Filialsterben im deutschen Einzelhandel setzt sich fort

Die DHV ist besorgt über das anhaltende Filialsterben im deutschen Einzelhandel, von dem besonders die Bekleidungsbranche betroffen ist. Allein im I. Quartal dieses Jahres haben bereits 37 Mode- und Schuhhändler ein Insolvenz- oder Schutzschirmverfahren angemeldet. Aktuell hat das Unternehmen Gerry Weber angekündigt, dass es 122 seiner 149 deutschen Läden und 28 Outlet-Stores bis September schließen will. Die angekündigte Schließung bedeutet den Wegfall von ca. 350 Vollzeitstellen im Verkauf und von 75 in der Zentrale. Der Modekonzern, der sich bereits 2019 nur mit Hilfe eines Insolvenzverfahrens vor dem Aus retten konnte, hatte im April erneut ein Insolvenzverfahren in Eigenregie beantragt und will sich nun verstärkt auf die Modeherstellung und sein Großhandelsgeschäft konzentrieren.

Auch die frühere Gery Weber-Tochter Hallhuber, die 2021 nach einem Insolvenzverfahren von zwei Investoren übernommen wurde, befindet sich erneut in Schieflage und kämpft ums Überleben. Es geht um 110 Filialen und rund 1100 Beschäftigte. Ob auch diesmal das Insolvenzverfahren ein glückliches Ende findet ist fraglich.

Beim Modehändler Peek & Cloppenburg sind von dem am 1.Juni eröffneten Insolvenzverfahren in Eigenregie derzeit „nur“ 350 der über 1500 Arbeitsplätze in der Zentrale betroffen, die abgebaut werden sollen, wie das Unternehmen im Mai in einer Pressemitteilung ankündigte. Die Beschäftigten der 67 deutschen Filialen und des Online-Stores der Modekette müssen aktuell nicht um ihre Arbeitsplätze bangen. Ob dies auch längerfristig der Fall sein wird, bleibt abzuwarten angesichts von 400 Millionen Euro Schulden des Düsseldorfer Konzerns.

Für die Mehrzahl der Beschäftigten der Schuhhandelskette Reno, die bereits im März Insolvenz anmelden musste, ist es bereits traurige Gewissheit, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Nach dem kein neuer Investor gefunden wurde, steht das Ende für 150 der 180 Reno-Standorte in Deutschland fest. Lediglich 30 Standorte sollen im Rahmen von Übernahmen fortgeführt werden. Etwa 120 der ehemals 1100 Beschäftigten haben damit die Chance auf Erhaltung ihres Arbeitsplatzes.

Für die Schuhhandelskette Görtz hat sich zwar in Rahmen des bereits im September letzten Jahres eingeleiteten Insolvenzverfahrens in Eigenregie ein neuer Investor gefunden, ein Ende der Fahnenstange ist dennoch nicht in Sicht. War man noch im Februar davon ausgegangen, das Unternehmen mit der Hälfte der ehemals 160 Filialen fortführen zu können, mussten bereits im Mai weitere Filialschließungen angekündigt werden, da sich der Umsatz nicht wie erwartet entwickelt hatte.

Die Reihe der Hiobsbotschaften ließe sich fortsetzen. Die Corona-Pandemie ist vorbei; die erhoffte Erholung der krisengeschüttelten Schuh- und Modebranche lässt jedoch auf sich warten. Keine rosigen Zeiten für die Einzelhandelsbeschäftigten.

Hände

Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist seit dem 02. Juli 2023 in Kraft. Es setzt die EU-Whistleblowerrichtlinie in nationales Recht um. 

Es ist ein Dilemma, das immer wieder in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auftritt: Beschäftigte bekommen Kenntnis von einem Vorgang, der ihnen merkwürdig vorkommt und bei dem sie zumindest einen Verdacht haben, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Beispiel Buchhaltung: Merkwürdige Angaben in einer Reisekostenabrechnung, die auf einen Spesenbetrug hindeuten, oder Zahlungen an Dritte für abgerechnete Leistungen, bei denen man den Verdacht hat, dass sie nicht erbracht worden waren. Oder man bekommt Kenntnis von einer Begebenheit unter Kollegen, die zumindest den Verdacht einer sexuellen Belästigung nahelegen.

