE nach einem Jahr Tarifverhandlungen und Streikaktionen im bayerischen Einzelhandel einen neuen Tarifvertrag ab. Der Pilotabschluss aus Hamburg, der bereits im Mai getätigt wurde, ist dabei auch Grundlage dieses Abschlusses für circa 320.000 Beschäftigte im bayrischen Freistaat.

Nach fünf Nullmonaten werden die Löhne gemäß der Übereinkunft von verdi und dem Handelsverband Bayern (HBE) rückwirkend ab Oktober 2023 um 5,3 % und ab Mai 2024 um weitere 4,7 % gesteigert. Sie steigen im dritten Tarifjahr um 1,8 % und erhalten einen Festbetrag von 40€. Die Arbeitnehmer bekommen außerdem eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000 Euro netto. Der Tarif für die Altersvorsorge steigt von 300 auf 420 Euro pro Jahr. Bis April 2026 läuft der Tarifvertrag für 36 Monate.

Wir können auch hier nur wiederholen: Schade um die verlorenen drei Jahre für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Handel!

“Gewerkschaften und American Football-Teams: Eine unerwartete Parallele”

In der Welt des Sports und der Arbeitnehmerorganisationen mag es auf den ersten Blick nicht viele offensichtliche Verbindungen geben. Doch bei genauerem Hinsehen lassen sich überraschende Parallelen zwischen Gewerkschaften und American Football-Teams erkennen. Sowohl Gewerkschaften als auch Football-Teams sind auf Teamwork, Strategie und die Verfolgung gemeinsamer Ziele ausgerichtet. Lassen Sie uns tiefer in diese unerwartete Verbindung eintauchen.

  1. Teamwork und Solidarität: Sowohl in einem Gewerkschaftsverband als auch in einem Football-Team ist Teamwork von entscheidender Bedeutung. In einer Gewerkschaft arbeiten die Mitglieder zusammen, um gemeinsame Ziele wie bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und verbesserte Leistungen zu erreichen. Ähnlich verlassen sich in einem Football-Team die Spieler darauf, dass ihre Teamkollegen ihre zugewiesenen Aufgaben erfüllen, um den Sieg zu erringen. Beide Organisationen fördern ein Gefühl der Solidarität und Zusammenarbeit.
  2. Strategische Planung: Sowohl Gewerkschaften als auch Football-Teams entwickeln strategische Pläne, um ihre Ziele zu erreichen. Gewerkschaften planen Verhandlungen mit Arbeitgebern, organisieren Streiks und setzen politische Lobbyarbeit ein, um die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Auf ähnliche Weise entwickeln Football-Teams Spielstrategien, analysieren ihre Gegner und passen ihre Taktik an, um Spiele zu gewinnen. In beiden Fällen ist eine durchdachte Planung und Ausführung entscheidend für den Erfolg.
  3. Führung und Zusammenhalt: Sowohl Gewerkschaften als auch Football-Teams benötigen gute und vertrauensvolle Führung, um effektiv zu sein. Gewerkschaften haben Führungskräfte, die die Mitglieder vertreten und sie durch Verhandlungen und Aktionen führen, welche natürlich von den Mitgliedern beschlossen wurden. Auf dem Football-Feld führen Trainer ihre Teams, indem sie Spielstrategien entwickeln, Spieler motivieren und taktische Anpassungen vornehmen. In beiden Fällen ist eine gute und vertrauensvolle Führung entscheidend, um den Zusammenhalt der Gruppe aufrechtzuerhalten und Hindernisse zu überwinden.
  4. Gemeinsame Ziele und Erfolge: Sowohl Gewerkschaften als auch Football-Teams arbeiten auf gemeinsame Ziele hin und feiern gemeinsame Erfolge. Gewerkschaften können durch Tarifverträge bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder sichern, während Football-Teams durch Siege und Meisterschaften Erfolge feiern. In beiden Fällen stärken gemeinsame Ziele und Erfolge den Zusammenhalt der Gruppe und motivieren die Mitglieder, weiterhin ihr Bestes zu geben.