Wie soll man sich in solchen Fällen verhalten? Eine Meldung über eine Beobachtung, die sich im Nachhinein als falsch erweist, könnte leicht als falsche Verdächtigung und damit als Verstoß gegen die arbeitsrechtliche Treuepflicht etikettiert werden. Die Meldung über ein Fehlverhalten des Vorgesetzten erfordert Mut und die Bereitschaft, erforderlichenfalls auch Repressalien des Vorgesetzten auszuhalten. Und wie verhält sich eine Meldung über interne Vorgänge mit der arbeitsrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit im Arbeitsverhältnis? Auch das Warten bis nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses ist nicht so leicht. Denn am Ende des Arbeitsverhältnisses ist man zur Herausgabe sämtlicher Dokumente und Dateien verpflichtet. Aber gar nichts zu tun ist auch keine Lösung. Denn vor allem das Stillhalten der Beschäftigten fördert die Kultur von Verstößen gegen Complianceregelungen oder die weitere Begehung von Ordnungswidrigkeiten bzw. gar von Straftaten.

Das Hinweisgeberschutzgesetz packt dieses Dilemma an. Von diesem Gesetz geschützt werden natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an Meldestellen melden oder offenlegen. Auch Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sind von dem Gesetz geschützt. Beispiel: Bei der Meldung einer sexuellen Belästigung werden der Hinweisgeber und die sexuell belästigte Person vom Gesetz geschützt.

Adressaten des Gesetzes sind Beschäftigungsgeber. Damit ist der Adressatenkreis sehr breit gefasst. Er bezieht sich auf alle Arbeitgeber des öffentlichen und privaten Rechts. Allerdings gilt das Hinweisgeberschutzgesetz derzeit nur für Beschäftigungsgeber ab 250 Beschäftigten. Ab dem 17.12.2023 gelten die Verpflichtungen auch für Beschäftigungsgeber ab 50 Beschäftigten. Unter dieser Grenze liegende Beschäftigungsgeber sind vom Gesetz ausgenommen. Sie sollten aber die Einrichtung einer Meldestelle in Betracht ziehen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Beschäftigtengrenze noch weiter gesenkt wird.

Sachlich geschützt sind straf- und bußgeldbewehrte Verstöße sowie Verstöße gegen sonstige Vorschriften von Bund, Ländern und unmittelbar geltende Rechtsakte der EU. Der Schutz ist damit sehr umfassend. Bei den Ordnungswidrigkeitsvorschriften muss die verletzte Vorschrift allerdings dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dienen. Das Vertuschen eines „Knöllchens“ des Vorgesetzten infolge eines Transports der Kinder zur Schule mit dem Dienstwagen fällt nicht unter den Hinweisgeberschutz. Allerdings: Wenn dabei herauskommt, dass der Vorgesetzte eine nicht genehmigte private Angelegenheit erledigt hatte, dann kann das Hinweisgeberschutz evtl. unter dem strafbewehrten Aspekt „Arbeitszeitbetrug“ zum Tragen kommen.

Vom Gesetz geschützt ist nicht nur die Meldung über tatsächlich begangene Verstöße, sondern auch begründete Verdachtsmomente über mögliche Verstöße sind geschützt. Auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist der Hinweisgeber gegen Repressalien geschützt. Das Recht, tatsächliche oder begründete Verstöße zu melden, geht damit gegenüber der Herausgabepflicht von Dokumenten am Ende des Arbeitsverhältnisses und der Verschwiegenheitspflicht nach dem Arbeitsverhältnis vor. Dieses Schutzrecht betrifft aber nur die Dokumente, die die die tatsächlichen oder möglichen Verstöße belegen sollen. Wer darüber hinaus unberechtigt Dateien, Dokumente oder Gegenstände weiter zurückbehält, macht sich möglicherweise wegen Unterschlagung strafbar und begeht auf jeden Fall einen Verstoß gegen die Herausgabepflicht. Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt nur die Meldung an die Meldestellen. Es verleiht nicht das Recht, an die Presse zu gehen oder in sozialen Medien Verstöße anzuprangern. Vollkommen aus dem Schutz des Gesetzes fällt ein (ehemaliger) Beschäftigter, wenn er oder sie eine Geldleistung für ein Schweigen fordert oder damit droht, an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn Missstände nicht abgestellt werden. Das ist Erpressung!

Eine Beweislastumkehr findet statt, wenn die hinweisgebende Person Benachteiligungen erleidet. Die Person muss nicht beweisen, dass sie diese wegen ihrer Meldung erlitten hat. Sie muss das nur geltend machen. Der Gegenpart muss vielmehr beweisen, dass die Benachteiligung unabhängig von der Meldung passiert ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, gilt die Vermutung, dass der Hinweis die Ursache war.