Insgesamt zeigen diese Parallelen, dass Gewerkschaften und American Football-Teams mehr gemeinsam haben, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Sowohl Gewerkschaften als auch Football-Teams sind auf Teamwork, strategische Planung, gute und vertrauensvolle Führung und das Streben nach gemeinsamen Zielen ausgerichtet. Indem wir diese Verbindungen erkennen, können wir ein tieferes Verständnis für die Bedeutung von Zusammenarbeit und Organisation in verschiedenen Bereichen des Lebens gewinnen. Der individuelle Einsatz für ein gemeinsames Ziel wird uns so sichtbarer gemacht!  Eine Gewerkschaft wie ein Football Team kann so von den individuellen Stärken des einzelnen Mitglieds profitieren, diese nutzen und es ist aber klar, dass nur in der gemeinsamen Anstrengung und Einsatz aller das Ziel erreicht werden kann.  In diesem Sinne, „Down! Set! Hut!“    

Harm Marten Wellmann

CGB unterstützt Forderung des Bundesrechnungshofs nach Mehrwertsteuerreform

Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht vom 24.05.2024 nach § 88 Absatz 2 BHO Maßnahmen des Bundesministeriums der Finanzen zur Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes – BMF beteiligt den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages nicht an der politischen Bewertung der Reform“ scharfe Kritik am Bundesfinanzministerium geübt und eine Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes als lange überfällig bezeichnet.

Der CGB teilt die Kritik des Rechnungshofs am Durcheinander bei der Mehrwertsteuer, die keine Systematik bei der Festlegung der Mehrwertsteuersätze erkennen lässt. Er hat bereits auf seinem Bundeskongress am 1. und 2.12.2023 in Berlin auf Antrag des Landesverbandes Bremen den Bundesgesetzgeber aufgefordert, das Mehrwertsteuergesetz grundlegend zu reformieren und die Möglichkeiten der EU-Mehrwertsteuerrichtline für gänzliche Steuerbefreiungen oder die Anwendung ermäßigter Steuersätze gezielt zur Beschäftigungsförderung und finanziellen Entlastung insbesondere Einkommensschwacher zu nutzen.

Die Grundlagen für die Mehrwertsteuer in den EU-Staaten sind in der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegt. Die Richtline gibt vor, dass der allgemeine Mehrwertsteuersatz mindestens 15 Prozent und ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz mindestens 5 Prozent betragen muss. Für welche Produktgruppen und Dienstleistungen ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von den Mitgliedsstaaten festgelegt werden darf, ist im Anhang III der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie detailliert aufgeführt. Die Richtlinie gibt auch vor, in welchen Bereichen gänzliche Mehrwertsteuerbefreiungen möglich sind. Seit der jüngsten Änderung der Richtlinie gilt dies auch für Lebensmittel.

Mit dem Mehrwertsteuergesetz wurde die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Das Mehrwertsteuergesetz sieht einen Normalsteuersatz von 19 Prozent und einen ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent vor. In Bezug auf die Möglichkeiten zur Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes wurde der Rahmen der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie nicht ausgeschöpft. Die Zuordnung von Produktgruppen und Dienstleistungen zum Anwendungsbereich des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist darüber hinaus vielfach unlogisch und widersprüchlich. So gilt für Genussmittel wie Kaffee und Tee der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent, während gesunde Getränke wie Mineral- und Heilwasser mit 19 Prozent besteuert sind. Und während für Babynahrung 19 Prozent Mehrwertsteuer zu entrichten ist, sind es bei Tiernahrung nur 7 Prozent. Auch gesundheitliche Einschränkungen werden im Mehrwertsteuergesetz nicht gleichbehandelt. Schlecht hören können ist billiger als schlecht sehen können, denn der Kauf einer Brille schlägt mit 19 Prozent Mehrwertsteuer zu Buche, der Kauf eines Hörgerätes nur mit 7 Prozent. Es stellt sich auch die Frage, warum gesundheitsbewusste Ernährung nicht durch einen Verzicht auf die Erhebung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse gefördert wird, wie dies nunmehr möglich und 68 Prozent der Deutschen wie auch der Bundeslandwirtschaftsminister befürworten.

Tarifeinigung Einzelhandel NRW: Wie Dominosteine!