Beim Bundesamt für Justiz wird die externe Meldestelle eingerichtet. Die vom Gesetz betroffenen Beschäftigungsgeber müssen eine interne Meldestelle einrichten. Bei der Einrichtung und dem Betrieb der Meldestelle sind die Betriebs- und Personalräte im Rahmen der Mitbestimmungstatbestände des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze beteiligt. Das DHV-Bildungswerk behandelt das Hinweisgeber-schutzgesetz in den Schulungen. Darüber hinaus stehen die DHV-Geschäftsstellen den DHV-Mitgliedern beratend zur Seite.

 

 

 

DHV begrüsst Rettung von Karstadt Bremen in letzter Minute

Mit Ablauf Mai endete das Insolvenzverfahren des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof. Das Insolvenzverfahren wurde vom Amtsgericht Essen ausgehoben, nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig wurde.

Der Insolvenzplan sieht die Schließung von 41 der zuletzt noch 129 Filialen des Konzerns vor. Bremen ist nicht mehr der dabei. In letzter Minute einigte sich das Unternehmen mit dem Eigentümer der Immobilie in bester Bremer Innenstadtlage, der Kurt-Zech-Stiftung. 240 Beschäftigte können aufatmen. Ihre bereits ausgesprochenen Kündigungen wurden zurückgenommen. Die DHV freut sich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und für die Stadt Bremen. Das bereits im Jahre 1932 eröffnete und heute unter Denkmalschutz stehende Galeria-Karstadt-Haus ist die letzte in Bremen befindliche Warenhausfiliale. Die Bremer Kaufhof-Filiale von Galeria wurde bereits 2020 geschlossen.

Die DHV ist für die Zukunft des Bremer Karstadt-Hauses optimistisch. Das Haus schreibt „schwarze Zahlen“. Die mit der Kurt-Zech-Stiftung vereinbarte Flächenreduzierung dürfte daran nichts ändern. Sie stand bereits vor dem Insolvenzverfahren zur Diskussion und im Zusammenhang mit Plänen zur Aufwertung der Innenstadt. Entfallen wird eine Fläche außerhalb des denkmalgeschützten Gebäudes, die früher das Defaka-Warenhaus beherbergte und bei Aufgabe des Unternehmens von Karstadt übernommen wurde.

 

Wir gratulieren der SPD zu ihrem 160. Geburtstag!

Am 23. Mai 1863 gründete sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein als Vorläufer der SPD.

Die SPD hat in ihrer langen Geschichte das Deutsche Kaiserreich, die Weimarer Republik und die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich geprägt, viele soziale Errungenschaften durchgesetzt und Deutschland zu einem Land gemacht, in dem die Menschen in Frieden, Wohlstand und Chancengerechtigkeit leben können. In ihrer Verantwortung – derzeit als Regierungspartei – trägt sie maßgeblich mit dazu bei, dass Deutschland ein verlässlicher Partner in Europa und in der Welt ist.

Diese erstaunliche lange Erfolgsgeschichte war und ist nur möglich mit Persönlichkeiten, die sich mit Leidenschaft für die Demokratie einsetzten, die die Richtung der Partei mitgestalkteten und auch den Mut hatten, gegen Widerstände Ideen und notwendige politische Projekte durchzusetzen. Und die Erfolgsgeschichte ist nur weiterhin möglich mit Mitgliedern, die sich für ihre SPD engagieren.

160 Jahre SPD – diesem Jubiläum sollten auch politische Gegner und Menschen, die keine Anhänger dieser Partei sind, Respekt zollen. Dies tun auch wir – auch wenn wir uns von der SPD weniger Verbandelung mit dem DGB und etwas mehr Offenheit gegenüber der christlichen Gewerkschaftsbewegung wünschen würden.

Streik Metro Mülheim

Warnstreik im Handel NRW am 17.05.2023: DHV-Mitglieder Metro Mülheim sind dabei!

Die große Einheitsgewerkschaft hatte am 17.05.2023 zum 24-stündigen Warnstreik im Bereich Handel in NRW aufgerufen.

Bereits am Dienstag um 0 UHR hatten die Beschäftigten bei Rewe für 48 Std. die Arbeit niedergelegt.

Die DHV-Mitglieder bei der Metro Mülheim an der Ruhr hatten sich per gewerkschaftlichen und basis-demokratischen Beschluss entschieden, sich dem Warnstreikaufruf anzuschließen und so ihre Solidarität mit den Arbeitnehmern zu bekunden.

Es war also nicht verwunderlich, dass mehr DHV-Mitglieder am Streikposten standen und dem Aufruf zum Warnstreik gefolgt waren als bei der großen Konkurrenz. Symbolträchtig war diese Streikaktion, weil der Metromarkt in Mülheim der erste Metromarkt war, welcher unter dem blau-gelben Logo „Metro“ eröffnet worden war. Zudem stellte man bei diesem Warnstreik den ersten richtigen Streikposten seit Öffnung des Metro Marktes in Mülheim auf.

Unterstützt wurden die streikenden DHV-Kolleginnen und DHV-Kollegen von dem DHV-Geschäftsführer aus NRW. 

Neben den klassischen Lohnforderungen und der momentanen hohen Inflation waren aber auch die Themen Personalnotstand und Übernahme der Auszubildenden die Themen, welche die DHV-Mitglieder beschäftigten und ansprachen.

Man darf gespannt die Verhandlungen abwarten und sehen, welche Resultate den vollmundigen Versprechungen der großen Einheitsgewerkschaft folgen. Wir hoffen, zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und unserer Kolleginnen und Kollegen im Bereich Handel, dass Ihre Erwartungen hier nicht enttäuscht werden und das den Versprechen auch Taten folgen.

In diesem Sinne „Glück auf DHV!“

Hände

DHV-Information zum Referentenentwurf zum Arbeitszeitgesetz und zur Diskussion um die Einführung einer 4 Tage-Woche

Arbeitszeit: Tariflicher/Betrieblicher Handlungsspielraum statt gesetzlicher Vorgaben!

Die Berufsgewerkschaft DHV verfolgt die politische Diskussion um die Änderung des Arbeitszeitgesetzes und um die Einführung einer 4 Tage-Woche mit einem kritischen, das Augenmerk auf die Branchen-/betriebliche Situation gerichteten Blick.

Unbestritten besteht die Notwendigkeit der Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Maßgaben der BAG-Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung. Die DHV begrüßt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Diese setzt Verstößen gegen die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit wirksam Grenzen. Die Bundesregierung muss die Maßgaben der BAG-Entscheidung in Gesetzesrecht umsetzen und dementsprechend das Arbeitszeitgesetz anpassen. Dabei darf sie allerdings nicht über das Ziel hinausschießen und mögliche Spielräume zu einer flexibleren Handhabung betrieblicher Arbeitszeitregelungen noch weiter einengen.

  • So sollte die Bundesregierung Ausnahmen von der elektronischen Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit nicht in die Hände der Tarifparteien legen, sondern den Betriebsparteien in Form von Betriebs-/Dienstvereinbarungen unabhängig von einer tarifvertraglichen Erlaubnis an die Hand geben. Über sinnvolle Ausnahmen können am besten Arbeitgeber und Betriebsparteien vor Ort und nicht die Tarifparteien am Verhandlungstisch entscheiden.
  • Gerade unter dem Aspekt auch des Wunsches vieler Arbeitnehmer*innen nach mobiler Arbeit und Arbeiten im Homeoffice sollten zu strikte Vorgaben in Form einer elektronischen Arbeitszeiterfassungspflicht vermieden werden. Es sollte in der Entscheidung der im Homeoffice tätigen oder mobil arbeitenden Arbeitnehmer*innen liegen, ob sie die Arbeitszeit mittels eines elektronischen Kontrollsystems oder händisch aufzeichnen wollen.
  • Es müssen alle Spielräume ausgeschöpft werden, Vertrauensarbeitszeit dann zuzulassen, wenn dies von Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in gewollt ist und es eine Grundlage in Form einer Betriebs-/Dienstvereinbarung gibt.

Auch die Diskussion um die 4 Tage-Woche muss weg von der Politik hin zu den Tarif-/Betriebsparteien verlagert werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Arbeit, die heute in einer 5 Tage-Woche geschafft wird, zukünftig auch generell in einer 4 Tage-Woche geschafft werden kann, ohne dass die betroffenen Arbeitnehmer*innen in die Gefahr einer Überlastung geraten. Das gilt vor allem unter dem Aspekt des dramatisch wachsenden Fachkräfte-/Arbeitskräftemangels. Insbesondere darf die im Arbeitszeitgesetz geregelte tägliche durchschnittliche Höchstarbeitszeit nicht von 8 Stunden auf 10 Stunden hochgesetzt werden. Eine solche Gesetzesänderung stünde nicht im Einklang mit dem Ziel der Gesundheitsförderung der Beschäftigten.