Eine plötzlich schnelle Einigung der Tarife im Einzelhandel von NRW nach einem Jahr Verhandlungen.

Mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zeichnen zwei große Tarifregionen den Anfang Mai in Hamburg erzielten Abschluss nach, was die Hängepartie im Tarifstreit im deutschen Einzelhandel bald beendet. Irritationen hatte Rheinland-Pfalz zuvor verursacht. In Rheinland-Pfalz hat die Arbeitgeberseite einen Rückzieher gemacht, obwohl die Tarifeinigung im rheinland-pfälzischen Einzelhandel bereits beschlossen worden war. Die Gewerkschaft droht jetzt mit Streik.

Die Löhne und Gehälter in NRW werden analog zum Tarifergebnis in Hamburg ab dem 1. Oktober 2023 um 5,3 Prozent rückwirkend erhöht. Am 1. Mai 2024 werden es noch 4,7 Prozent mehr sein. Zum 1. Mai 2025 steigen die Gebühren im dritten Tarifjahr zunächst um einen festgelegten Betrag von 40 Euro und dann um zusätzliche 1,8 %. Nach Angaben der Arbeitgeber liegt die Gesamtentwicklung bei einer Laufzeit von 36 Monaten bei 13,67 Prozent, wobei doch die Forderung von verdi bei 13% für 12 Monate lag. Die Arbeitnehmer erhalten außerdem eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1000 Euro, wenn sie in Vollzeit arbeiteten. Dies gilt anteilig für Teilzeitbeschäftigte. Die Auszubildenden erhalten 500 Euro. Darüber hinaus wird der Betrag für tarifliche Altersvorsorge laut den Informationen von 300 Euro pro Jahr auf 420 Euro erhöht. Gemäß verdi NRW werden den Mitarbeitern ab dem 1. Januar 2025 zusätzliche 120 Euro gezahlt. Für den Tarifvertrag gelten 36 Monate als Laufzeit.

Auch hier, genau wie in Hamburg, klafft das Delta zwischen Tarifergebnis und Forderung als eine große Lücke, welche die Gewerkschaft verdi ihren Mitgliedern und den Arbeitnehmern erklären muss. (Nur am Rande: Die DHV ist keine Ausrede mehr!) Es scheint, als wirke die tarifliche Monopolstellung sich nicht auf das Tarifergebnis oder die Verhandlungskünste aus. Zudem hat sich verdi so eine 36-monatige Streikpause im Handel erkauft. Denn streiken ist teuer, so munkelt man.

Nicht alle Beschäftigten im Handel in NRW sind von dem neuen Tarif betroffen. In Nordrhein-Westfalen arbeiten über 700.000 Menschen im Einzelhandel. In der Branche ist die Tarifbindung jedoch nicht sehr stark und eher sinkend. Nach Ansicht der Arbeitgeber gilt der Abschluss für über die Hälfte der Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberseite betonte daher, dass der Tarifvertrag für zahlreiche Unternehmen, die sich daran orientieren, eine bedeutende Leitlinie darstellt. Der Anteil der Arbeitnehmer, die Mitglied der tarifvertragschließenden Gewerkschaft verdi und damit tarifgebunden sind, dürfte dagegen weit unter 10 Prozent liegen! Viele Unternehmen lehnen sich an den Tarifvertrag an.  Der Handelsverband Nordrhein-Westfalen schätzt, dass viele der tarifgebundenen Unternehmen einer Verbandsempfehlung gefolgt sind und bereits die erste Stufe von 5,3 Prozent gezahlt haben. Zudem wirft die Verhandlungsfolge und in diesem Falle die Nachzeichnungen des Tarifergebnisses aus Hamburg die Frage auf, ob nicht gleich bundesweit verhandelt werden sollte. Denn in Rheinland-Pfalz hatte man für die Arbeitnehmer bereits ein besseres Ergebnis, welches dann wieder revidiert wurde. Wir können auch hier nur wiederholen: Schade um die verlorenen drei Jahre für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Handel!