Die Politik sollte die Frage, ob eine 4 Tage-Woche unter den Aspekten der Arbeitsanforderung, der Work-Life-Balance und dem zur Verfügung stehenden Potential an Arbeitskräften bzw. möglichen Bewerber*innen ermöglicht werden kann, den Tarif-/Betriebsparteien überlassen. Sie sollte tunlichst vermeiden, in Sonntagsreden den Druck auf Arbeitgeber, Gewerkschaften, Betriebs-/Personalräte und Beschäftigte zu erhöhen. Vielmehr sollte die Politik ihre eigenen Hausaufgaben machen und z.B. mit einem zeitgemäßen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, besseren Bildungsrahmenbedingungen, besseren finanziellen Bedingungen und Förderbedingungen und vor allem mit einer vorausschauenden Wirtschafts-, Steuer-, Finanz- und Energiepolitik dafür sorgen, dass der Standort Deutschland wieder attraktiver wird und das Potential an Arbeitskräften erhöht wird. Nur unter solch verbesserten Rahmenbedingungen kann eine 4 Tage-Woche ernsthaft ins Auge gefasst werden und von Betriebs-/Tarifparteien unter Beachtung der jeweiligen Branchen-/Unternehmenssituation vereinbart werden.

 

 

 

CGB-Logo

Maiaufruf 2023

In sozialer Verantwortung CGB!

Das Jahr 2023 – seit April offiziell Jahr 1 nach der Pandemie – bringt wegen der immer noch bestehenden Sorge um eine Ausweitung des Ukraine Kriegs und der Gefahr weiterer Konflikte – etwa in und um Taiwan – vieles, nur keine Aufbruchsstimmung. Dabei hatten wir uns gerade das gewünscht, sobald die Corona Pandemie endlich überwunden sein würde. Aber es zeigt sich mal wieder, dass die Einflüsse auf Deutschland und uns alle als Arbeitnehmer weit vielfältiger sind, als die Fokussierung auf Corona.

Dabei ist ein Teil der Wahrheit, dass es in der Pandemie gerade im Hinblick auf die Organisation der Arbeit – vor allem im Hinblick auf neue, digitale Arbeitsmethoden – einen enormen Schub gegeben hat. In vielen Bereichen sind wir weg von der Präsenz am Arbeitsplatz um der bloßen Präsenz willen hin zu mehr Effizienz und Ergebnisorientierung. Mobiles Arbeiten und die damit verbundene neue Freiheit der Selbstorganisation der Arbeit haben zwar eine Verbesserung der sogenannten „work-life-balance“ gebracht. Gleichzeitig verursacht diese Entwicklung aber auch neue soziale Probleme und wirft ein anderes Licht auf schon bekannte negative Elemente der mobilen Arbeit und der Heimarbeit. Ein massives Problem ist etwa die Erwartung an Beschäftigte, ständig erreichbar zu sein und zu jeder Zeit eine Arbeit erledigen zu können.

Für uns als christliche Gewerkschafter steht der Mensch im Mittelpunkt! Wegen unserer wertebasierten Ausrichtung legen wir einen wesentlichen Schwerpunkt auf die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben. Die Einhaltung der arbeits-/tarifvertraglich geregelten täglichen Arbeitszeit und der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes müssen auch im Bereich der mobilen Arbeit/Heimarbeit gewährleistet sein!

Unsere Arbeitswelt, unsere Werte und unsere Vorstellungen, wie unser gesamtes Leben und unsere Gesellschaft in Zukunft gestaltet werden sollen, waren noch nie von sich so schnell ändernden Bedingungen und Voraussetzungen geprägt wie in den vergangenen drei Jahren. Der Wunsch nach Veränderung und progressiver Entwicklung, der Schritt in ein neues digitales Zeitalter, das in seinen Auswirkungen mit der industriellen Revolution vergleichbar ist, bricht gewohnte gesellschaftliche und arbeitsmarktpolitische Strukturen auf. Verstärkt wird der Wandel durch den inzwischen bereits mehr als ein Jahr andauernden Krieg in der Ukraine, der uns bewusst macht, dass die viel umworbene Globalisierung im Konfliktfall auf sehr dünnem Eis steht. Gestörte Lieferketten, steigende Energiepreise und damit verbunden eine Inflation, die in diesem Ausmaß vorher kaum vorstellbar war, zeigen auf, dass wir uns wieder mehr um inländische Produktion und inländische Lösungen kümmern müssen, ohne uns abzuschotten. Dies ist eine Herausforderung, der wir uns als christliche Gewerkschafter insbesondere stellen müssen, da sie den Arbeitsmarkt verändern wird.

Aktuell erleben wir in Deutschland Arbeitskämpfe, die in ihrer Vehemenz fast schon in Vergessenheit geraten waren. Und wie immer, wenn es um Arbeitskämpfe geht, werden Stimmen von Arbeitgebern laut, dass die Apokalypse drohe. Von französischen Verhältnissen (was immer das sein mag) ist die Rede, weswegen das Streikrecht eingeschränkt werden müsse. Schon gar nicht dürfe der Verkehr oder die Daseinsvorsorge betroffen sein. Dem steht eine lange nicht mehr dagewesene Steigerung der Lebenshaltungskosten gegenüber, die alle Menschen spüren – vor allem diejenigen, die in geringer vergüteten Berufen arbeiten. Diesem Einschnitt in den Lebensstandard kann nur mit einer Steigerung der Einkommen begegnet werden. Diese Erkenntnis ist Teil der sozialen Verantwortung der Arbeitgeber!

Tatsächlich zählt man in Deutschland noch nicht einmal ein Drittel der französischen Streiktage, und von brennenden Barrikaden kann jedenfalls bei Arbeitskämpfen auch keine Rede sein. Dass ein Streik Unannehmlichkeiten mit sich bringt und auch wirtschaftlichen Schaden anrichtet, liegt in der Natur der Sache, sonst wäre dieses Mittel auch völlig sinnentleert.

Wir christliche Gewerkschafter stehen selbstverständlich zum Streikrecht und unterstützen alle Kollegen im Arbeitskampf. Wir stehen aber auch für Augenmaß. Wir wollen nicht, dass durch übertriebene Maßnahmen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Im Sinne des sozialpartnerschaftlichen Miteinanders muss ein Streik immer ultima ratio sein und darf nicht inflationär verwendet werden. Wir wollen unsere Grundwerte der christlichen Sozialethik, Eigenverantwortung, Solidarität, Toleranz, Respekt im Umgang miteinander, Humanität und Stärkung des Gemeinwohls auch im Rahmen der Arbeitskämpfe einbringen. Wir wollen Konflikte durch Gespräche und Verhandlungen lösen und nicht Konflikte über Statements in Medien austragen! Das ist ein wesentlicher Teil der sozialen Verantwortung, für die wir stehen und arbeiten.

Damit einher geht die permanent steigende Gefahr, nach der aktiven Erwerbsarbeit in Altersarmut zu leben. Das System der Riester Rente erweist sich zunehmend mehr als Modell für die positive Ertragslage der Versicherer als ein vernünftiges Modell zur Erhaltung des Lebensstandards. Andere Zusatzversorgungssysteme leiden seit Jahren an den niedrigen Zinsen, was das Niveau nach unten drückt. Insofern ist die staatliche Rente nach wie vor das einzige richtige Modell der Altersvorsorge. Wir werden dafür einstehen, dass das System nicht weiter ausgehöhlt, sondern gestärkt wird. In einem wirtschaftlich starken Land wie Deutschland muss es möglich sein, mit allen gesellschaftlichen Kräften einen Weg zu finden, mit dem Altersarmut verhindert werden kann.

Wir standen als christliche Gewerkschaften immer schon für Mitarbeiterbeteiligungsformen an Unternehmensgewinnen, um den Lebensstandard im Ruhestand besser finanziell absichern zu können. Auch in Zeiten des zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangels sind unsere Forderungen höchstaktuell, denn die Auswirkungen des Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels werden sich auch auf die Finanzierung der Renten auswirken. Die aktuell diskutierte Einführung der Vier-Tage-Woche, übrigens eine Forderung, die wir schon vor sehr langer Zeit erhoben hatten, vermag möglicherweise eine Zeit lang den Mangel an Arbeitskräften zu kaschieren und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, das eigentliche Problem wird sie aber langfristig nicht lösen können.