Direktionsrecht von Arbeitgebern beim Tragen von Arbeitskleidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat am 9. Februar 2023 im Fall mit dem Aktenzeichen 1 CA 1749/23 ein bedeutsames Urteil zum Direktionsrecht des Arbeitgebers und der Kleiderordnung am Arbeitsplatz gefällt. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, ob ein Arbeitgeber berechtigt ist, seinen Mitarbeitern das Tragen einer bestimmten Arbeitskleidung – in diesem Fall einer roten Arbeitshose – vorzuschreiben.

Der Fall betraf einen Mitarbeiter eines großen Logistikunternehmens, der sich weigerte, die vom Arbeitgeber vorgeschriebene rote Arbeitshose zu tragen. Der Arbeitgeber argumentierte, dass die einheitliche Arbeitskleidung zur Sicherheit und besseren Sichtbarkeit der Mitarbeiter im Lager beitrage und somit im Interesse des Unternehmens liege. Der Mitarbeiter hingegen sah in der Vorschrift eine unzumutbare Einschränkung seiner Persönlichkeitsrechte und seiner individuellen Freiheit.

Das Gericht entschied zugunsten des Arbeitgebers und bestätigte dessen Direktionsrecht, das die Anweisungsbefugnis des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitsleistung und des Verhaltens der Mitarbeiter am Arbeitsplatz umfasst. Das LAG Düsseldorf argumentierte, dass die Anordnung, eine rote Arbeitshose zu tragen, im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts liege, da sie sachlich gerechtfertigt sei und legitime betriebliche Interessen verfolge. Die Sicherheitsaspekte und die einheitliche Erscheinung im Lager wurden als ausreichende Gründe anerkannt.

Das Urteil betont jedoch auch die Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeit und der Berücksichtigung der Interessen der Mitarbeiter. Das Gericht stellte klar, dass die Anweisung zur Arbeitskleidung nur dann rechtmäßig sei, wenn sie angemessen und zumutbar ist. In diesem Fall sah das Gericht diese Kriterien als erfüllt an, da die rote Arbeitshose nicht nur zur Sicherheit, sondern auch zur klaren Identifikation der Mitarbeiter beitrage und somit betriebliche Abläufe erleichtere.

Kritiker des Urteils argumentieren, dass solche Vorschriften die persönliche Freiheit der Mitarbeiter einschränken und das Arbeitsklima negativ beeinflussen könnten. Sie warnen vor einer zunehmenden Kontrollausübung durch Arbeitgeber, die möglicherweise über die notwendigen betrieblichen Erfordernisse hinausgeht. Befürworter hingegen sehen in der Entscheidung einen wichtigen Schritt zur Wahrung der betrieblichen Sicherheit und Effizienz.

Insgesamt verdeutlicht das Urteil des LAG Düsseldorf die komplexe Balance zwischen den Rechten der Arbeitgeber und den individuellen Freiheiten der Mitarbeiter. Es stellt klar, dass Arbeitgeber unter bestimmten Bedingungen berechtigt sind, spezifische Kleiderordnungen durchzusetzen, solange diese sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Dieses Urteil wird zweifellos als wichtiger Präzedenzfall in der Rechtsprechung zum Direktionsrecht des Arbeitgebers betrachtet werden und künftige Entscheidungen auf diesem Gebiet beeinflussen.

Das Aktenzeichen 1 CA 1749/23 wird somit als bedeutendes Beispiel für die Auslegung des Direktionsrechts und die Abwägung zwischen betrieblichen Erfordernissen und individuellen Rechten in die Rechtsgeschichte eingehen.

 

Bremer CGB-Landesvorsitzender Peter Rudolph fordert Abschaffung der Mindestlohnkommission: Mindestlohn auf 60 Prozent des Brutto-Medianlohns indizieren!

Der Bremer CGB-Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDA/CGB-Arbeitsgemeinschaft Peter Rudolph hat sich auf einer Funktionsträgertagung seiner Organisation für eine Abschaffung der Mindestlohnkommission und eine Indizierung des deutschen Mindestlohns auf 60 Prozent des Bruttomedianlohns ausgesprochen.