Diesen Weg der sozialen Verantwortung und des sozialen Diskurses gehen wir christliche Gewerkschafter schon seit mehr als einhundert Jahren. Wir werden diesen Weg auch in Zukunft weiter gehen und gestalten, weil wir überzeugt sind, dass es richtig ist, soziale Verantwortung nicht nur in Sonntagsreden zu proklamieren, sondern zu übernehmen.

 

Warnstreiks: Bitte Verhältnismäßigkeit wahren!

Statement des DHV-Bundesvorsitzenden Henning Röders zum heutigen Warnstreik von verdi und EVG

Am heutigen Tag legen die Gewerkschaften verdi und EVG das öffentliche Leben in Deutschland weitgehend lahm: Bundesweit werden Bahnen, Busse, Flughäfen, die Autobahnverkehrsgesellschaft, Teile der Häfen und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bestreikt.

Die Berufsgewerkschaft DHV solidarisiert sich mit den Beschäftigten, die zu Recht einen Abschluss erwarten, der ihnen eine angemessene, die Inflation wenigstens zu einem großen Teil kompensierende Gehaltserhöhung bringen soll. Die Abschlüsse müssen akzeptable Ergebnisse bringen, die Arbeitgeber müssen zu einem ordentlichen Abschluss bereit sein.

Die Verhandlungen müssen aber mit dem richtigen Augenmaß und der richtigen Verhältnismäßigkeit der Mittel geführt werden! Der bundesweite Warnstreiktag am 27.03.2023 lässt dies aber bei den Gewerkschaften verdi und EVG vermissen.

  • Die für den heutigen Tag terminierte dritte Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst steht bereits seit Monaten fest.
  • Bei den Verhandlungen der EVG in der Eisenbahn- und Verkehrsbranche hat sogar erst eine Verhandlungsrunde stattgefunden.

Tarifverhandlungen, die auf drei Verhandlungsrunden angesetzt sind, laufen in der Regel nach dem gleichen Schema ab:

1. Verhandlungsrunde: Kein Arbeitgeberangebot

2. Verhandlungsrunde: Schlechtes Arbeitgeberangebot

3. Verhandlungsrunde: Die entscheidende Verhandlung: Bis in die Nacht oder in die Morgenstunden wird um jeden Zehntelprozentpunkt gerungen. Am Ende entscheidet es, sich, ob beide Seiten einen Kompromiss erlangen können.

Dieses seit Jahrzehnten eingespielte Ritual wird von den DGB-Gewerkschaften mitgespielt. Zum Ritual gehören auch die Empörung der Gewerkschaften nach den ersten beiden Verhandlungsrunden über fehlende oder schlechte Arbeitgeberangebote sowie die Warnstreiks, die vor allem dem Zwecke der Beschäftigtenmobilisierung und Mitgliedergewinnung dienen.

 

Mit dem heutigen Lahmlegen des öffentlichen Verkehrs in Deutschland überspannen die Gewerkschaften verdi und EVG aber deutlich den Bogen! Denn unter diesem Streik leiden Millionen Bundesbürger – darunter auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wer für das Pendeln zur Arbeit auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, muss unter Umständen einen Tag Urlaub nehmen oder gar Geld für Taxi/Mietwagen aufwenden, um die arbeitsvertragliche Pflicht zur Arbeitsleistung zu erfüllen. Der bundesweite Warnstreiktag zieht auch wirtschaftliche Schäden nach sich: Veranstaltungen können nicht durchgeführt werden, Geschäftsreisen nicht unternommen und Waren nicht per Bahn oder Flugzeug geliefert werden. Die wirtschaftlichen Schäden dürften zwar unter dem Strich nicht so erheblich zu Buche schlagen, dass Unternehmensinsolvenzen oder Arbeitsplatzabbau drohen. Dennoch sind sie das Ergebnis einer Streikshow, die verdi und EVG mit dem Ziel der maximalen Aufmerksamkeit abziehen – und damit vermeidbar sind. Der heutige Streik mag vielleicht noch gerade so in den Rahmen eines rechtlich zulässigen Warnstreiks passen. Angesichts der gravierenden Auswirkungen und angesichts des noch nicht erklärten Scheiterns der Verhandlungen ist der heutige Streik aber unverhältnismäßig! Verdi und EVG  erweisen dem berechtigten Anliegen der Beschäftigten auf eine angemessene Gehaltserhöhung einen Bärendienst. Sie dürfen sich nicht wundern, wenn im Zuge dieses unverhältnismäßigen Warnstreiks wieder die Diskussion um eine gesetzliche Regulierung des Streikrechts aufflammt.

V.i.S.d.P.: Henning Röders

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PM CGB LV Bremen: Aktuelle Pressemitteilung zu den anstehenden Sozialwahlen

BUNDES-VIZE DER CGB/CDA-ARBEITSGEMEINSCHAFT KRITISIERT SOZIALWAHL-BLOCKADE VON ARD UND ZDF UND FORDERT DIE AUSSTRAHLUNG VON INFO-SPOTS

Peter Rudolph, stellvertretender Vorsitzende der CGB/CDA-Bundesarbeitsgemeinschaft und Mitglied der Vertreterversammlung der Verwaltungsberufsgenossenschaft, hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunkan­stalten der ARD sowie dem ZDF vorgeworfen, nur unzureichend über die in diesem Frühjahr anstehenden Sozialwahlen zu informieren. Er forderte die Sender zur Ausstrahlung von Sozialwahl-Werbespots auf.

Rudolph: „Durch die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung können die Versicherten die Geschicke ihres Versicherungsträgers mitbestimmen. Dies betrifft auch den Haushalt, der allein bei der Deutschen Ren­tenversicherung Bund 174 Mrd. Euro umfasst und damit mehr als jeder Länderhaushalt.

Die Sozialwahlen sind mit mehr als 52 Millionen wahlberechtigten Versicherten und Rentnern die drittgrößten Wahlen in Deutschland. Es ist ein Skandal, dass ausgerechnet die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und TV-Sender, die sich über die Gebühren aller Bürger finanzieren, ihrem Informationsauftrag gegenüber den Wahlberechtigten nicht nachkommen. Einerseits kritisieren sie in ihren Sendungen die niedrige Wahlbeteili­gung bei den Sozialwahlen und verurteilen die sogenannten Friedenswahlen, andererseits leisten sie durch ihre Blockadehaltung selbst einer niedrigen Wahlbeteiligung Vorschub und stellen die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung damit infrage. Wenn bei den letzten Sozialwahlen, die im Jahre 2017 stattgefunden haben, nur rund 30 Prozent der Wahlberechtigten ihr Wahlrecht wahrgenommen haben, tragen die öffentlich-rechtlichen Sender hierfür eine erhebliche Mitverantwortung.

Da die Sozialwahlen nur alle sechs Jahre stattfinden und überwiegend per Briefwahl durchgeführt werden, wissen viele Versicherte und Rentner nicht von ihrem Wahlrecht und ihren damit verbundenen Einflussmög­lichkeiten. Sie sind daher auf Wahlbekanntmachungen und Informationen angewiesen.“

Die CGB/CDA-Bundesarbeitsgemeinschaft verweist darauf, dass nicht bei allen Sozialversicherungsträgern in diesem Jahr Urwahlen stattfinden. Dort, wo sich die vorschlagsberechtigten Organisationen bereits im Vorfeld über die zukünftige Sitzverteilung eigen konnten, entfällt die Wahlhandlung und es kommt zur sogenannten Friedenswahl, bei der die vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten als gewählt gelten.

Bei den großen bundesweit tätigen Sozialversicherungsträgen wie Deutsche Rentenversicherung Bund und den gesetzlichen Krankenkassen Barmer, DAK, HKK, KKH und TK kommt es jeweils zu Urwahlen. Die Wahlunterlagen erhalten die Wahlberechtigten ohne gesonderte Anforderung per Post. Versandzeitraum ist bei der Deutschen Rentenversicherung Bund der Zeitraum 20. bis 27.April. Wahlberechtigte, die bis zum 11. Mai 2023 noch keine Wahlunterlagen erhalten haben, können noch bis spätestens 19. Mai einen Antrag auf Ausstellung und Übersendung der Wahlunterlagen stellen. Wahltermin selbst ist der 31.Mai. Bis zu diesem Termin müssen die Wahlbriefe beim Versicherungsträger eingegangen sein.

Die 22 Millionen Wahlberechtigten der Ersatzkrankenkassen müssen nicht von der Briefwahl Gebrauch ma­chen. Sie haben erstmalig auch die Möglichkeit, ihre Stimme online abzugeben. Auch hier ist der Stichtag der 31.Mai.Wirtschaft im entscheidenden Maße abhängt