Der Unionsgewerkschafter kritisierte die Mindestlohnkommission, deren Arbeit von Anfang an keine Akzeptanz gefunden habe. Dies gelte einmal mehr für die auf Empfehlung der Kommission zum 1.Januar 2024 vorgenommene Anhebung des Mindestlohns um lediglich 41 Cent, die nicht einmal die Inflation ausgeglichen habe. Es sei daher kein Wunder, dass ein politischer Streit um die Höhe des Mindestlohns entbrannt sei, in dem sich nun sogar der Bundeskanzler im Europa-Wahlkampf mit einer 15-Euro-Forderung eingemischt habe.

Rudolph: „Lohnfindung ist keine Aufgabe der Politik und obliegt den Sozialpartnern. Dies gilt auch für den Mindestlohn, der angesichts einer Tarifbindung von unter 50 Prozent in Deutschland für CDA und CGB unverzichtbar ist. Bei der Einführung des Mindestlohns im Jahre 2015 hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die jährlichen Anpassungen des Mindestlohns auf Basis der Empfehlungen einer neunköpfigen Kommission, bestehend aus 3 Arbeitgebervertretern, 3 Gewerkschaftsvertretern, 2 nicht stimmberechtigten Wissenschaftlern sowie einer Vorsitzenden bzw. einem Vorsitzenden, zu erfolgen hat. Gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag soll sich die Mindestlohnkommission bei ihren Empfehlungen an der Tarifentwicklung orientieren und in einer Gesamtabwägung prüfen, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und Beschäftigung nicht zu gefährden. Diesem Auftrag ist die Kommission insbesondere auf Druck der Arbeitgebervertreter nur unzureichend nachgekommen. Daher plädiere ich für die Abschaffung der Mindestlohnkommission und eine Indizierung des deutschen Mindestlohns auf Basis von 60 Prozent des Bruttomedianlohns entsprechend den Empfehlungen der EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne. Aktuell würde dies einem Mindestlohn von etwa 14 Euro entsprechen. Für eine solche Indizierung haben sich bereits auch der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSUBundestagsfraktion Axel Knoerig sowie der neu gewählte stellvertretende CDU-Vorsitzende Karl-Josef Laumann ausgesprochen. Sie sollten ihren Worten jetzt auch Taten folgen lassen und sich nicht länger auf Appelle an die Sozialpartner beschränken.“

Das politische Geschacher um die Höhe des Mindestlohns ist unwürdig und muss nach Auffassung der Unionsgewerkschafter schnellstens beendet werden.

 

Kurzbericht zur Vertreterversammlung der BGHW am 15.05.2024

In der letzten Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik (BGHW) standen vor allem Gesundheitsförderung, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit im Mittelpunkt.  

Der Vorstandsvorsitzende und die Geschäftsführung gaben einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen u.a. im Bereich der Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung. Ein Vortrag vom Präsidenten des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS), Frank Plate, über das Verhältnis des BAS zu den gewerblichen Berufs-genossenschaften krönte die Veranstaltung. Er betonte die Zusammenarbeit des BAS mit der BGHW und anderen gewerblichen Berufsgenossenschaften und deren Bedeutung für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten.

Ein weiteres wichtiges Thema auf der Vertreterversammlung war Gesundheits-förderung und Teilhabe durch Sport. Die Bedeutung von Sport und Bewegung für die Gesundheit der Beschäftigten wurde diskutiert, ebenso wie Möglichkeiten der Förderung von sportlichen Aktivitäten am Arbeitsplatz.

Hier wurde besonderes Augenmerk auf den Behindertensport und Teilhabe auf die anstehenden Paralympics in Paris gelegt.       

Weitere Themen auf der Vertreterversammlung waren die Kampagne “Komm gut an.” in den sozialen Medien zur Förderung der Sicherheit am Arbeitsplatz, vor allem auf dem Arbeitsweg.

Die BGHW-Fachtagung “Sicherheit und Gesundheit im Handel und in der Waren-logistik” findet im September 2024 in Dresden statt.

Das ISSA Symposium Global Supply Chains Berlin im Oktober 2024 findet zum Thema Nachhaltigkeit entlang globaler Lieferketten statt.

Belohnungssysteme für Erste-Hilfe-Leistungen sowie Ausnahmegenehmigungen und die Sicherheit elektronischer Artikelsicherungssysteme im Einzelhandel bildeten weitere Themen in der Vertreterversammlung.

Abschließend wurden die nächsten Termine sowie die Sitzungstermine für das Jahr 2025 angekündigt.

Die BGHW setzt sich weiterhin aktiv für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten im Handel und in der Warenlogistik ein und fördert innovative Ansätze zur Prävention und Gesundheitsförderung.

Harm Marten Wellmann

 

Erste Tarifeinigung im Tarifstreit Handel: Verhandelt oder nicht verhandelt, das ist hier die Frage!

Erste Tarifeinigung im Tarifstreit Handel: Verhandelt oder nicht verhandelt, das ist hier die Frage!

Gewerkschaftlich Monopole in Tarifbereichen sind nicht unbedingt gut und ein Garant für einen guten Abschluss. Das zeigt die Tarifeinigung in Hamburg im Bereich Einzelhandel.

Der Tarifabschluss im Hamburger Einzelhandel vom 8. Mai 2024 wird von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di als “Durchbruch” gefeiert und soll wegweisend für die stockenden Tarifverhandlungen im Bereich Handel in anderen Bundesländern sein. Der Unternehmensverband HDE bezeichnet den Tarifabschluss ebenfalls als Erfolg – allerdings deswegen, weil dieser deutlich unter den ursprünglichen Forderungen von ver.di liegt! Die Fakten sprechen für die HDE-Sichtweise: Trotz Erhöhungen der Löhne um 5,3 Prozent rückwirkend ab Oktober 2023 und weitere 4,7 Prozent ab Mai 2024 sowie zusätzlicher Zugeständnisse, bleibt der Tarifabschluss weit hinter den Forderungen der Gewerkschaft zurück! Insgesamt sind es 11.8% Lohnerhöhung (plus mickrige 40 € Sockelbetragserhöhung) auf 36 Monate zuzüglich 5 Nullmonate. Die Forderung von verdi waren, wenn wir uns richtig erinnern, 13% auf 12 Monate!  Es war zu erwarten, dass es ein Delta zwischen Forderung und Resultat gibt – aber doch nicht so hoch! Es hat den Anschein, als ob gar nicht richtig verhandelt worden war.

Die Laufzeit des Vertrags beträgt ungewöhnliche 36 Monate (erstmalig im Handel), und die vereinbarte Inflationsausgleichsprämie von 1.000 Euro zum 1. Juni 2024 wird nur anteilig an Teilzeitbeschäftigte ausgezahlt. Die Gewerkschaft konnte keine ihrer Forderungen wie die nach der gemeinsamen Beantragung der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge richtig durchsetzen.  Sozialmächtigkeit in einem Bereich indem man das gewerkschaftliche Tarifmonopol inne hat sieht anders aus!

Die Lohnerhöhungen entsprechen nicht einmal den gestiegenen Lebenshaltungskosten, und die Vereinbarung mit einer Laufzeit von 36 Monaten stellt einen massiven Rückschlag für alle Arbeitnehmer und nicht nur für die verdi-Mitglieder dar. Der Handelsverband Deutschland hat mit freiwilligen Lohnerhöhungen insgesamt in Höhe von 10% bereits Fakten geschaffen, die ver.di anscheinend nicht umgehen konnte. Die Beschäftigten mussten Reallohnverluste hinnehmen. Eine strategisch klügere Verhandlungsführung seitens der Gewerkschaft hätte höchstwahrscheinlich bessere Ergebnisse erzielen können.

Zusammenfassend zeigt dieser Tarifabschluss eigentlich, dass verdi außer heißer Luft im Bereich Handel nicht wirklich etwas zustande bringt. Angesichts eines über ein Jahr dauernden Tarifkonflikts und mehrerer Streikaktionen hätten die Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel mehr erwarten dürfen!

Wie man salopp formulieren könnte: Wer dicke Backen macht, sollte auch pfeifen können. Ansonsten nimmt einen, wie man das am Tarifergebnis ablesen kann, die Arbeitgeberseite nicht ernst! 

Schade um die drei verlorenen Jahre für die Beschäftigten im Handel!

Harm Marten Wellmann